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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877.

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selbst kleine, unbedeutende Dinge. Sie kann nicht vergessen;
ich fürchte, dieser Eindruck wird ihr für's Leben bleiben."

"Ah pah! Mädchenträume! Sie wird sich schon zurecht
finden; ihr Sinn ist ohnedies mehr auf's Ueberirdische gerich¬
tet. Ich jedoch halte mich an die volle, blühende Wirk¬
lichkeit!"

"Du liebst mich also?" Und die Stimme der Freifrau
klang weich und zärtlich.

Es erfolgte keine Antwort; aber eine Stille trat ein,
durchweht von den stürmischen Hauchen und Küssen einer lan¬
gen, leidenschaftlichen Umarmung.

Zitternden Herzens preßte ich die Lippen zusammen. Ich
hatte den günstigen Augenblick, mich zu entfernen versäumt --
und nun stand die Freifrau mit Rödern in der Nähe des
Bosquets; die leiseste Bewegung, ein Odemzug mußte meine
Anwesenheit verrathen.

"Und wie lange wirst Du mich lieben, Flattersinn?"
klang es endlich.

"So lange ich athme!" klang es berauscht entgegen.

"Gedenke Deiner Worte!" stieß jetzt die Freifrau mit
wildem, fast unheimlichem Flüstern hervor. "Ich lasse Dich
auch nicht mehr: Du bist mir verfallen mit Leib und Seele!"

Es war zu vernehmen, wie sie ihn umschlang; dann
setzten sich die Schritte der Beiden wieder in Bewegung. Ich

ſelbſt kleine, unbedeutende Dinge. Sie kann nicht vergeſſen;
ich fürchte, dieſer Eindruck wird ihr für's Leben bleiben.“

„Ah pah! Mädchenträume! Sie wird ſich ſchon zurecht
finden; ihr Sinn iſt ohnedies mehr auf's Ueberirdiſche gerich¬
tet. Ich jedoch halte mich an die volle, blühende Wirk¬
lichkeit!“

„Du liebſt mich alſo?“ Und die Stimme der Freifrau
klang weich und zärtlich.

Es erfolgte keine Antwort; aber eine Stille trat ein,
durchweht von den ſtürmiſchen Hauchen und Küſſen einer lan¬
gen, leidenſchaftlichen Umarmung.

Zitternden Herzens preßte ich die Lippen zuſammen. Ich
hatte den günſtigen Augenblick, mich zu entfernen verſäumt —
und nun ſtand die Freifrau mit Rödern in der Nähe des
Bosquets; die leiſeſte Bewegung, ein Odemzug mußte meine
Anweſenheit verrathen.

„Und wie lange wirſt Du mich lieben, Flatterſinn?“
klang es endlich.

„So lange ich athme!“ klang es berauſcht entgegen.

„Gedenke Deiner Worte!“ ſtieß jetzt die Freifrau mit
wildem, faſt unheimlichem Flüſtern hervor. „Ich laſſe Dich
auch nicht mehr: Du biſt mir verfallen mit Leib und Seele!“

Es war zu vernehmen, wie ſie ihn umſchlang; dann
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[268/0284] ſelbſt kleine, unbedeutende Dinge. Sie kann nicht vergeſſen; ich fürchte, dieſer Eindruck wird ihr für's Leben bleiben.“ „Ah pah! Mädchenträume! Sie wird ſich ſchon zurecht finden; ihr Sinn iſt ohnedies mehr auf's Ueberirdiſche gerich¬ tet. Ich jedoch halte mich an die volle, blühende Wirk¬ lichkeit!“ „Du liebſt mich alſo?“ Und die Stimme der Freifrau klang weich und zärtlich. Es erfolgte keine Antwort; aber eine Stille trat ein, durchweht von den ſtürmiſchen Hauchen und Küſſen einer lan¬ gen, leidenſchaftlichen Umarmung. Zitternden Herzens preßte ich die Lippen zuſammen. Ich hatte den günſtigen Augenblick, mich zu entfernen verſäumt — und nun ſtand die Freifrau mit Rödern in der Nähe des Bosquets; die leiſeſte Bewegung, ein Odemzug mußte meine Anweſenheit verrathen. „Und wie lange wirſt Du mich lieben, Flatterſinn?“ klang es endlich. „So lange ich athme!“ klang es berauſcht entgegen. „Gedenke Deiner Worte!“ ſtieß jetzt die Freifrau mit wildem, faſt unheimlichem Flüſtern hervor. „Ich laſſe Dich auch nicht mehr: Du biſt mir verfallen mit Leib und Seele!“ Es war zu vernehmen, wie ſie ihn umſchlang; dann ſetzten ſich die Schritte der Beiden wieder in Bewegung. Ich

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Zitationshilfe: Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/284>, abgerufen am 29.03.2024.