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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

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Dogma von der Constanz der Arten.
System zu finden, gibt er den Rath, daß Nichts allgemeineren
Werth habe als die Stellungsverhältnisse, besonders des Samens
und in diesem besonders das punctum vegetans, wobei er
ausdrücklich auf Caesalpin verweist. Er selbst stelle hier keine
Klassen, sondern nur Ordnungen auf; seien diese einmal festgestellt,
so werde es leicht sein, die Klassen zu finden. Deutlicher als es
in diesen Sätzen geschehen ist, konnte in jener Zeit das Wesen
des natürlichen Systems nicht dargelegt werden. Er stellte nun,
wie erwähnt, 1738 bereits 65 natürliche Ordnungen auf, die
er zunächst einfach numerirte; aber schon in der ersten Auflage
der Philosophia botanica 1751, wo er die Zahl auf 67 ver-
mehrte, gab er jeder einzelnen Gruppe einen besonderen Namen
und auch bei dieser Namengebung zeigte sich wieder Linne's
classificatorischer Takt, indem er die Namen entweder von wirklich
charakteristischen Merkmalen ableitete, oder was noch besser war,
einzelne Gattungen herausgriff und ihre Namen so umänderte,
daß sie als Verallgemeinerungen für eine ganze Gruppe gelten
konnten. Viele dieser Bezeichnungen sind noch jetzt im Ge-
brauch, wenn auch der Umfang und der Inhalt der natür-
lichen Gruppen sich wesentlich geändert hat. Diese Art der
Namengebung ist aber deßhalb von großem Gewicht, weil
sich darin der Grundgedanke ausspricht, daß die verschiedenen
Gattungen einer solchen Gruppe gewissermaßen als abgeleitete
Formen aus der zur Benennung herausgegriffenen betrachtet
werden. Viele von Linne's Ordnungen bezeichnen in der That
natürliche Verwandtschaftskreise, wenn auch freilich sehr häufig
einzelne Gattungen eine unrichtige Stelle finden, jedenfalls aber
ist Linne's Fragment das bei weitem natürlichste System,
welches bis 1738 oder wenn man will bis 1751 aufgestellt
worden ist. Von der Aufzählung C. Bauhin's unterscheidet
sich diese dadurch, daß die Gruppen nicht unbegrenzt in einander-
laufen, sondern scharf abgegrenzt und durch Namen fixirt sind.

Deutlich tritt in dieser Aufzählung das Streben hervor,
zunächst die Monocotylen, dann die Dicotylen und schließlich die
Cryptogamen einander folgen zu lassen; daß die frühere schon von

Dogma von der Conſtanz der Arten.
Syſtem zu finden, gibt er den Rath, daß Nichts allgemeineren
Werth habe als die Stellungsverhältniſſe, beſonders des Samens
und in dieſem beſonders das punctum vegetans, wobei er
ausdrücklich auf Caeſalpin verweiſt. Er ſelbſt ſtelle hier keine
Klaſſen, ſondern nur Ordnungen auf; ſeien dieſe einmal feſtgeſtellt,
ſo werde es leicht ſein, die Klaſſen zu finden. Deutlicher als es
in dieſen Sätzen geſchehen iſt, konnte in jener Zeit das Weſen
des natürlichen Syſtems nicht dargelegt werden. Er ſtellte nun,
wie erwähnt, 1738 bereits 65 natürliche Ordnungen auf, die
er zunächſt einfach numerirte; aber ſchon in der erſten Auflage
der Philosophia botanica 1751, wo er die Zahl auf 67 ver-
mehrte, gab er jeder einzelnen Gruppe einen beſonderen Namen
und auch bei dieſer Namengebung zeigte ſich wieder Linné's
claſſificatoriſcher Takt, indem er die Namen entweder von wirklich
charakteriſtiſchen Merkmalen ableitete, oder was noch beſſer war,
einzelne Gattungen herausgriff und ihre Namen ſo umänderte,
daß ſie als Verallgemeinerungen für eine ganze Gruppe gelten
konnten. Viele dieſer Bezeichnungen ſind noch jetzt im Ge-
brauch, wenn auch der Umfang und der Inhalt der natür-
lichen Gruppen ſich weſentlich geändert hat. Dieſe Art der
Namengebung iſt aber deßhalb von großem Gewicht, weil
ſich darin der Grundgedanke ausſpricht, daß die verſchiedenen
Gattungen einer ſolchen Gruppe gewiſſermaßen als abgeleitete
Formen aus der zur Benennung herausgegriffenen betrachtet
werden. Viele von Linné's Ordnungen bezeichnen in der That
natürliche Verwandtſchaftskreiſe, wenn auch freilich ſehr häufig
einzelne Gattungen eine unrichtige Stelle finden, jedenfalls aber
iſt Linné's Fragment das bei weitem natürlichſte Syſtem,
welches bis 1738 oder wenn man will bis 1751 aufgeſtellt
worden iſt. Von der Aufzählung C. Bauhin's unterſcheidet
ſich dieſe dadurch, daß die Gruppen nicht unbegrenzt in einander-
laufen, ſondern ſcharf abgegrenzt und durch Namen fixirt ſind.

Deutlich tritt in dieſer Aufzählung das Streben hervor,
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[123/0135] Dogma von der Conſtanz der Arten. Syſtem zu finden, gibt er den Rath, daß Nichts allgemeineren Werth habe als die Stellungsverhältniſſe, beſonders des Samens und in dieſem beſonders das punctum vegetans, wobei er ausdrücklich auf Caeſalpin verweiſt. Er ſelbſt ſtelle hier keine Klaſſen, ſondern nur Ordnungen auf; ſeien dieſe einmal feſtgeſtellt, ſo werde es leicht ſein, die Klaſſen zu finden. Deutlicher als es in dieſen Sätzen geſchehen iſt, konnte in jener Zeit das Weſen des natürlichen Syſtems nicht dargelegt werden. Er ſtellte nun, wie erwähnt, 1738 bereits 65 natürliche Ordnungen auf, die er zunächſt einfach numerirte; aber ſchon in der erſten Auflage der Philosophia botanica 1751, wo er die Zahl auf 67 ver- mehrte, gab er jeder einzelnen Gruppe einen beſonderen Namen und auch bei dieſer Namengebung zeigte ſich wieder Linné's claſſificatoriſcher Takt, indem er die Namen entweder von wirklich charakteriſtiſchen Merkmalen ableitete, oder was noch beſſer war, einzelne Gattungen herausgriff und ihre Namen ſo umänderte, daß ſie als Verallgemeinerungen für eine ganze Gruppe gelten konnten. Viele dieſer Bezeichnungen ſind noch jetzt im Ge- brauch, wenn auch der Umfang und der Inhalt der natür- lichen Gruppen ſich weſentlich geändert hat. Dieſe Art der Namengebung iſt aber deßhalb von großem Gewicht, weil ſich darin der Grundgedanke ausſpricht, daß die verſchiedenen Gattungen einer ſolchen Gruppe gewiſſermaßen als abgeleitete Formen aus der zur Benennung herausgegriffenen betrachtet werden. Viele von Linné's Ordnungen bezeichnen in der That natürliche Verwandtſchaftskreiſe, wenn auch freilich ſehr häufig einzelne Gattungen eine unrichtige Stelle finden, jedenfalls aber iſt Linné's Fragment das bei weitem natürlichſte Syſtem, welches bis 1738 oder wenn man will bis 1751 aufgeſtellt worden iſt. Von der Aufzählung C. Bauhin's unterſcheidet ſich dieſe dadurch, daß die Gruppen nicht unbegrenzt in einander- laufen, ſondern ſcharf abgegrenzt und durch Namen fixirt ſind. Deutlich tritt in dieſer Aufzählung das Streben hervor, zunächſt die Monocotylen, dann die Dicotylen und ſchließlich die Cryptogamen einander folgen zu laſſen; daß die frühere ſchon von

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Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/135>, abgerufen am 29.03.2024.