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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Nähnadeln.
so wendet man das Bündel und macht dieselbe Arbeit von der anderen
Seite noch einmal, wodurch der Zusammenhang der Schafte so weit
gelockert wird, daß man sie bequem auseinanderbrechen kann, und nun
die einzelnen Nadeln zu je 100 auf einem Drahte aufgereiht vor sich hat.
Dieselben werden dann nur noch oben abgefeilt oder abgeschliffen, und
sind so in ihrer Form vollendet. Durch Hin- und Herwirbeln zwischen
den Fingern prüft man, ob sie nicht krumm geworden sind, in welchem
Falle sie durch Schläge mit einem kleinen Hammer wieder gerade ge-
richtet werden. Noch sind die Nadeln vom Glühen weich, sie müssen
also erst wieder gehärtet werden, zu welchem Zwecke sie erst in einer
eisernen Mulde bis zur Rotglut erwärmt und dann in ein Gefäß mit
Rüböl geschüttet werden. Nachdem sie dort wieder herausgefischt sind,
werden sie gelb oder blau angelassen, in Wasser abgekühlt und mit
Sägespähnen getrocknet, der entstandene Glühspahn wird durch Scheuern
entfernt. Man packt eine große Anzahl Nadeln mit scharfem Sande
oder auch mit Schmirgel und Öl in Ballen von etwa 10 mm Durch-
messer und von länglicher Form, und läßt eine Anzahl solcher Ballen
12 bis 18 Stunden lang auf einer Art Drehrolle oder Wäschemangel
hin- und herrollen. Dann nimmt man sie heraus, packt sie mit
neuem Schleifmaterial ein und überliefert sie abermals der Schauer-
mühle, und wiederholt dieses Verfahren 8 bis 10 Mal, so lange mit
immer feineren Schleifmitteln bis die Nadeln aufs feinste poliert sind,
worauf man sie in Seifenwasser wäscht und mit Sägespähnen trocknet.
Bevor sie in den Handel kommen, werden sie noch sortiert, und die-
jenigen, deren Spitzen etwa abgebrochen sind, entfernt, und wenn dies
geschehen ist, werden nun noch mindestens fünferlei Arbeiten mit ihnen
vorgenommen. Erst läßt man die Köpfe, damit die Nadeln wegen
ihrer Sprödigkeit nicht gleich an der dünnen Stelle am Öhre ab-
brechen, nochmals blau an, um sie geschmeidiger zu machen, wozu man
sie in eine rotierende Scheibe steckt und von einer Gasflamme erhitzen
läßt (Blaumachmaschine). Dann werden die Nadeln versenkt, d. h. die
Öhre, welche beim Durchstoßen so scharfkantig geworden sind, daß sie
den Faden leicht zerschneiden würden, werden mittels einer kleinen
spitzen Reibahle, welche an der Spindel einer schnell umlaufenden kleinen
Drehbank befestigt ist, von beiden Seiten her nachgebohrt. Man be-
nutzt auch Schmirgelstäbchen zu dem nämlichen Zwecke. Abermals
geht es zum Schleifstein, wo die Spitzen nachgeschliffen und die Köpfe
von der blauen Farbe befreit werden. Schließlich werden sie auf einer
Lederscheibe mit feinstem Schmirgel poliert. Endlich sind sie, nachdem
sie fast hundertmal in die Hand genommen sind, vollkommen gebrauchs-
fertig und können abgezählt und verpackt werden. Beim Abzählen
benutzt man ein eisernes Lineal mit 25 und 100 Furchen auf einer
Seite, in welchen genau eine Nadel Platz findet. Man nimmt eine
Anzahl Nadeln zwischen Daumen und Zeigefinger, streicht über das

Das Buch der Erfindungen. 44

Die Nähnadeln.
ſo wendet man das Bündel und macht dieſelbe Arbeit von der anderen
Seite noch einmal, wodurch der Zuſammenhang der Schafte ſo weit
gelockert wird, daß man ſie bequem auseinanderbrechen kann, und nun
die einzelnen Nadeln zu je 100 auf einem Drahte aufgereiht vor ſich hat.
Dieſelben werden dann nur noch oben abgefeilt oder abgeſchliffen, und
ſind ſo in ihrer Form vollendet. Durch Hin- und Herwirbeln zwiſchen
den Fingern prüft man, ob ſie nicht krumm geworden ſind, in welchem
Falle ſie durch Schläge mit einem kleinen Hammer wieder gerade ge-
richtet werden. Noch ſind die Nadeln vom Glühen weich, ſie müſſen
alſo erſt wieder gehärtet werden, zu welchem Zwecke ſie erſt in einer
eiſernen Mulde bis zur Rotglut erwärmt und dann in ein Gefäß mit
Rüböl geſchüttet werden. Nachdem ſie dort wieder herausgefiſcht ſind,
werden ſie gelb oder blau angelaſſen, in Waſſer abgekühlt und mit
Sägeſpähnen getrocknet, der entſtandene Glühſpahn wird durch Scheuern
entfernt. Man packt eine große Anzahl Nadeln mit ſcharfem Sande
oder auch mit Schmirgel und Öl in Ballen von etwa 10 mm Durch-
meſſer und von länglicher Form, und läßt eine Anzahl ſolcher Ballen
12 bis 18 Stunden lang auf einer Art Drehrolle oder Wäſchemangel
hin- und herrollen. Dann nimmt man ſie heraus, packt ſie mit
neuem Schleifmaterial ein und überliefert ſie abermals der Schauer-
mühle, und wiederholt dieſes Verfahren 8 bis 10 Mal, ſo lange mit
immer feineren Schleifmitteln bis die Nadeln aufs feinſte poliert ſind,
worauf man ſie in Seifenwaſſer wäſcht und mit Sägeſpähnen trocknet.
Bevor ſie in den Handel kommen, werden ſie noch ſortiert, und die-
jenigen, deren Spitzen etwa abgebrochen ſind, entfernt, und wenn dies
geſchehen iſt, werden nun noch mindeſtens fünferlei Arbeiten mit ihnen
vorgenommen. Erſt läßt man die Köpfe, damit die Nadeln wegen
ihrer Sprödigkeit nicht gleich an der dünnen Stelle am Öhre ab-
brechen, nochmals blau an, um ſie geſchmeidiger zu machen, wozu man
ſie in eine rotierende Scheibe ſteckt und von einer Gasflamme erhitzen
läßt (Blaumachmaſchine). Dann werden die Nadeln verſenkt, d. h. die
Öhre, welche beim Durchſtoßen ſo ſcharfkantig geworden ſind, daß ſie
den Faden leicht zerſchneiden würden, werden mittels einer kleinen
ſpitzen Reibahle, welche an der Spindel einer ſchnell umlaufenden kleinen
Drehbank befeſtigt iſt, von beiden Seiten her nachgebohrt. Man be-
nutzt auch Schmirgelſtäbchen zu dem nämlichen Zwecke. Abermals
geht es zum Schleifſtein, wo die Spitzen nachgeſchliffen und die Köpfe
von der blauen Farbe befreit werden. Schließlich werden ſie auf einer
Lederſcheibe mit feinſtem Schmirgel poliert. Endlich ſind ſie, nachdem
ſie faſt hundertmal in die Hand genommen ſind, vollkommen gebrauchs-
fertig und können abgezählt und verpackt werden. Beim Abzählen
benutzt man ein eiſernes Lineal mit 25 und 100 Furchen auf einer
Seite, in welchen genau eine Nadel Platz findet. Man nimmt eine
Anzahl Nadeln zwiſchen Daumen und Zeigefinger, ſtreicht über das

Das Buch der Erfindungen. 44
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[689/0707] Die Nähnadeln. ſo wendet man das Bündel und macht dieſelbe Arbeit von der anderen Seite noch einmal, wodurch der Zuſammenhang der Schafte ſo weit gelockert wird, daß man ſie bequem auseinanderbrechen kann, und nun die einzelnen Nadeln zu je 100 auf einem Drahte aufgereiht vor ſich hat. Dieſelben werden dann nur noch oben abgefeilt oder abgeſchliffen, und ſind ſo in ihrer Form vollendet. Durch Hin- und Herwirbeln zwiſchen den Fingern prüft man, ob ſie nicht krumm geworden ſind, in welchem Falle ſie durch Schläge mit einem kleinen Hammer wieder gerade ge- richtet werden. Noch ſind die Nadeln vom Glühen weich, ſie müſſen alſo erſt wieder gehärtet werden, zu welchem Zwecke ſie erſt in einer eiſernen Mulde bis zur Rotglut erwärmt und dann in ein Gefäß mit Rüböl geſchüttet werden. Nachdem ſie dort wieder herausgefiſcht ſind, werden ſie gelb oder blau angelaſſen, in Waſſer abgekühlt und mit Sägeſpähnen getrocknet, der entſtandene Glühſpahn wird durch Scheuern entfernt. Man packt eine große Anzahl Nadeln mit ſcharfem Sande oder auch mit Schmirgel und Öl in Ballen von etwa 10 mm Durch- meſſer und von länglicher Form, und läßt eine Anzahl ſolcher Ballen 12 bis 18 Stunden lang auf einer Art Drehrolle oder Wäſchemangel hin- und herrollen. Dann nimmt man ſie heraus, packt ſie mit neuem Schleifmaterial ein und überliefert ſie abermals der Schauer- mühle, und wiederholt dieſes Verfahren 8 bis 10 Mal, ſo lange mit immer feineren Schleifmitteln bis die Nadeln aufs feinſte poliert ſind, worauf man ſie in Seifenwaſſer wäſcht und mit Sägeſpähnen trocknet. Bevor ſie in den Handel kommen, werden ſie noch ſortiert, und die- jenigen, deren Spitzen etwa abgebrochen ſind, entfernt, und wenn dies geſchehen iſt, werden nun noch mindeſtens fünferlei Arbeiten mit ihnen vorgenommen. Erſt läßt man die Köpfe, damit die Nadeln wegen ihrer Sprödigkeit nicht gleich an der dünnen Stelle am Öhre ab- brechen, nochmals blau an, um ſie geſchmeidiger zu machen, wozu man ſie in eine rotierende Scheibe ſteckt und von einer Gasflamme erhitzen läßt (Blaumachmaſchine). Dann werden die Nadeln verſenkt, d. h. die Öhre, welche beim Durchſtoßen ſo ſcharfkantig geworden ſind, daß ſie den Faden leicht zerſchneiden würden, werden mittels einer kleinen ſpitzen Reibahle, welche an der Spindel einer ſchnell umlaufenden kleinen Drehbank befeſtigt iſt, von beiden Seiten her nachgebohrt. Man be- nutzt auch Schmirgelſtäbchen zu dem nämlichen Zwecke. Abermals geht es zum Schleifſtein, wo die Spitzen nachgeſchliffen und die Köpfe von der blauen Farbe befreit werden. Schließlich werden ſie auf einer Lederſcheibe mit feinſtem Schmirgel poliert. Endlich ſind ſie, nachdem ſie faſt hundertmal in die Hand genommen ſind, vollkommen gebrauchs- fertig und können abgezählt und verpackt werden. Beim Abzählen benutzt man ein eiſernes Lineal mit 25 und 100 Furchen auf einer Seite, in welchen genau eine Nadel Platz findet. Man nimmt eine Anzahl Nadeln zwiſchen Daumen und Zeigefinger, ſtreicht über das Das Buch der Erfindungen. 44

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/707>, abgerufen am 24.04.2024.