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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

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Scheingründe für den Selbstmord.
mörder als Philosophen preisen? Ein Jour-
nalist, von dem der Setzer noch etwas Ma-
nuscript mit Ungestüm fodert, um das
letzte Blatt füllen zu können... Ein ver-
liebter Narr, dem seine Göttin mit ihrer
entschlossenen Sprödigkeit die Welt zu enge
gemacht... Ein Verleger, der vom eben
verübten Selbstmorde, wie der Raabe vom
Aase seinen Profit sucht, und größere Ver-
schleiß hofft, wenn er von seinem Klienten,
oder Gönner den Selbstmord Philosophie
nennen läßt, als wenn man ihn nach altem
Herkommen Unphilosophie hiesse... Ein
witziger Gesellschafter, der die Unwichtigkeit
seiner Person durch das Paradoxe seiner Sä-
tze gerne verkleistern möchte... Hundert
Nachbeter, die allemal mit der Parthey,
davon sie Unterstützung hoffen, den Mund
auf- und zuthun, und sich wie die Drat-
puppen, nur nach dem Zuge ihres Princi-
pals bewegen... Hundert Betrogene, die
nicht wissen zwischen der Rechten und Linken
zu unterscheiden... Ein Candidat, der
eben seinen akademischen Cursus vollendet
hat, und nun durch freye Mienen und küh-

ne
J 3

Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord.
moͤrder als Philoſophen preiſen? Ein Jour-
naliſt, von dem der Setzer noch etwas Ma-
nuſcript mit Ungeſtuͤm fodert, um das
letzte Blatt fuͤllen zu koͤnnen… Ein ver-
liebter Narr, dem ſeine Goͤttin mit ihrer
entſchloſſenen Sproͤdigkeit die Welt zu enge
gemacht… Ein Verleger, der vom eben
veruͤbten Selbſtmorde, wie der Raabe vom
Aaſe ſeinen Profit ſucht, und groͤßere Ver-
ſchleiß hofft, wenn er von ſeinem Klienten,
oder Goͤnner den Selbſtmord Philoſophie
nennen laͤßt, als wenn man ihn nach altem
Herkommen Unphiloſophie hieſſe… Ein
witziger Geſellſchafter, der die Unwichtigkeit
ſeiner Perſon durch das Paradoxe ſeiner Saͤ-
tze gerne verkleiſtern moͤchte… Hundert
Nachbeter, die allemal mit der Parthey,
davon ſie Unterſtuͤtzung hoffen, den Mund
auf- und zuthun, und ſich wie die Drat-
puppen, nur nach dem Zuge ihres Princi-
pals bewegen… Hundert Betrogene, die
nicht wiſſen zwiſchen der Rechten und Linken
zu unterſcheiden… Ein Candidat, der
eben ſeinen akademiſchen Curſus vollendet
hat, und nun durch freye Mienen und kuͤh-

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[133/0145] Scheingruͤnde fuͤr den Selbſtmord. moͤrder als Philoſophen preiſen? Ein Jour- naliſt, von dem der Setzer noch etwas Ma- nuſcript mit Ungeſtuͤm fodert, um das letzte Blatt fuͤllen zu koͤnnen… Ein ver- liebter Narr, dem ſeine Goͤttin mit ihrer entſchloſſenen Sproͤdigkeit die Welt zu enge gemacht… Ein Verleger, der vom eben veruͤbten Selbſtmorde, wie der Raabe vom Aaſe ſeinen Profit ſucht, und groͤßere Ver- ſchleiß hofft, wenn er von ſeinem Klienten, oder Goͤnner den Selbſtmord Philoſophie nennen laͤßt, als wenn man ihn nach altem Herkommen Unphiloſophie hieſſe… Ein witziger Geſellſchafter, der die Unwichtigkeit ſeiner Perſon durch das Paradoxe ſeiner Saͤ- tze gerne verkleiſtern moͤchte… Hundert Nachbeter, die allemal mit der Parthey, davon ſie Unterſtuͤtzung hoffen, den Mund auf- und zuthun, und ſich wie die Drat- puppen, nur nach dem Zuge ihres Princi- pals bewegen… Hundert Betrogene, die nicht wiſſen zwiſchen der Rechten und Linken zu unterſcheiden… Ein Candidat, der eben ſeinen akademiſchen Curſus vollendet hat, und nun durch freye Mienen und kuͤh- ne J 3

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/145>, abgerufen am 28.03.2024.