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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Taschenuhren.
[Abbildung] Fig. 32.

Einrichtung einer Taschenuhr.

In ihr bedeutet A die Triebfeder, deren eines Ende bei u' am
Gehäuse befestigt ist, während das andere Ende an dem Wellbaum B
fest ist. Zu der ganzen Abbildung ist zu bemerken, daß die einzelnen
Teile, um einen besseren Einblick in das Innere zu gestatten, zu weit
aus einander gerückt sind. Die Bewegung pflanzt sich, wie wir erkennen,
durch das Räderwerk bis zu dem Hemmungs- oder Steigrade M
fort. Damit die Spirale nicht sofort, nachdem sie gespannt wurde,
wieder plötzlich ablaufe, muß -- ganz wie bei den Pendeluhren -- an
dieser Stelle ein fortwährender Stillstand der Bewegung stattfinden.
Derselbe muß auch wieder in durchaus gleichmäßigen Pausen ge-
schehen, wenn anders die Uhrzeiger in gleichförmigem Schritte bleiben
sollen. Da der Gebrauch des Pendels hier ausgeschlossen ist, so mußte
man zum Regulieren des Uhrganges ein anderes Mittel anwenden,
und man ersann die Unruhe oder den Balancier N O, welcher genau
die Vorteile des Pendels in sich vereinigt. Er ist aus zwei Teilen
zusammengesetzt, nämlich einem Rade N, das sich um eine Achse sehr
leicht drehen läßt und einer sehr feinen Spiralfeder aus Stahl, einer
viel zarteren, als diejenige bei A, die man als Triebwerk benutzt.
Diese Stahlfeder ist nun an dem einen Ende wieder mit den festen
Teilen der Uhr in Verbindung, mit dem andern aber an der Achse
des Unruherades befestigt. Wenn man also dieses dreht und damit
die Feder spannt, so wird sie vermöge ihrer Elastizität die Unruhe in
die Gleichgewichtslage zurückführen, aber -- wie das Pendel, aus
seiner Ruhelage gebracht, nicht blos in diese zurückkehrt, sondern durch
die erlangte Bewegung noch über dieselbe hinausgeführt wird, -- so wird
auch der Balancier sich nach der andern Seite von der Gleichgewichts-
lage entfernen und so lange hin und herschwingen, bis der Widerstand
der Luft und die Reibung an den Lagern seiner Achse ihn zur Ruhe
bringen. Die Unruhe gleicht ferner dem Pendel auch darin, daß die

Die Taſchenuhren.
[Abbildung] Fig. 32.

Einrichtung einer Taſchenuhr.

In ihr bedeutet A die Triebfeder, deren eines Ende bei u' am
Gehäuſe befeſtigt iſt, während das andere Ende an dem Wellbaum B
feſt iſt. Zu der ganzen Abbildung iſt zu bemerken, daß die einzelnen
Teile, um einen beſſeren Einblick in das Innere zu geſtatten, zu weit
aus einander gerückt ſind. Die Bewegung pflanzt ſich, wie wir erkennen,
durch das Räderwerk bis zu dem Hemmungs- oder Steigrade M
fort. Damit die Spirale nicht ſofort, nachdem ſie geſpannt wurde,
wieder plötzlich ablaufe, muß — ganz wie bei den Pendeluhren — an
dieſer Stelle ein fortwährender Stillſtand der Bewegung ſtattfinden.
Derſelbe muß auch wieder in durchaus gleichmäßigen Pauſen ge-
ſchehen, wenn anders die Uhrzeiger in gleichförmigem Schritte bleiben
ſollen. Da der Gebrauch des Pendels hier ausgeſchloſſen iſt, ſo mußte
man zum Regulieren des Uhrganges ein anderes Mittel anwenden,
und man erſann die Unruhe oder den Balancier N O, welcher genau
die Vorteile des Pendels in ſich vereinigt. Er iſt aus zwei Teilen
zuſammengeſetzt, nämlich einem Rade N, das ſich um eine Achſe ſehr
leicht drehen läßt und einer ſehr feinen Spiralfeder aus Stahl, einer
viel zarteren, als diejenige bei A, die man als Triebwerk benutzt.
Dieſe Stahlfeder iſt nun an dem einen Ende wieder mit den feſten
Teilen der Uhr in Verbindung, mit dem andern aber an der Achſe
des Unruherades befeſtigt. Wenn man alſo dieſes dreht und damit
die Feder ſpannt, ſo wird ſie vermöge ihrer Elaſtizität die Unruhe in
die Gleichgewichtslage zurückführen, aber — wie das Pendel, aus
ſeiner Ruhelage gebracht, nicht blos in dieſe zurückkehrt, ſondern durch
die erlangte Bewegung noch über dieſelbe hinausgeführt wird, — ſo wird
auch der Balancier ſich nach der andern Seite von der Gleichgewichts-
lage entfernen und ſo lange hin und herſchwingen, bis der Widerſtand
der Luft und die Reibung an den Lagern ſeiner Achſe ihn zur Ruhe
bringen. Die Unruhe gleicht ferner dem Pendel auch darin, daß die

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[43/0061] Die Taſchenuhren. [Abbildung Fig. 32. Einrichtung einer Taſchenuhr.] In ihr bedeutet A die Triebfeder, deren eines Ende bei u' am Gehäuſe befeſtigt iſt, während das andere Ende an dem Wellbaum B feſt iſt. Zu der ganzen Abbildung iſt zu bemerken, daß die einzelnen Teile, um einen beſſeren Einblick in das Innere zu geſtatten, zu weit aus einander gerückt ſind. Die Bewegung pflanzt ſich, wie wir erkennen, durch das Räderwerk bis zu dem Hemmungs- oder Steigrade M fort. Damit die Spirale nicht ſofort, nachdem ſie geſpannt wurde, wieder plötzlich ablaufe, muß — ganz wie bei den Pendeluhren — an dieſer Stelle ein fortwährender Stillſtand der Bewegung ſtattfinden. Derſelbe muß auch wieder in durchaus gleichmäßigen Pauſen ge- ſchehen, wenn anders die Uhrzeiger in gleichförmigem Schritte bleiben ſollen. Da der Gebrauch des Pendels hier ausgeſchloſſen iſt, ſo mußte man zum Regulieren des Uhrganges ein anderes Mittel anwenden, und man erſann die Unruhe oder den Balancier N O, welcher genau die Vorteile des Pendels in ſich vereinigt. Er iſt aus zwei Teilen zuſammengeſetzt, nämlich einem Rade N, das ſich um eine Achſe ſehr leicht drehen läßt und einer ſehr feinen Spiralfeder aus Stahl, einer viel zarteren, als diejenige bei A, die man als Triebwerk benutzt. Dieſe Stahlfeder iſt nun an dem einen Ende wieder mit den feſten Teilen der Uhr in Verbindung, mit dem andern aber an der Achſe des Unruherades befeſtigt. Wenn man alſo dieſes dreht und damit die Feder ſpannt, ſo wird ſie vermöge ihrer Elaſtizität die Unruhe in die Gleichgewichtslage zurückführen, aber — wie das Pendel, aus ſeiner Ruhelage gebracht, nicht blos in dieſe zurückkehrt, ſondern durch die erlangte Bewegung noch über dieſelbe hinausgeführt wird, — ſo wird auch der Balancier ſich nach der andern Seite von der Gleichgewichts- lage entfernen und ſo lange hin und herſchwingen, bis der Widerſtand der Luft und die Reibung an den Lagern ſeiner Achſe ihn zur Ruhe bringen. Die Unruhe gleicht ferner dem Pendel auch darin, daß die

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/61>, abgerufen am 19.04.2024.