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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Fabrikation und Verarbeitung des Glases.
der Haken wird weggenommen und das Feuer zum Zwecke der Läuterung
mehrere Stunden geschürt. Jetzt erst beginnt das eigentliche Rühren,
welches man nur unterbricht, um die weißglühend gewordenen Eisen-
haken durch neue zu ersetzen. Nach 6 Stunden unterbricht man das
Feuern durch "Kaltschüren", um nach weiteren 2 Stunden wieder heiß
zu schüren. Endlich beginnt der Fluß dick zu werden; man hört
auf zu rühren, schließt den Ofen gänzlich und läßt ihn verkühlen.
Hierzu gehört eine Zeit von 6 bis 8 Tagen. Nunmehr bildet das Glas
im Hafen meist eine zusammenhängende Masse, an welche man, nach
dem Zerschlagen des Hafens, zwei parallele, an entgegengesetzten Enden
liegende Flächen schleift und poliert. So kann man genau untersuchen,
wo das Innere, welches wohl nie ganz homogen ausgefallen sein
wird, Streifen und Schlieren zeigt, um hiernach reine Stücke heraus-
zusägen. Diese werden in einem besonderen Ofen bis zum gelinden
Erweichen aufgewärmt, in einer zweiklappigen Form in Gestalt einer
Linse gepreßt, recht gut gekühlt und endlich, dem speziellen Zweck ent-
sprechend, geschliffen und poliert.

Durch das Verfahren von Bontemps ist der Preis der rohen
Flintglaslinsen, welcher früher ein ganz außerordentlich hoher war,
auf den 70. Teil gesunken. Eine ganze Reihe von verdienstvollen
Männern, besonders Döbereiner und Steinheil, haben es sich angelegen
sein lassen, nach zum Teil noch verbesserten Methoden, die aber nur
in unwesentlichen Punkten von der beschriebenen abweichen, Linsen von
großer Reinheit und bedeutender Ausdehnung herzustellen. Über die
neuesten Einführungen auf diesem Gebiete sehe man das nähere in
dem die optischen Instrumente behandelnden Abschnitt dieses Buches.

g) Der Straß.

Derselbe ist ein Kalibleisilikat von großem Bleireichtum und leichter
Schmelzbarkeit, Er dient, mit verschiedenen Metalloxyden gefärbt, zur
Herstellung künstlicher Edelsteine (Pierre de Strass). Um gute und
klare Farben zu erhalten, ist die Auswahl der reinsten Ingredienzien
dringend geboten; so benutzt man z. B. an Stelle der Kieselerde Berg-
krystall. Das Schmelzen erfolgt in Öfen, die nur einen oder doch
wenige Häfen enthalten und bedarf eines sehr sorgfältigen Läuterungs-
prozesses; die Herstellung ist im wesentlichen dieselbe, wie beim Flintglas.

Setzt man dem Straß Zinnoxyd zu, so verliert er seine Durch-
sichtigkeit, behält aber seinen hohen Glanz und heißt in diesem Zustande
Schmelz (Email).


Wenn auch in der bisherigen Schilderung der Glasindustrie die
sämtlichen wichtigen Gebiete derselben in Betracht gezogen wurden, so
bleiben doch noch einige Einzelheiten von Interesse übrig, welche in

Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes.
der Haken wird weggenommen und das Feuer zum Zwecke der Läuterung
mehrere Stunden geſchürt. Jetzt erſt beginnt das eigentliche Rühren,
welches man nur unterbricht, um die weißglühend gewordenen Eiſen-
haken durch neue zu erſetzen. Nach 6 Stunden unterbricht man das
Feuern durch „Kaltſchüren“, um nach weiteren 2 Stunden wieder heiß
zu ſchüren. Endlich beginnt der Fluß dick zu werden; man hört
auf zu rühren, ſchließt den Ofen gänzlich und läßt ihn verkühlen.
Hierzu gehört eine Zeit von 6 bis 8 Tagen. Nunmehr bildet das Glas
im Hafen meiſt eine zuſammenhängende Maſſe, an welche man, nach
dem Zerſchlagen des Hafens, zwei parallele, an entgegengeſetzten Enden
liegende Flächen ſchleift und poliert. So kann man genau unterſuchen,
wo das Innere, welches wohl nie ganz homogen ausgefallen ſein
wird, Streifen und Schlieren zeigt, um hiernach reine Stücke heraus-
zuſägen. Dieſe werden in einem beſonderen Ofen bis zum gelinden
Erweichen aufgewärmt, in einer zweiklappigen Form in Geſtalt einer
Linſe gepreßt, recht gut gekühlt und endlich, dem ſpeziellen Zweck ent-
ſprechend, geſchliffen und poliert.

Durch das Verfahren von Bontemps iſt der Preis der rohen
Flintglaslinſen, welcher früher ein ganz außerordentlich hoher war,
auf den 70. Teil geſunken. Eine ganze Reihe von verdienſtvollen
Männern, beſonders Döbereiner und Steinheil, haben es ſich angelegen
ſein laſſen, nach zum Teil noch verbeſſerten Methoden, die aber nur
in unweſentlichen Punkten von der beſchriebenen abweichen, Linſen von
großer Reinheit und bedeutender Ausdehnung herzuſtellen. Über die
neueſten Einführungen auf dieſem Gebiete ſehe man das nähere in
dem die optiſchen Inſtrumente behandelnden Abſchnitt dieſes Buches.

g) Der Straß.

Derſelbe iſt ein Kalibleiſilikat von großem Bleireichtum und leichter
Schmelzbarkeit, Er dient, mit verſchiedenen Metalloxyden gefärbt, zur
Herſtellung künſtlicher Edelſteine (Pierre de Strass). Um gute und
klare Farben zu erhalten, iſt die Auswahl der reinſten Ingredienzien
dringend geboten; ſo benutzt man z. B. an Stelle der Kieſelerde Berg-
kryſtall. Das Schmelzen erfolgt in Öfen, die nur einen oder doch
wenige Häfen enthalten und bedarf eines ſehr ſorgfältigen Läuterungs-
prozeſſes; die Herſtellung iſt im weſentlichen dieſelbe, wie beim Flintglas.

Setzt man dem Straß Zinnoxyd zu, ſo verliert er ſeine Durch-
ſichtigkeit, behält aber ſeinen hohen Glanz und heißt in dieſem Zuſtande
Schmelz (Email).


Wenn auch in der bisherigen Schilderung der Glasinduſtrie die
ſämtlichen wichtigen Gebiete derſelben in Betracht gezogen wurden, ſo
bleiben doch noch einige Einzelheiten von Intereſſe übrig, welche in

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[868/0886] Die Fabrikation und Verarbeitung des Glaſes. der Haken wird weggenommen und das Feuer zum Zwecke der Läuterung mehrere Stunden geſchürt. Jetzt erſt beginnt das eigentliche Rühren, welches man nur unterbricht, um die weißglühend gewordenen Eiſen- haken durch neue zu erſetzen. Nach 6 Stunden unterbricht man das Feuern durch „Kaltſchüren“, um nach weiteren 2 Stunden wieder heiß zu ſchüren. Endlich beginnt der Fluß dick zu werden; man hört auf zu rühren, ſchließt den Ofen gänzlich und läßt ihn verkühlen. Hierzu gehört eine Zeit von 6 bis 8 Tagen. Nunmehr bildet das Glas im Hafen meiſt eine zuſammenhängende Maſſe, an welche man, nach dem Zerſchlagen des Hafens, zwei parallele, an entgegengeſetzten Enden liegende Flächen ſchleift und poliert. So kann man genau unterſuchen, wo das Innere, welches wohl nie ganz homogen ausgefallen ſein wird, Streifen und Schlieren zeigt, um hiernach reine Stücke heraus- zuſägen. Dieſe werden in einem beſonderen Ofen bis zum gelinden Erweichen aufgewärmt, in einer zweiklappigen Form in Geſtalt einer Linſe gepreßt, recht gut gekühlt und endlich, dem ſpeziellen Zweck ent- ſprechend, geſchliffen und poliert. Durch das Verfahren von Bontemps iſt der Preis der rohen Flintglaslinſen, welcher früher ein ganz außerordentlich hoher war, auf den 70. Teil geſunken. Eine ganze Reihe von verdienſtvollen Männern, beſonders Döbereiner und Steinheil, haben es ſich angelegen ſein laſſen, nach zum Teil noch verbeſſerten Methoden, die aber nur in unweſentlichen Punkten von der beſchriebenen abweichen, Linſen von großer Reinheit und bedeutender Ausdehnung herzuſtellen. Über die neueſten Einführungen auf dieſem Gebiete ſehe man das nähere in dem die optiſchen Inſtrumente behandelnden Abſchnitt dieſes Buches. g) Der Straß. Derſelbe iſt ein Kalibleiſilikat von großem Bleireichtum und leichter Schmelzbarkeit, Er dient, mit verſchiedenen Metalloxyden gefärbt, zur Herſtellung künſtlicher Edelſteine (Pierre de Strass). Um gute und klare Farben zu erhalten, iſt die Auswahl der reinſten Ingredienzien dringend geboten; ſo benutzt man z. B. an Stelle der Kieſelerde Berg- kryſtall. Das Schmelzen erfolgt in Öfen, die nur einen oder doch wenige Häfen enthalten und bedarf eines ſehr ſorgfältigen Läuterungs- prozeſſes; die Herſtellung iſt im weſentlichen dieſelbe, wie beim Flintglas. Setzt man dem Straß Zinnoxyd zu, ſo verliert er ſeine Durch- ſichtigkeit, behält aber ſeinen hohen Glanz und heißt in dieſem Zuſtande Schmelz (Email). Wenn auch in der bisherigen Schilderung der Glasinduſtrie die ſämtlichen wichtigen Gebiete derſelben in Betracht gezogen wurden, ſo bleiben doch noch einige Einzelheiten von Intereſſe übrig, welche in

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 868. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/886>, abgerufen am 28.03.2024.