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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Metallverarbeitung.
kreuzen sich. Führt man jetzt in den Walzenwinkel ein Werkstück ein,
so gerät es in eine drehende Bewegung und bei der Streckung
setzt sich die drehende und vorwärtsschreitende Bewegung desselben zu
einer schraubenförmigen Faserdrehung zusammen, es würde also aus
einem runden Block ein runder Stab entstehen, dessen Fasern nicht
längs lagern, sondern gewunden sind. Eine Röhre entsteht hierbei
noch nicht. Nun sind die Mannesmannschen Walzen noch obendrein
konisch. Es ist ohne weiteres klar, daß ein Punkt auf dem Umfange
eines kleinen Kreises eine kleinere Geschwindigkeit hat, wie ein solcher
auf dem Umfange eines großen Kreises, wenn beide in derselben Zeit
denselben Winkel machen sollen, denn der letztere Punkt muß in der-
selben Zeit eine sehr viel größere Wegstrecke durcheilen. Verhalten sich
die Durchmesser wie 1 zu 10, so verhalten sich die Geschwindigkeiten
wie 1 zu 100. Führt man daher zwischen die konischen Walzen einen
Rundblock, so wird das Werkstück, wenn es von dem dünneren Walzen-
ende hereingebracht wird, vorn sehr viel schneller sich drehen müssen, wie
am hinteren Ende, es kann hinten gar nicht so viel Material zugeführt
werden, wie vorn verbraucht wird. Und die Folge davon? Der
äußere Teil des Materiales muß, ob er will oder nicht, entsprechend
seiner Drehung vorwärts, aber der innere Kern kann nicht folgen, er
bleibt zurück, während der Mantel sich vorschiebt. So entsteht eine
Röhre, deren hinteres Ende geschlossen ist. Weiter kann auf dieses
interessante Verfahren, über welches, obwohl es erst seit 5 Jahren be-
steht, schon eine kleine Bibliothek geschrieben und noch mehr geredet
ist, hier nicht eingegangen werden, es genüge zu wissen, daß es mit
demselben möglich ist, einen Block ganz in eine Röhre auszuwalzen,
aber auch die Röhre an einem, an beiden Enden, ja an jeder be-
liebigen Stelle vollzulassen, was z. B. für Träger, die in der Mitte
voll bleiben können, von höchster Bedeutung ist. Die Anwendung des-
selben ist also fast unbeschränkt.

Nicht unerwähnt mag es bleiben, daß Röhren auch gestanzt und,
was namentlich bei Bleiröhren der Fall ist, kalt oder warm in die
verlangte Form gepreßt werden.

b) Die letzte Formgebung der Metalle.

Aus tiefem Bergesschachte hat der Bergmann das Metall hervor-
geholt, mühsam mußte er es von der Erde Rippen losreißen, dann
stieg es ans Tageslicht, um in des Hochofens Gluten von Schlacken
befreit zu werden, und bald lag ein Metallblock vor uns, seiner weiteren
Bestimmung harrend. Nun wurde dieser durch Gießen und Hämmern,
durch Walzen und Pressen in eine Form gebracht, die ihn befähigte,
auf dem Weltmarkte zu erscheinen. Vielfach ist diese oft schon recht
vollendete Form bereits die endgültige, -- die Schrotkugel, die Schrift-

Die Metallverarbeitung.
kreuzen ſich. Führt man jetzt in den Walzenwinkel ein Werkſtück ein,
ſo gerät es in eine drehende Bewegung und bei der Streckung
ſetzt ſich die drehende und vorwärtsſchreitende Bewegung desſelben zu
einer ſchraubenförmigen Faſerdrehung zuſammen, es würde alſo aus
einem runden Block ein runder Stab entſtehen, deſſen Faſern nicht
längs lagern, ſondern gewunden ſind. Eine Röhre entſteht hierbei
noch nicht. Nun ſind die Mannesmannſchen Walzen noch obendrein
koniſch. Es iſt ohne weiteres klar, daß ein Punkt auf dem Umfange
eines kleinen Kreiſes eine kleinere Geſchwindigkeit hat, wie ein ſolcher
auf dem Umfange eines großen Kreiſes, wenn beide in derſelben Zeit
denſelben Winkel machen ſollen, denn der letztere Punkt muß in der-
ſelben Zeit eine ſehr viel größere Wegſtrecke durcheilen. Verhalten ſich
die Durchmeſſer wie 1 zu 10, ſo verhalten ſich die Geſchwindigkeiten
wie 1 zu 100. Führt man daher zwiſchen die koniſchen Walzen einen
Rundblock, ſo wird das Werkſtück, wenn es von dem dünneren Walzen-
ende hereingebracht wird, vorn ſehr viel ſchneller ſich drehen müſſen, wie
am hinteren Ende, es kann hinten gar nicht ſo viel Material zugeführt
werden, wie vorn verbraucht wird. Und die Folge davon? Der
äußere Teil des Materiales muß, ob er will oder nicht, entſprechend
ſeiner Drehung vorwärts, aber der innere Kern kann nicht folgen, er
bleibt zurück, während der Mantel ſich vorſchiebt. So entſteht eine
Röhre, deren hinteres Ende geſchloſſen iſt. Weiter kann auf dieſes
intereſſante Verfahren, über welches, obwohl es erſt ſeit 5 Jahren be-
ſteht, ſchon eine kleine Bibliothek geſchrieben und noch mehr geredet
iſt, hier nicht eingegangen werden, es genüge zu wiſſen, daß es mit
demſelben möglich iſt, einen Block ganz in eine Röhre auszuwalzen,
aber auch die Röhre an einem, an beiden Enden, ja an jeder be-
liebigen Stelle vollzulaſſen, was z. B. für Träger, die in der Mitte
voll bleiben können, von höchſter Bedeutung iſt. Die Anwendung des-
ſelben iſt alſo faſt unbeſchränkt.

Nicht unerwähnt mag es bleiben, daß Röhren auch geſtanzt und,
was namentlich bei Bleiröhren der Fall iſt, kalt oder warm in die
verlangte Form gepreßt werden.

b) Die letzte Formgebung der Metalle.

Aus tiefem Bergesſchachte hat der Bergmann das Metall hervor-
geholt, mühſam mußte er es von der Erde Rippen losreißen, dann
ſtieg es ans Tageslicht, um in des Hochofens Gluten von Schlacken
befreit zu werden, und bald lag ein Metallblock vor uns, ſeiner weiteren
Beſtimmung harrend. Nun wurde dieſer durch Gießen und Hämmern,
durch Walzen und Preſſen in eine Form gebracht, die ihn befähigte,
auf dem Weltmarkte zu erſcheinen. Vielfach iſt dieſe oft ſchon recht
vollendete Form bereits die endgültige, — die Schrotkugel, die Schrift-

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[670/0688] Die Metallverarbeitung. kreuzen ſich. Führt man jetzt in den Walzenwinkel ein Werkſtück ein, ſo gerät es in eine drehende Bewegung und bei der Streckung ſetzt ſich die drehende und vorwärtsſchreitende Bewegung desſelben zu einer ſchraubenförmigen Faſerdrehung zuſammen, es würde alſo aus einem runden Block ein runder Stab entſtehen, deſſen Faſern nicht längs lagern, ſondern gewunden ſind. Eine Röhre entſteht hierbei noch nicht. Nun ſind die Mannesmannſchen Walzen noch obendrein koniſch. Es iſt ohne weiteres klar, daß ein Punkt auf dem Umfange eines kleinen Kreiſes eine kleinere Geſchwindigkeit hat, wie ein ſolcher auf dem Umfange eines großen Kreiſes, wenn beide in derſelben Zeit denſelben Winkel machen ſollen, denn der letztere Punkt muß in der- ſelben Zeit eine ſehr viel größere Wegſtrecke durcheilen. Verhalten ſich die Durchmeſſer wie 1 zu 10, ſo verhalten ſich die Geſchwindigkeiten wie 1 zu 100. Führt man daher zwiſchen die koniſchen Walzen einen Rundblock, ſo wird das Werkſtück, wenn es von dem dünneren Walzen- ende hereingebracht wird, vorn ſehr viel ſchneller ſich drehen müſſen, wie am hinteren Ende, es kann hinten gar nicht ſo viel Material zugeführt werden, wie vorn verbraucht wird. Und die Folge davon? Der äußere Teil des Materiales muß, ob er will oder nicht, entſprechend ſeiner Drehung vorwärts, aber der innere Kern kann nicht folgen, er bleibt zurück, während der Mantel ſich vorſchiebt. So entſteht eine Röhre, deren hinteres Ende geſchloſſen iſt. Weiter kann auf dieſes intereſſante Verfahren, über welches, obwohl es erſt ſeit 5 Jahren be- ſteht, ſchon eine kleine Bibliothek geſchrieben und noch mehr geredet iſt, hier nicht eingegangen werden, es genüge zu wiſſen, daß es mit demſelben möglich iſt, einen Block ganz in eine Röhre auszuwalzen, aber auch die Röhre an einem, an beiden Enden, ja an jeder be- liebigen Stelle vollzulaſſen, was z. B. für Träger, die in der Mitte voll bleiben können, von höchſter Bedeutung iſt. Die Anwendung des- ſelben iſt alſo faſt unbeſchränkt. Nicht unerwähnt mag es bleiben, daß Röhren auch geſtanzt und, was namentlich bei Bleiröhren der Fall iſt, kalt oder warm in die verlangte Form gepreßt werden. b) Die letzte Formgebung der Metalle. Aus tiefem Bergesſchachte hat der Bergmann das Metall hervor- geholt, mühſam mußte er es von der Erde Rippen losreißen, dann ſtieg es ans Tageslicht, um in des Hochofens Gluten von Schlacken befreit zu werden, und bald lag ein Metallblock vor uns, ſeiner weiteren Beſtimmung harrend. Nun wurde dieſer durch Gießen und Hämmern, durch Walzen und Preſſen in eine Form gebracht, die ihn befähigte, auf dem Weltmarkte zu erſcheinen. Vielfach iſt dieſe oft ſchon recht vollendete Form bereits die endgültige, — die Schrotkugel, die Schrift-

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/688>, abgerufen am 23.04.2024.