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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
[Abbildung] Fig. 161.

Die Buchstaben A, B, C, D in phonographischer Schrift.

welche die Stimmen der Menschen
von einander unterscheiden lassen.

Zu gleicher Zeit mit Edi-
son hatten noch andere an der
Vervollkommnung seines Appa-
rates gearbeitet. In einer etwas
anderen Richtung als jener ist
dabei E. Berliner vorgegangen,
und der von ihm erfundene sinn-
reiche Apparat, das Grammo-
phon (Fig. 162), verdient hier
schon deshalb eine Besprechung,
weil er, ohne in der getreuen
Wiedergabe der Sprache an den verbesserten Edisonschen Phonographen
heranzureichen, durch seine Einfachheit sich eine wohlverdiente Ver-
breitung verschafft hat. Der Aufnahme-Apparat ist hier vom Wieder-
gabe-Grammophon etwas verschieden. Bei dem ersteren wird eine sehr
ebene Zinkplatte B mit einem dünnen Überzuge von Wachsfett bedeckt,
welcher durch Ausziehen des Bienenwachses in Petroleumbenzin hergestellt
wird. Diese Platte soll die Schrift aufnehmen und sie wird dazu um

[Abbildung] Fig. 162.

Grammophon von Berliner.

eine senkrechte Achse gedreht. Das Hörrohr und
der Schreibstift sind hier etwas anders gegen ein-
ander gestellt, so daß der Stift seitliche Be-
wegungen während des Schreibens ausführt, er
kratzt dabei die dünne Wachsschicht von der Zink-
platte fort. Nun sollte man glauben, daß bei
dem fortwährenden Drehen der Stift immer auf
derselben Kreislinie bleiben müßte, aber es ist
dafür gesorgt, daß er etwas nach dem Innern
der Scheibe fortschreitet und so eine Spirale be-
schreibt, von der er freilich kleine Spaziergänge
nach rechts und links macht, die durch die
Schwingungen der Membran F hervorgebracht
werden. Diese ist hier ein Gummiblättchen, der
Stift aber besteht aus der härtesten Metallmischung,
die wir kennen, nämlich einer solchen von Osmium
und Iridium. Ist bei der Aufnahme durch den Stift die Wachs-
schicht fortgeschafft, so kann nunmehr die Platte durch Chromsäure
geätzt werden. Dabei bilden sich an den vom Überzuge befreiten
Stellen Vertiefungen in der Platte, die man bis zu einem gewissen
Maße treiben kann. Wenn man dann von der Platte einen galvano-
plastischen Abzug herstellt und diesen in Hartgummi oder in Wachs,
das besonders präpariert wird, abdruckt, so erhält man so viele Ver-
vielfältigungen der Aufnahmeplatte, als man irgend will, und das ist
ein Vorzug des Grammophons vor dem Phonographen, da dessen

Die elektriſchen Erfindungen.
[Abbildung] Fig. 161.

Die Buchſtaben A, B, C, D in phonographiſcher Schrift.

welche die Stimmen der Menſchen
von einander unterſcheiden laſſen.

Zu gleicher Zeit mit Edi-
ſon hatten noch andere an der
Vervollkommnung ſeines Appa-
rates gearbeitet. In einer etwas
anderen Richtung als jener iſt
dabei E. Berliner vorgegangen,
und der von ihm erfundene ſinn-
reiche Apparat, das Grammo-
phon (Fig. 162), verdient hier
ſchon deshalb eine Beſprechung,
weil er, ohne in der getreuen
Wiedergabe der Sprache an den verbeſſerten Ediſonſchen Phonographen
heranzureichen, durch ſeine Einfachheit ſich eine wohlverdiente Ver-
breitung verſchafft hat. Der Aufnahme-Apparat iſt hier vom Wieder-
gabe-Grammophon etwas verſchieden. Bei dem erſteren wird eine ſehr
ebene Zinkplatte B mit einem dünnen Überzuge von Wachsfett bedeckt,
welcher durch Ausziehen des Bienenwachſes in Petroleumbenzin hergeſtellt
wird. Dieſe Platte ſoll die Schrift aufnehmen und ſie wird dazu um

[Abbildung] Fig. 162.

Grammophon von Berliner.

eine ſenkrechte Achſe gedreht. Das Hörrohr und
der Schreibſtift ſind hier etwas anders gegen ein-
ander geſtellt, ſo daß der Stift ſeitliche Be-
wegungen während des Schreibens ausführt, er
kratzt dabei die dünne Wachsſchicht von der Zink-
platte fort. Nun ſollte man glauben, daß bei
dem fortwährenden Drehen der Stift immer auf
derſelben Kreislinie bleiben müßte, aber es iſt
dafür geſorgt, daß er etwas nach dem Innern
der Scheibe fortſchreitet und ſo eine Spirale be-
ſchreibt, von der er freilich kleine Spaziergänge
nach rechts und links macht, die durch die
Schwingungen der Membran F hervorgebracht
werden. Dieſe iſt hier ein Gummiblättchen, der
Stift aber beſteht aus der härteſten Metallmiſchung,
die wir kennen, nämlich einer ſolchen von Osmium
und Iridium. Iſt bei der Aufnahme durch den Stift die Wachs-
ſchicht fortgeſchafft, ſo kann nunmehr die Platte durch Chromſäure
geätzt werden. Dabei bilden ſich an den vom Überzuge befreiten
Stellen Vertiefungen in der Platte, die man bis zu einem gewiſſen
Maße treiben kann. Wenn man dann von der Platte einen galvano-
plaſtiſchen Abzug herſtellt und dieſen in Hartgummi oder in Wachs,
das beſonders präpariert wird, abdruckt, ſo erhält man ſo viele Ver-
vielfältigungen der Aufnahmeplatte, als man irgend will, und das iſt
ein Vorzug des Grammophons vor dem Phonographen, da deſſen

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[232/0250] Die elektriſchen Erfindungen. [Abbildung Fig. 161. Die Buchſtaben A, B, C, D in phonographiſcher Schrift.] welche die Stimmen der Menſchen von einander unterſcheiden laſſen. Zu gleicher Zeit mit Edi- ſon hatten noch andere an der Vervollkommnung ſeines Appa- rates gearbeitet. In einer etwas anderen Richtung als jener iſt dabei E. Berliner vorgegangen, und der von ihm erfundene ſinn- reiche Apparat, das Grammo- phon (Fig. 162), verdient hier ſchon deshalb eine Beſprechung, weil er, ohne in der getreuen Wiedergabe der Sprache an den verbeſſerten Ediſonſchen Phonographen heranzureichen, durch ſeine Einfachheit ſich eine wohlverdiente Ver- breitung verſchafft hat. Der Aufnahme-Apparat iſt hier vom Wieder- gabe-Grammophon etwas verſchieden. Bei dem erſteren wird eine ſehr ebene Zinkplatte B mit einem dünnen Überzuge von Wachsfett bedeckt, welcher durch Ausziehen des Bienenwachſes in Petroleumbenzin hergeſtellt wird. Dieſe Platte ſoll die Schrift aufnehmen und ſie wird dazu um [Abbildung Fig. 162. Grammophon von Berliner.] eine ſenkrechte Achſe gedreht. Das Hörrohr und der Schreibſtift ſind hier etwas anders gegen ein- ander geſtellt, ſo daß der Stift ſeitliche Be- wegungen während des Schreibens ausführt, er kratzt dabei die dünne Wachsſchicht von der Zink- platte fort. Nun ſollte man glauben, daß bei dem fortwährenden Drehen der Stift immer auf derſelben Kreislinie bleiben müßte, aber es iſt dafür geſorgt, daß er etwas nach dem Innern der Scheibe fortſchreitet und ſo eine Spirale be- ſchreibt, von der er freilich kleine Spaziergänge nach rechts und links macht, die durch die Schwingungen der Membran F hervorgebracht werden. Dieſe iſt hier ein Gummiblättchen, der Stift aber beſteht aus der härteſten Metallmiſchung, die wir kennen, nämlich einer ſolchen von Osmium und Iridium. Iſt bei der Aufnahme durch den Stift die Wachs- ſchicht fortgeſchafft, ſo kann nunmehr die Platte durch Chromſäure geätzt werden. Dabei bilden ſich an den vom Überzuge befreiten Stellen Vertiefungen in der Platte, die man bis zu einem gewiſſen Maße treiben kann. Wenn man dann von der Platte einen galvano- plaſtiſchen Abzug herſtellt und dieſen in Hartgummi oder in Wachs, das beſonders präpariert wird, abdruckt, ſo erhält man ſo viele Ver- vielfältigungen der Aufnahmeplatte, als man irgend will, und das iſt ein Vorzug des Grammophons vor dem Phonographen, da deſſen

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/250>, abgerufen am 24.04.2024.