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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
Aber jeder weiß, daß er schon in geringer Entfernung nur noch un-
deutlich vernehmbar ist, und auf immer weitere Strecken eine direkte
Verständigung ausgeschlossen ist. Jedermann kennt aber schon das
Spielzeug der Kinder, durch welches sie ein besseres Verstehen weit
entfernter Schallquellen möglich machen, den gespannten Hanffaden.
Man braucht nur zwei Cigarrenkisten durch eine hundert Meter lange
Schnur zu verbinden und vermag am anderen Ende deutlich das Ticken
einer Uhr zu vernehmen, deren Schall in der Luft kaum auf ein Meter
Entfernung hörbar ist. Die Hanfschnur ist, das schließen wir hieraus,
ein besserer Leiter für den Schall als die Luft. Es ließe sich vielleicht
noch der eine oder andere bessere Leiter finden, aber auf weitere Ent-
fernungen ließ diese Methode, Nachrichten zu übermitteln, stets im Stiche.

Die Elektrizität, das ahnte man, mußte hierfür vorzüglich geeignet
sein, und sie war auch längst zur Übermittelung von Tönen verwendet
worden. Man kann, um dies zu zeigen, sich einfach zweier Stimm-
gabeln bedienen. Auch diese schwingen hin und her, wenn man sie
mit dem Violinbogen streicht, und das ist die Ursache, weshalb sie
tönen. Man braucht nur den Finger an eine tönende Gabel zu legen
und man wird diese Schwingungen sofort fühlen. Man wird eine
solche Gabel deshalb auch so stellen können, daß sie bei ihrem Erzittern
einen elektrischen Strom fortwährend öffnet und schließt und ein weit
entfernter Eisenstab, den der Strom umfließt, wird also abwechselnd
zum Magneten werden und schnell wieder seinen Magnetismus verlieren,
und eine Stimmgabel in seiner Nähe wird in demselben Rythmus
hin- und herschwingen, da sie von dem Magneten in denselben Pausen
angezogen wird, und wird also denselben Ton wie jenes erste Instrument
hervorbringen -- allerdings nur dann, wenn sie genau auf denselben
Ton, wie die vorige Gabel abgestimmt ist. Eine Gabel hat nämlich
die Eigentümlichkeit, daß sie nur immer einen bestimmten Ton giebt oder
höchstens zweier ganz bestimmter Töne fähig ist. Das ist ein großer
Mangel, den sie den Platten gegenüber besitzt, welche wir im Phono-
graphen bei ihren schwingenden Bewegungen sahen. Ein Ton ist außer-
dem kein Laut und es ist etwas anderes, die Töne eines Musikinstrumentes
oder den Klang der menschlichen Stimme auf Meilenweite zu übertragen.
Der Ton jedes Musikinstrumentes erscheint unserem Ohre härter wie der
Stimmlaut, der durch viele Nebentöne und Geräusche erst zu dem wird,
was er ist. Noch hat kein Instrument, vom Phonographen abgesehen,
diese Fülle von Einzelheiten, welche die Stimme ausmachen, wirksam
zusammenzufassen, den Stimmlaut nachzuahmen vermocht, und der
Phonograph vermochte dies durch die schwingende Platte, deren Be-
wegung sich dem schreibenden Stifte mitteilte. Vor Edison hatte kaum
jemand geglaubt, daß selbst solche Glas- oder Glimmerblättchen einer
solchen Mannigfaltigkeit der Schwingungen fähig wären, am aller-
wenigsten kam man auf den Gedanken, daß Metallblättchen es ver-
möchten.

Die elektriſchen Erfindungen.
Aber jeder weiß, daß er ſchon in geringer Entfernung nur noch un-
deutlich vernehmbar iſt, und auf immer weitere Strecken eine direkte
Verſtändigung ausgeſchloſſen iſt. Jedermann kennt aber ſchon das
Spielzeug der Kinder, durch welches ſie ein beſſeres Verſtehen weit
entfernter Schallquellen möglich machen, den geſpannten Hanffaden.
Man braucht nur zwei Cigarrenkiſten durch eine hundert Meter lange
Schnur zu verbinden und vermag am anderen Ende deutlich das Ticken
einer Uhr zu vernehmen, deren Schall in der Luft kaum auf ein Meter
Entfernung hörbar iſt. Die Hanfſchnur iſt, das ſchließen wir hieraus,
ein beſſerer Leiter für den Schall als die Luft. Es ließe ſich vielleicht
noch der eine oder andere beſſere Leiter finden, aber auf weitere Ent-
fernungen ließ dieſe Methode, Nachrichten zu übermitteln, ſtets im Stiche.

Die Elektrizität, das ahnte man, mußte hierfür vorzüglich geeignet
ſein, und ſie war auch längſt zur Übermittelung von Tönen verwendet
worden. Man kann, um dies zu zeigen, ſich einfach zweier Stimm-
gabeln bedienen. Auch dieſe ſchwingen hin und her, wenn man ſie
mit dem Violinbogen ſtreicht, und das iſt die Urſache, weshalb ſie
tönen. Man braucht nur den Finger an eine tönende Gabel zu legen
und man wird dieſe Schwingungen ſofort fühlen. Man wird eine
ſolche Gabel deshalb auch ſo ſtellen können, daß ſie bei ihrem Erzittern
einen elektriſchen Strom fortwährend öffnet und ſchließt und ein weit
entfernter Eiſenſtab, den der Strom umfließt, wird alſo abwechſelnd
zum Magneten werden und ſchnell wieder ſeinen Magnetismus verlieren,
und eine Stimmgabel in ſeiner Nähe wird in demſelben Rythmus
hin- und herſchwingen, da ſie von dem Magneten in denſelben Pauſen
angezogen wird, und wird alſo denſelben Ton wie jenes erſte Inſtrument
hervorbringen — allerdings nur dann, wenn ſie genau auf denſelben
Ton, wie die vorige Gabel abgeſtimmt iſt. Eine Gabel hat nämlich
die Eigentümlichkeit, daß ſie nur immer einen beſtimmten Ton giebt oder
höchſtens zweier ganz beſtimmter Töne fähig iſt. Das iſt ein großer
Mangel, den ſie den Platten gegenüber beſitzt, welche wir im Phono-
graphen bei ihren ſchwingenden Bewegungen ſahen. Ein Ton iſt außer-
dem kein Laut und es iſt etwas anderes, die Töne eines Muſikinſtrumentes
oder den Klang der menſchlichen Stimme auf Meilenweite zu übertragen.
Der Ton jedes Muſikinſtrumentes erſcheint unſerem Ohre härter wie der
Stimmlaut, der durch viele Nebentöne und Geräuſche erſt zu dem wird,
was er iſt. Noch hat kein Inſtrument, vom Phonographen abgeſehen,
dieſe Fülle von Einzelheiten, welche die Stimme ausmachen, wirkſam
zuſammenzufaſſen, den Stimmlaut nachzuahmen vermocht, und der
Phonograph vermochte dies durch die ſchwingende Platte, deren Be-
wegung ſich dem ſchreibenden Stifte mitteilte. Vor Ediſon hatte kaum
jemand geglaubt, daß ſelbſt ſolche Glas- oder Glimmerblättchen einer
ſolchen Mannigfaltigkeit der Schwingungen fähig wären, am aller-
wenigſten kam man auf den Gedanken, daß Metallblättchen es ver-
möchten.

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[234/0252] Die elektriſchen Erfindungen. Aber jeder weiß, daß er ſchon in geringer Entfernung nur noch un- deutlich vernehmbar iſt, und auf immer weitere Strecken eine direkte Verſtändigung ausgeſchloſſen iſt. Jedermann kennt aber ſchon das Spielzeug der Kinder, durch welches ſie ein beſſeres Verſtehen weit entfernter Schallquellen möglich machen, den geſpannten Hanffaden. Man braucht nur zwei Cigarrenkiſten durch eine hundert Meter lange Schnur zu verbinden und vermag am anderen Ende deutlich das Ticken einer Uhr zu vernehmen, deren Schall in der Luft kaum auf ein Meter Entfernung hörbar iſt. Die Hanfſchnur iſt, das ſchließen wir hieraus, ein beſſerer Leiter für den Schall als die Luft. Es ließe ſich vielleicht noch der eine oder andere beſſere Leiter finden, aber auf weitere Ent- fernungen ließ dieſe Methode, Nachrichten zu übermitteln, ſtets im Stiche. Die Elektrizität, das ahnte man, mußte hierfür vorzüglich geeignet ſein, und ſie war auch längſt zur Übermittelung von Tönen verwendet worden. Man kann, um dies zu zeigen, ſich einfach zweier Stimm- gabeln bedienen. Auch dieſe ſchwingen hin und her, wenn man ſie mit dem Violinbogen ſtreicht, und das iſt die Urſache, weshalb ſie tönen. Man braucht nur den Finger an eine tönende Gabel zu legen und man wird dieſe Schwingungen ſofort fühlen. Man wird eine ſolche Gabel deshalb auch ſo ſtellen können, daß ſie bei ihrem Erzittern einen elektriſchen Strom fortwährend öffnet und ſchließt und ein weit entfernter Eiſenſtab, den der Strom umfließt, wird alſo abwechſelnd zum Magneten werden und ſchnell wieder ſeinen Magnetismus verlieren, und eine Stimmgabel in ſeiner Nähe wird in demſelben Rythmus hin- und herſchwingen, da ſie von dem Magneten in denſelben Pauſen angezogen wird, und wird alſo denſelben Ton wie jenes erſte Inſtrument hervorbringen — allerdings nur dann, wenn ſie genau auf denſelben Ton, wie die vorige Gabel abgeſtimmt iſt. Eine Gabel hat nämlich die Eigentümlichkeit, daß ſie nur immer einen beſtimmten Ton giebt oder höchſtens zweier ganz beſtimmter Töne fähig iſt. Das iſt ein großer Mangel, den ſie den Platten gegenüber beſitzt, welche wir im Phono- graphen bei ihren ſchwingenden Bewegungen ſahen. Ein Ton iſt außer- dem kein Laut und es iſt etwas anderes, die Töne eines Muſikinſtrumentes oder den Klang der menſchlichen Stimme auf Meilenweite zu übertragen. Der Ton jedes Muſikinſtrumentes erſcheint unſerem Ohre härter wie der Stimmlaut, der durch viele Nebentöne und Geräuſche erſt zu dem wird, was er iſt. Noch hat kein Inſtrument, vom Phonographen abgeſehen, dieſe Fülle von Einzelheiten, welche die Stimme ausmachen, wirkſam zuſammenzufaſſen, den Stimmlaut nachzuahmen vermocht, und der Phonograph vermochte dies durch die ſchwingende Platte, deren Be- wegung ſich dem ſchreibenden Stifte mitteilte. Vor Ediſon hatte kaum jemand geglaubt, daß ſelbſt ſolche Glas- oder Glimmerblättchen einer ſolchen Mannigfaltigkeit der Schwingungen fähig wären, am aller- wenigſten kam man auf den Gedanken, daß Metallblättchen es ver- möchten.

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/252>, abgerufen am 19.04.2024.