Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Beleuchtung und Heizung.
wurde. Die Alchimisten des Mittelalters, welche allerdings nur
nebenbei rein chemische Forschungen betrieben, da sie durch das
gierige Suchen nach der Goldtinktur, dem "Stein der Weisen",
gänzlich in Anspruch genommen wurden, gleichwie die edleren
Zielen nachstrebenden arabischen Gelehrten Spaniens, vermochten dem
bisher Bekannten nur wenig hinzuzufügen. Aber eins fanden sie doch,
daß nämlich auch Körper existierten, welche ohne Flamme verbrennen;
es sind dies die meisten Metalle. Ein überaus wichtiger Fortschritt
geschah erst im siebzehnten Jahrhundert durch den berühmten eng-
lischen Arzt, Philosophen und Naturforscher Robert Boyle, welchem es
gelang, nachzuweisen, daß die Metalle infolge ihrer Verbrennung, oder,
wie man es damals nannte, ihrer Verkalkung schwerer werden. Hieraus
schloß Boyle, daß die Metalle beim Verbrennen einen neuen Stoff --
vielleicht aus der Luft -- aufnehmen müssen. Leider geschah der bahn-
brechenden Entdeckung des großen Engländers dasselbe, was großen
Entdeckungen und Erfindungen so häufig begegnet; sie wurde achtlos
bei Seite geworfen und schon wenige Jahre nach Boyles Tode stellte
Stahl in Halle seine Phlogistontheorie auf, nach welcher alle brenn-
baren Körper einen gemeinsamen Stoff, das Phlogiston, enthalten sollten,
welches während der Verbrennung aus dem brennenden Körper ent-
weicht. Man übersieht leicht, daß diese Theorie der von Boyle entdeckten
Thatsache ins Gesicht schlägt, indem sie gerade ein Leichterwerden der
Körper beim Verbrennen fordert. Trotzdem machte die Stahlsche
Theorie Schule und hielt sich während des ganzen vergangenen Jahr-
hunderts; ja es schien sogar einzelnen hervorragenden Gelehrten unseres
Jahrhunderts, auch angesichts der gleich zu erwähnenden weiteren Ent-
deckungen, nach nicht angängig, sie aufzugeben.

Aber schon 1774 hatten Scheele und Priestley den Sauerstoff ent-
deckt und Lavoisier, der Vater der heutigen Chemie und Erfinder der
modernen chemischen Experimentalforschung, bewies kurze Zeit nachher
durch seine geniale Untersuchung der Verbrennung des Quecksilbers,
daß der brennende Körper während der Verbrennung sich mit einem
Teile der Luft unter Wärmeentwicklung vereinigt, daß also in der That
das Produkt der Verbrennung schwerer ist, als der Körper vor der
Verbrennung. Die Luft erwies sich nach dieser bahnbrechenden Unter-
suchung als ein mechanisches Gemenge aus zwei Gasen, dem zur Ver-
brennung nötigen und diese allein ermöglichenden Sauerstoff und dem
brennende Körper zum Erlöschen bringenden Stickstoff. Verbrennt man
eine leicht brennbare Substanz in reinem Sauerstoff, wie man ihn durch
vorsichtiges Schmelzen von chlorsaurem Kalium in größerer Menge er-
halten kann, so ist die mit dem Verbrennungsprozeß verbundene Wärme-
und Lichtentwicklung eine ganz gewaltige und höchst bedeutende; sie
übertrifft die bei der Verbrennung desselben Körpers in gewöhnlicher
Luft erfolgende um ebenso viel, wie das Gesamtvolum der Luft den
Sauerstoffgehalt übertrifft, nämlich um das fünffache. Wir erkennen

Beleuchtung und Heizung.
wurde. Die Alchimiſten des Mittelalters, welche allerdings nur
nebenbei rein chemiſche Forſchungen betrieben, da ſie durch das
gierige Suchen nach der Goldtinktur, dem „Stein der Weiſen“,
gänzlich in Anſpruch genommen wurden, gleichwie die edleren
Zielen nachſtrebenden arabiſchen Gelehrten Spaniens, vermochten dem
bisher Bekannten nur wenig hinzuzufügen. Aber eins fanden ſie doch,
daß nämlich auch Körper exiſtierten, welche ohne Flamme verbrennen;
es ſind dies die meiſten Metalle. Ein überaus wichtiger Fortſchritt
geſchah erſt im ſiebzehnten Jahrhundert durch den berühmten eng-
liſchen Arzt, Philoſophen und Naturforſcher Robert Boyle, welchem es
gelang, nachzuweiſen, daß die Metalle infolge ihrer Verbrennung, oder,
wie man es damals nannte, ihrer Verkalkung ſchwerer werden. Hieraus
ſchloß Boyle, daß die Metalle beim Verbrennen einen neuen Stoff —
vielleicht aus der Luft — aufnehmen müſſen. Leider geſchah der bahn-
brechenden Entdeckung des großen Engländers dasſelbe, was großen
Entdeckungen und Erfindungen ſo häufig begegnet; ſie wurde achtlos
bei Seite geworfen und ſchon wenige Jahre nach Boyles Tode ſtellte
Stahl in Halle ſeine Phlogiſtontheorie auf, nach welcher alle brenn-
baren Körper einen gemeinſamen Stoff, das Phlogiſton, enthalten ſollten,
welches während der Verbrennung aus dem brennenden Körper ent-
weicht. Man überſieht leicht, daß dieſe Theorie der von Boyle entdeckten
Thatſache ins Geſicht ſchlägt, indem ſie gerade ein Leichterwerden der
Körper beim Verbrennen fordert. Trotzdem machte die Stahlſche
Theorie Schule und hielt ſich während des ganzen vergangenen Jahr-
hunderts; ja es ſchien ſogar einzelnen hervorragenden Gelehrten unſeres
Jahrhunderts, auch angeſichts der gleich zu erwähnenden weiteren Ent-
deckungen, nach nicht angängig, ſie aufzugeben.

Aber ſchon 1774 hatten Scheele und Prieſtley den Sauerſtoff ent-
deckt und Lavoiſier, der Vater der heutigen Chemie und Erfinder der
modernen chemiſchen Experimentalforſchung, bewies kurze Zeit nachher
durch ſeine geniale Unterſuchung der Verbrennung des Queckſilbers,
daß der brennende Körper während der Verbrennung ſich mit einem
Teile der Luft unter Wärmeentwicklung vereinigt, daß alſo in der That
das Produkt der Verbrennung ſchwerer iſt, als der Körper vor der
Verbrennung. Die Luft erwies ſich nach dieſer bahnbrechenden Unter-
ſuchung als ein mechaniſches Gemenge aus zwei Gaſen, dem zur Ver-
brennung nötigen und dieſe allein ermöglichenden Sauerſtoff und dem
brennende Körper zum Erlöſchen bringenden Stickſtoff. Verbrennt man
eine leicht brennbare Subſtanz in reinem Sauerſtoff, wie man ihn durch
vorſichtiges Schmelzen von chlorſaurem Kalium in größerer Menge er-
halten kann, ſo iſt die mit dem Verbrennungsprozeß verbundene Wärme-
und Lichtentwicklung eine ganz gewaltige und höchſt bedeutende; ſie
übertrifft die bei der Verbrennung desſelben Körpers in gewöhnlicher
Luft erfolgende um ebenſo viel, wie das Geſamtvolum der Luft den
Sauerſtoffgehalt übertrifft, nämlich um das fünffache. Wir erkennen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0296" n="278"/><fw place="top" type="header">Beleuchtung und Heizung.</fw><lb/>
wurde. Die Alchimi&#x017F;ten des Mittelalters, welche allerdings nur<lb/>
nebenbei rein chemi&#x017F;che For&#x017F;chungen betrieben, da &#x017F;ie durch das<lb/>
gierige Suchen nach der Goldtinktur, dem &#x201E;Stein der Wei&#x017F;en&#x201C;,<lb/>
gänzlich in An&#x017F;pruch genommen wurden, gleichwie die edleren<lb/>
Zielen nach&#x017F;trebenden arabi&#x017F;chen Gelehrten Spaniens, vermochten dem<lb/>
bisher Bekannten nur wenig hinzuzufügen. Aber eins fanden &#x017F;ie doch,<lb/>
daß nämlich auch Körper exi&#x017F;tierten, welche ohne Flamme verbrennen;<lb/>
es &#x017F;ind dies die mei&#x017F;ten Metalle. Ein überaus wichtiger Fort&#x017F;chritt<lb/>
ge&#x017F;chah er&#x017F;t im &#x017F;iebzehnten Jahrhundert durch den berühmten eng-<lb/>
li&#x017F;chen Arzt, Philo&#x017F;ophen und Naturfor&#x017F;cher Robert Boyle, welchem es<lb/>
gelang, nachzuwei&#x017F;en, daß die Metalle infolge ihrer Verbrennung, oder,<lb/>
wie man es damals nannte, ihrer Verkalkung &#x017F;chwerer werden. Hieraus<lb/>
&#x017F;chloß Boyle, daß die Metalle beim Verbrennen einen neuen Stoff &#x2014;<lb/>
vielleicht aus der Luft &#x2014; aufnehmen mü&#x017F;&#x017F;en. Leider ge&#x017F;chah der bahn-<lb/>
brechenden Entdeckung des großen Engländers das&#x017F;elbe, was großen<lb/>
Entdeckungen und Erfindungen &#x017F;o häufig begegnet; &#x017F;ie wurde achtlos<lb/>
bei Seite geworfen und &#x017F;chon wenige Jahre nach Boyles Tode &#x017F;tellte<lb/>
Stahl in Halle &#x017F;eine Phlogi&#x017F;tontheorie auf, nach welcher alle brenn-<lb/>
baren Körper einen gemein&#x017F;amen Stoff, das Phlogi&#x017F;ton, enthalten &#x017F;ollten,<lb/>
welches während der Verbrennung aus dem brennenden Körper ent-<lb/>
weicht. Man über&#x017F;ieht leicht, daß die&#x017F;e Theorie der von Boyle entdeckten<lb/>
That&#x017F;ache ins Ge&#x017F;icht &#x017F;chlägt, indem &#x017F;ie gerade ein Leichterwerden der<lb/>
Körper beim Verbrennen fordert. Trotzdem machte die Stahl&#x017F;che<lb/>
Theorie Schule und hielt &#x017F;ich während des ganzen vergangenen Jahr-<lb/>
hunderts; ja es &#x017F;chien &#x017F;ogar einzelnen hervorragenden Gelehrten un&#x017F;eres<lb/>
Jahrhunderts, auch ange&#x017F;ichts der gleich zu erwähnenden weiteren Ent-<lb/>
deckungen, nach nicht angängig, &#x017F;ie aufzugeben.</p><lb/>
            <p>Aber &#x017F;chon 1774 hatten Scheele und Prie&#x017F;tley den Sauer&#x017F;toff ent-<lb/>
deckt und Lavoi&#x017F;ier, der Vater der heutigen Chemie und Erfinder der<lb/>
modernen chemi&#x017F;chen Experimentalfor&#x017F;chung, bewies kurze Zeit nachher<lb/>
durch &#x017F;eine geniale Unter&#x017F;uchung der Verbrennung des Queck&#x017F;ilbers,<lb/>
daß der brennende Körper während der Verbrennung &#x017F;ich mit einem<lb/>
Teile der Luft unter Wärmeentwicklung vereinigt, daß al&#x017F;o in der That<lb/>
das Produkt der Verbrennung &#x017F;chwerer i&#x017F;t, als der Körper vor der<lb/>
Verbrennung. Die Luft erwies &#x017F;ich nach die&#x017F;er bahnbrechenden Unter-<lb/>
&#x017F;uchung als ein mechani&#x017F;ches Gemenge aus zwei Ga&#x017F;en, dem zur Ver-<lb/>
brennung nötigen und die&#x017F;e allein ermöglichenden Sauer&#x017F;toff und dem<lb/>
brennende Körper zum Erlö&#x017F;chen bringenden Stick&#x017F;toff. Verbrennt man<lb/>
eine leicht brennbare Sub&#x017F;tanz in reinem Sauer&#x017F;toff, wie man ihn durch<lb/>
vor&#x017F;ichtiges Schmelzen von chlor&#x017F;aurem Kalium in größerer Menge er-<lb/>
halten kann, &#x017F;o i&#x017F;t die mit dem Verbrennungsprozeß verbundene Wärme-<lb/>
und Lichtentwicklung eine ganz gewaltige und höch&#x017F;t bedeutende; &#x017F;ie<lb/>
übertrifft die bei der Verbrennung des&#x017F;elben Körpers in gewöhnlicher<lb/>
Luft erfolgende um eben&#x017F;o viel, wie das Ge&#x017F;amtvolum der Luft den<lb/>
Sauer&#x017F;toffgehalt übertrifft, nämlich um das fünffache. Wir erkennen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[278/0296] Beleuchtung und Heizung. wurde. Die Alchimiſten des Mittelalters, welche allerdings nur nebenbei rein chemiſche Forſchungen betrieben, da ſie durch das gierige Suchen nach der Goldtinktur, dem „Stein der Weiſen“, gänzlich in Anſpruch genommen wurden, gleichwie die edleren Zielen nachſtrebenden arabiſchen Gelehrten Spaniens, vermochten dem bisher Bekannten nur wenig hinzuzufügen. Aber eins fanden ſie doch, daß nämlich auch Körper exiſtierten, welche ohne Flamme verbrennen; es ſind dies die meiſten Metalle. Ein überaus wichtiger Fortſchritt geſchah erſt im ſiebzehnten Jahrhundert durch den berühmten eng- liſchen Arzt, Philoſophen und Naturforſcher Robert Boyle, welchem es gelang, nachzuweiſen, daß die Metalle infolge ihrer Verbrennung, oder, wie man es damals nannte, ihrer Verkalkung ſchwerer werden. Hieraus ſchloß Boyle, daß die Metalle beim Verbrennen einen neuen Stoff — vielleicht aus der Luft — aufnehmen müſſen. Leider geſchah der bahn- brechenden Entdeckung des großen Engländers dasſelbe, was großen Entdeckungen und Erfindungen ſo häufig begegnet; ſie wurde achtlos bei Seite geworfen und ſchon wenige Jahre nach Boyles Tode ſtellte Stahl in Halle ſeine Phlogiſtontheorie auf, nach welcher alle brenn- baren Körper einen gemeinſamen Stoff, das Phlogiſton, enthalten ſollten, welches während der Verbrennung aus dem brennenden Körper ent- weicht. Man überſieht leicht, daß dieſe Theorie der von Boyle entdeckten Thatſache ins Geſicht ſchlägt, indem ſie gerade ein Leichterwerden der Körper beim Verbrennen fordert. Trotzdem machte die Stahlſche Theorie Schule und hielt ſich während des ganzen vergangenen Jahr- hunderts; ja es ſchien ſogar einzelnen hervorragenden Gelehrten unſeres Jahrhunderts, auch angeſichts der gleich zu erwähnenden weiteren Ent- deckungen, nach nicht angängig, ſie aufzugeben. Aber ſchon 1774 hatten Scheele und Prieſtley den Sauerſtoff ent- deckt und Lavoiſier, der Vater der heutigen Chemie und Erfinder der modernen chemiſchen Experimentalforſchung, bewies kurze Zeit nachher durch ſeine geniale Unterſuchung der Verbrennung des Queckſilbers, daß der brennende Körper während der Verbrennung ſich mit einem Teile der Luft unter Wärmeentwicklung vereinigt, daß alſo in der That das Produkt der Verbrennung ſchwerer iſt, als der Körper vor der Verbrennung. Die Luft erwies ſich nach dieſer bahnbrechenden Unter- ſuchung als ein mechaniſches Gemenge aus zwei Gaſen, dem zur Ver- brennung nötigen und dieſe allein ermöglichenden Sauerſtoff und dem brennende Körper zum Erlöſchen bringenden Stickſtoff. Verbrennt man eine leicht brennbare Subſtanz in reinem Sauerſtoff, wie man ihn durch vorſichtiges Schmelzen von chlorſaurem Kalium in größerer Menge er- halten kann, ſo iſt die mit dem Verbrennungsprozeß verbundene Wärme- und Lichtentwicklung eine ganz gewaltige und höchſt bedeutende; ſie übertrifft die bei der Verbrennung desſelben Körpers in gewöhnlicher Luft erfolgende um ebenſo viel, wie das Geſamtvolum der Luft den Sauerſtoffgehalt übertrifft, nämlich um das fünffache. Wir erkennen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/296
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/296>, abgerufen am 20.04.2024.