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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die elektrischen Erfindungen.
Elektrizität günstigere Zeiten einzuleiten. Schon in demselben Jahre
ließ Ampere von Ritchie einen Telegraphen bauen, der aus nicht
weniger als 60 Drähten und 30 Nadeln bestand, so daß ein Zeichen,
wie es immer durch eine Nadel gegeben ward, zwei Drähte er-
forderte, einen für die Hin-, den andern für die Rückleitung. Natür-
lich war der folgende Fortschritt der, daß man die Rückleitung für
alle 30 Ströme einem einzigen Drahte anvertraute, während die
Nadelzahl sich schon durch den bloßen Gedanken auf die Hälfte bringen
ließ, da ja jede Nadel zwei Zeichen zu geben fähig war, je nach
der Richtung, in der man den Strom hindurchschickte. So gingen die
Kosten für die Leitung allmählich immer mehr herunter.

Aber erst 1837 gelang es den berühmten Physikern Gauß und Weber
einen Nadeltelegraphen herzustellen, der nur zwei Drähte erforderte, und
bei dem alle Zeichen von einer einzigen Nadel gegeben wurden, indem
man deren Rechts- und Linksabweichungen in passender Weise verband.
Diese Leitung führte von der Sternwarte nach dem physikalischen Kabinet
in Göttingen, die 900 Meter von einander entfernt lagen. Eine
51/2 Kilometer lange Verbindung zwischen der bairischen Hauptstadt und
der Sternwarte in Bogenhausen war 1837 Karl August Steinheils
Werk. Dabei benutzte er die Induktionsströme eines magnetelektrischen
Apparates. Einige Jahre später machte er die für das ganze Tele-
graphenwesen so überaus wichtige Entdeckung, daß man nur den einen
Draht noch brauche und die Rückleitung durch die Erde erfolgen lassen
könne, die sich dazu sehr geeignet erweist. Wenn dabei auch Elektrizität
verloren geht, so wird doch soviel Leitungsmaterial gespart, daß die
Kosten der elektrischen Benachrichtigung sehr herabgesetzt werden. Zu-
gleich hatte Steinheil noch eine Einrichtung getroffen, daß selbst dann,
wenn man auf die Bewegungen der Nadel nicht genau Obacht gab,
die Nachricht nicht verloren ging. Bei ihren Bewegungen verzeichnete
die Nadel nämlich immer Punkte auf einem durch ein Uhrwerk vorbei-
geführten Papierstreifen. So war hier bereits ein Schreibapparat kon-
struiert, freilich nicht der vollkommene, den wir bald kennen lernen
werden.

Die Nadeltelegraphen sind heute keineswegs ganz beiseite gelegt
worden, man bedient sich ihrer vielmehr immer noch mit großem
Vorteil dort, wo man über geringe elektrische Kräfte verfügt. So
entstehen bei der Leitung durch unterseeische Kabel kolossale Verluste
und daher wird man nur mit feinfühligen Apparaten noch Erfolge
erzielen, selbst bei Anwendung ursprünglich großer elektrischer Kräfte.
Man muß dazu die Wirkung des Stroms auf die Nadel möglichst
vervielfältigen. Das geschieht durch den Multiplikator, welchen
Schweigger in Halle noch 1820 gleich nach Örsteds Entdeckung
erfand. Der Leitungsdraht ist hier in sehr vielen Windungen um
eine sehr feine Magnetnadel herumgeführt. Das giebt schon starke
Wirkungen, aber man kann das Instrument immer feinfühliger machen.

Die elektriſchen Erfindungen.
Elektrizität günſtigere Zeiten einzuleiten. Schon in demſelben Jahre
ließ Ampère von Ritchie einen Telegraphen bauen, der aus nicht
weniger als 60 Drähten und 30 Nadeln beſtand, ſo daß ein Zeichen,
wie es immer durch eine Nadel gegeben ward, zwei Drähte er-
forderte, einen für die Hin-, den andern für die Rückleitung. Natür-
lich war der folgende Fortſchritt der, daß man die Rückleitung für
alle 30 Ströme einem einzigen Drahte anvertraute, während die
Nadelzahl ſich ſchon durch den bloßen Gedanken auf die Hälfte bringen
ließ, da ja jede Nadel zwei Zeichen zu geben fähig war, je nach
der Richtung, in der man den Strom hindurchſchickte. So gingen die
Koſten für die Leitung allmählich immer mehr herunter.

Aber erſt 1837 gelang es den berühmten Phyſikern Gauß und Weber
einen Nadeltelegraphen herzuſtellen, der nur zwei Drähte erforderte, und
bei dem alle Zeichen von einer einzigen Nadel gegeben wurden, indem
man deren Rechts- und Linksabweichungen in paſſender Weiſe verband.
Dieſe Leitung führte von der Sternwarte nach dem phyſikaliſchen Kabinet
in Göttingen, die 900 Meter von einander entfernt lagen. Eine
5½ Kilometer lange Verbindung zwiſchen der bairiſchen Hauptſtadt und
der Sternwarte in Bogenhauſen war 1837 Karl Auguſt Steinheils
Werk. Dabei benutzte er die Induktionsſtröme eines magnetelektriſchen
Apparates. Einige Jahre ſpäter machte er die für das ganze Tele-
graphenweſen ſo überaus wichtige Entdeckung, daß man nur den einen
Draht noch brauche und die Rückleitung durch die Erde erfolgen laſſen
könne, die ſich dazu ſehr geeignet erweiſt. Wenn dabei auch Elektrizität
verloren geht, ſo wird doch ſoviel Leitungsmaterial geſpart, daß die
Koſten der elektriſchen Benachrichtigung ſehr herabgeſetzt werden. Zu-
gleich hatte Steinheil noch eine Einrichtung getroffen, daß ſelbſt dann,
wenn man auf die Bewegungen der Nadel nicht genau Obacht gab,
die Nachricht nicht verloren ging. Bei ihren Bewegungen verzeichnete
die Nadel nämlich immer Punkte auf einem durch ein Uhrwerk vorbei-
geführten Papierſtreifen. So war hier bereits ein Schreibapparat kon-
ſtruiert, freilich nicht der vollkommene, den wir bald kennen lernen
werden.

Die Nadeltelegraphen ſind heute keineswegs ganz beiſeite gelegt
worden, man bedient ſich ihrer vielmehr immer noch mit großem
Vorteil dort, wo man über geringe elektriſche Kräfte verfügt. So
entſtehen bei der Leitung durch unterſeeiſche Kabel koloſſale Verluſte
und daher wird man nur mit feinfühligen Apparaten noch Erfolge
erzielen, ſelbſt bei Anwendung urſprünglich großer elektriſcher Kräfte.
Man muß dazu die Wirkung des Stroms auf die Nadel möglichſt
vervielfältigen. Das geſchieht durch den Multiplikator, welchen
Schweigger in Halle noch 1820 gleich nach Örſteds Entdeckung
erfand. Der Leitungsdraht iſt hier in ſehr vielen Windungen um
eine ſehr feine Magnetnadel herumgeführt. Das giebt ſchon ſtarke
Wirkungen, aber man kann das Inſtrument immer feinfühliger machen.

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[244/0262] Die elektriſchen Erfindungen. Elektrizität günſtigere Zeiten einzuleiten. Schon in demſelben Jahre ließ Ampère von Ritchie einen Telegraphen bauen, der aus nicht weniger als 60 Drähten und 30 Nadeln beſtand, ſo daß ein Zeichen, wie es immer durch eine Nadel gegeben ward, zwei Drähte er- forderte, einen für die Hin-, den andern für die Rückleitung. Natür- lich war der folgende Fortſchritt der, daß man die Rückleitung für alle 30 Ströme einem einzigen Drahte anvertraute, während die Nadelzahl ſich ſchon durch den bloßen Gedanken auf die Hälfte bringen ließ, da ja jede Nadel zwei Zeichen zu geben fähig war, je nach der Richtung, in der man den Strom hindurchſchickte. So gingen die Koſten für die Leitung allmählich immer mehr herunter. Aber erſt 1837 gelang es den berühmten Phyſikern Gauß und Weber einen Nadeltelegraphen herzuſtellen, der nur zwei Drähte erforderte, und bei dem alle Zeichen von einer einzigen Nadel gegeben wurden, indem man deren Rechts- und Linksabweichungen in paſſender Weiſe verband. Dieſe Leitung führte von der Sternwarte nach dem phyſikaliſchen Kabinet in Göttingen, die 900 Meter von einander entfernt lagen. Eine 5½ Kilometer lange Verbindung zwiſchen der bairiſchen Hauptſtadt und der Sternwarte in Bogenhauſen war 1837 Karl Auguſt Steinheils Werk. Dabei benutzte er die Induktionsſtröme eines magnetelektriſchen Apparates. Einige Jahre ſpäter machte er die für das ganze Tele- graphenweſen ſo überaus wichtige Entdeckung, daß man nur den einen Draht noch brauche und die Rückleitung durch die Erde erfolgen laſſen könne, die ſich dazu ſehr geeignet erweiſt. Wenn dabei auch Elektrizität verloren geht, ſo wird doch ſoviel Leitungsmaterial geſpart, daß die Koſten der elektriſchen Benachrichtigung ſehr herabgeſetzt werden. Zu- gleich hatte Steinheil noch eine Einrichtung getroffen, daß ſelbſt dann, wenn man auf die Bewegungen der Nadel nicht genau Obacht gab, die Nachricht nicht verloren ging. Bei ihren Bewegungen verzeichnete die Nadel nämlich immer Punkte auf einem durch ein Uhrwerk vorbei- geführten Papierſtreifen. So war hier bereits ein Schreibapparat kon- ſtruiert, freilich nicht der vollkommene, den wir bald kennen lernen werden. Die Nadeltelegraphen ſind heute keineswegs ganz beiſeite gelegt worden, man bedient ſich ihrer vielmehr immer noch mit großem Vorteil dort, wo man über geringe elektriſche Kräfte verfügt. So entſtehen bei der Leitung durch unterſeeiſche Kabel koloſſale Verluſte und daher wird man nur mit feinfühligen Apparaten noch Erfolge erzielen, ſelbſt bei Anwendung urſprünglich großer elektriſcher Kräfte. Man muß dazu die Wirkung des Stroms auf die Nadel möglichſt vervielfältigen. Das geſchieht durch den Multiplikator, welchen Schweigger in Halle noch 1820 gleich nach Örſteds Entdeckung erfand. Der Leitungsdraht iſt hier in ſehr vielen Windungen um eine ſehr feine Magnetnadel herumgeführt. Das giebt ſchon ſtarke Wirkungen, aber man kann das Inſtrument immer feinfühliger machen.

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/262>, abgerufen am 28.03.2024.