Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.Das XII Capitel. Vom Gewand- und Tücher-Mahlen. Innhalt.Die Erbarkeit/ Hitze/ Kälte und Regen/ heißen uns in Kleidern gehen. Die Gewänder sind/ nach dem Geschlecht/ Stand und Stellung der Personen/ auch nach den Lands-Arten/ zu unterscheiden. Modellen und Bekleidung der Gliedmänner. Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler. Vom Obergewand/ und von Rundirung der Falten. Albrecht Dürer/ ein Lehrmeister der Gewänder. Die Glieder müßen/ unter dem Gewand/ hervor scheinen. Die Falten/ müßen nicht überhäuft seyn. Italiäner/ sind hierinn A. Dürers Lehr Schülere/ auch Aldegraf. Linde und grobe Falten. Mancherley Falten der Zeuge. Raphael hat wol gekleidet/ nach Art der Antichen Romanen. In dieser Kunst haben excellirt/ Titian, Paul Verones, und die Modernen Adam Elzheimer und Horatio Gentilescho. Der Antichen Statuen/ perfecteste Gewänder. Die Falten/ müßen kein sonderbares Glied oder Liecht verdecken oder verschatten. Man mus nicht zuwenig oder zuviel falten. Etliche Regeln. Das Gewand/ ligt gern flach und eben. Fernere Regeln. Von Länge der Falten. ES ist auch ein sonderbares Stuck der Mahlerey-Wissenschaft/ daß man die Gewänder und Kleidungen der Bilder wol verstehe: worinn ihrer viele/ die sonst in andern Stücken gute Experienz gehabt/ sich schwach befunden/ und dem Ruhm ihrer Arbeit damit schädlich gewesen. Und wiewol in den nackenden Bildern die fürnehmste Die Erbarkeit/ Hitze/ Kälte und Regen/ heissen uns in Kleidern gehen. Kunst bestehet/ auch die Indianer und andere Völker/ entweder ganz nackend/ oder nur zum theil gekleidet gehen: so verbindet doch uns Christen und andere Europaeische Völker/ die Erbarkeit/ neben der Kälte unsers Luft-Himmels/ daß wir mit Kleidern uns bedecken; welche auch wider Staub/ Hitze/ Schnee und Regen uns schützen und verwahren müßen. Die Gewänder sind nach dem Geschlecht/ Stand und Stellung der Personen/ auch nach den Lands-Arten/ unterscheiden.Es ist/ in den Gewändern/ zuvörderst der Unterschied zu beobachten: weil deren Form/ Farben und Falten/ nach Alter/ Stand und Stellung der Personen/ nach dem Männ- und Weiblichen Geschlecht/ auch nach alt- und neuem Lands-Gebrauch und al modo, ganz ungleich sind. Dieses wol zu begreiffen/ pfleget man/ nächst fleißiger Beschauung des Lebens/ die so-genannte kleine Wachs-Modellen zu machen/ oder Gliedmänner Modellen und Bekleidung der Gliedmänner. mit Röcken oder Mänteln von rauher Leinwat oder nassem Papier zu überlegen: welches dann angenehme Falten macht/ und sich wohl erzeigt/ wann mit guter Bescheidenheit in und zu großen Bildern gefolget wird; wiewol man dadurch/ weil die Bewegung manglet/ leichtlich kan verführet werden. Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler.Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler/ hat vor andern beobachtet/ daß er die Obergewand jedesmal gröber/ als die untere/ gemacht/ auch die Falten meistentheils rundlich angefangen und geendigt.[Spaltenumbruch] Vom Obergewand/ und Rundung der Falten. Albrecht Dürer/ ein Lehrmeister der Gewänder. Der fürtreffliche Albrecht Dürer/ hat die Gewänder sonderlich wol verstanden/ und zumal solches in seinen letzten Jahren/ in Unser Frauen Leben/ auch in seinen vier bästen Stucken der grossen Passion, auch sonst in vielen Bildern erwiesen. Er hat/ unter den Gewändern/ die Glieder und Die Glieder müßen/ unter dem Gewand/ hervorscheinen. Die Falten/ müßen nicht überhäuft seyn. Gestalt des Leibes trefflich praesentirt/ auf dem Liecht breite Flacken gelassen/ in den Schatten sie eingehalten/ und also annehmliche/ kunstreiche/ natürliche Falten gemacht. Er hat auch solche nicht überhäufft/ sondern gebrochen/ wo die Glieder sich notwendig rühren/ gezwungen/ oder das Gewand/ durch des Bildes Hände/ auf den Armen und Füssen gehalten/ das dann notwendig Falten verursachet. Also hat er berühmte und meisterhafte Italiäner/ sind hierinn A. Dürers Lehr-Schülere/ auch Aldegraf. Bilder vorgestellet/ und mit seiner schönen Manier den meisten Italiänern damals die Augen eröffnet/ daß sie ihm gerad nachgefolget haben. Diß thäte auch unser hochbelobter und einziger Westphaler von Soust, Aldegraf genannt: welcher/ wann er nicht der Falten zuviel gemacht und sie zuhart geknüpft hätte/ ihme fast gleich gewesen wäre. Viel Gewänder/ sonderlich der Frauen ihre/ Linde und grobe Falten. wann sie von geringem Zeug/ sollen/ gleichsam ledig fliegend/ linde Falten/ hingegen die vom groben Mancherley Falten der Zeuge. Tuch/ deren wenig/ aber große/ haben. Also der Sammet/ muß solche sichtbarlich mit Unterschied/ ingleichen der Atlas/ so seinen besondern Falten-Glanz macht/ auch Taffet und Leinwat/ jedes seiner Art und Farbe ganz ähnlich/ bekommen/ daß sie zu unterscheiden/ und jeder Zeug an den Falten/ wol zu erkennen seyen: oder es ist gefehlet. Raphael hat wol gekleidet/ nach Art der Antichen Romanen Die Bekleidung der Bilder/ mit beobachtung aller schicklichen Veränderungen nach Stands-Gebühr/ hat Raphael meisterhaft verstanden: die er auch nach Art der Römischen Antichen ornirt/ Das XII Capitel. Vom Gewand- und Tücher-Mahlen. Innhalt.Die Erbarkeit/ Hitze/ Kälte und Regen/ heißen uns in Kleidern gehen. Die Gewänder sind/ nach dem Geschlecht/ Stand und Stellung der Personen/ auch nach den Lands-Arten/ zu unterscheiden. Modellen und Bekleidung der Gliedmänner. Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler. Vom Obergewand/ und von Rundirung der Falten. Albrecht Dürer/ ein Lehrmeister der Gewänder. Die Glieder müßen/ unter dem Gewand/ hervor scheinen. Die Falten/ müßen nicht überhäuft seyn. Italiäner/ sind hierinn A. Dürers Lehr Schülere/ auch Aldegraf. Linde und grobe Falten. Mancherley Falten der Zeuge. Raphaël hat wol gekleidet/ nach Art der Antichen Romanen. In dieser Kunst haben excellirt/ Titian, Paul Verones, und die Modernen Adam Elzheimer und Horatio Gentilescho. Der Antichen Statuen/ perfecteste Gewänder. Die Falten/ müßen kein sonderbares Glied oder Liecht verdecken oder verschatten. Man mus nicht zuwenig oder zuviel falten. Etliche Regeln. Das Gewand/ ligt gern flach und eben. Fernere Regeln. Von Länge der Falten. ES ist auch ein sonderbares Stuck der Mahlerey-Wissenschaft/ daß man die Gewänder und Kleidungen der Bilder wol verstehe: worinn ihrer viele/ die sonst in andern Stücken gute Experienz gehabt/ sich schwach befunden/ und dem Ruhm ihrer Arbeit damit schädlich gewesen. Und wiewol in den nackenden Bildern die fürnehmste Die Erbarkeit/ Hitze/ Kälte und Regen/ heissen uns in Kleidern gehen. Kunst bestehet/ auch die Indianer und andere Völker/ entweder ganz nackend/ oder nur zum theil gekleidet gehen: so verbindet doch uns Christen und andere Europaeische Völker/ die Erbarkeit/ neben der Kälte unsers Luft-Himmels/ daß wir mit Kleidern uns bedecken; welche auch wider Staub/ Hitze/ Schnee und Regen uns schützen und verwahren müßen. Die Gewänder sind nach dem Geschlecht/ Stand und Stellung der Personen/ auch nach den Lands-Arten/ unterscheiden.Es ist/ in den Gewändern/ zuvörderst der Unterschied zu beobachten: weil deren Form/ Farben und Falten/ nach Alter/ Stand und Stellung der Personen/ nach dem Männ- und Weiblichen Geschlecht/ auch nach alt- und neuem Lands-Gebrauch und al modo, ganz ungleich sind. 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Der fürtreffliche Albrecht Dürer/ hat die Gewänder sonderlich wol verstanden/ und zumal solches in seinen letzten Jahren/ in Unser Frauen Leben/ auch in seinen vier bästen Stucken der grossen Passion, auch sonst in vielen Bildern erwiesen. Er hat/ unter den Gewändern/ die Glieder und Die Glieder müßen/ unter dem Gewand/ hervorscheinen. Die Falten/ müßen nicht überhäuft seyn. Gestalt des Leibes trefflich praesentirt/ auf dem Liecht breite Flacken gelassen/ in den Schatten sie eingehalten/ und also annehmliche/ kunstreiche/ natürliche Falten gemacht. Er hat auch solche nicht überhäufft/ sondern gebrochen/ wo die Glieder sich notwendig rühren/ gezwungen/ oder das Gewand/ durch des Bildes Hände/ auf den Armen und Füssen gehalten/ das dann notwendig Falten verursachet. Also hat er berühmte und meisterhafte Italiäner/ sind hierinn A. Dürers Lehr-Schülere/ auch Aldegraf. 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Das XII Capitel.
Vom
Gewand- und Tücher-Mahlen.
Innhalt.
Die Erbarkeit/ Hitze/ Kälte und Regen/ heißen uns in Kleidern gehen. Die Gewänder sind/ nach dem Geschlecht/ Stand und Stellung der Personen/ auch nach den Lands-Arten/ zu unterscheiden. Modellen und Bekleidung der Gliedmänner. Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler. Vom Obergewand/ und von Rundirung der Falten. Albrecht Dürer/ ein Lehrmeister der Gewänder. Die Glieder müßen/ unter dem Gewand/ hervor scheinen. Die Falten/ müßen nicht überhäuft seyn. Italiäner/ sind hierinn A. Dürers Lehr Schülere/ auch Aldegraf. Linde und grobe Falten. Mancherley Falten der Zeuge. Raphaël hat wol gekleidet/ nach Art der Antichen Romanen. In dieser Kunst haben excellirt/ Titian, Paul Verones, und die Modernen Adam Elzheimer und Horatio Gentilescho. Der Antichen Statuen/ perfecteste Gewänder. Die Falten/ müßen kein sonderbares Glied oder Liecht verdecken oder verschatten. Man mus nicht zuwenig oder zuviel falten. Etliche Regeln. Das Gewand/ ligt gern flach und eben. Fernere Regeln. Von Länge der Falten.
ES ist auch ein sonderbares Stuck der Mahlerey-Wissenschaft/ daß man die Gewänder und Kleidungen der Bilder wol verstehe: worinn ihrer viele/ die sonst in andern Stücken gute Experienz gehabt/ sich schwach befunden/ und dem Ruhm ihrer Arbeit damit schädlich gewesen. Und wiewol in den nackenden Bildern die fürnehmste Kunst bestehet/ auch die Indianer und andere Völker/ entweder ganz nackend/ oder nur zum theil gekleidet gehen: so verbindet doch uns Christen und andere Europaeische Völker/ die Erbarkeit/ neben der Kälte unsers Luft-Himmels/ daß wir mit Kleidern uns bedecken; welche auch wider Staub/ Hitze/ Schnee und Regen uns schützen und verwahren müßen.
Die Erbarkeit/ Hitze/ Kälte und Regen/ heissen uns in Kleidern gehen.Es ist/ in den Gewändern/ zuvörderst der Unterschied zu beobachten: weil deren Form/ Farben und Falten/ nach Alter/ Stand und Stellung der Personen/ nach dem Männ- und Weiblichen Geschlecht/ auch nach alt- und neuem Lands-Gebrauch und al modo, ganz ungleich sind.
Die Gewänder sind nach dem Geschlecht/ Stand und Stellung der Personen/ auch nach den Lands-Arten/ unterscheiden.Dieses wol zu begreiffen/ pfleget man/ nächst fleißiger Beschauung des Lebens/ die so-genannte kleine Wachs-Modellen zu machen/ oder Gliedmänner mit Röcken oder Mänteln von rauher Leinwat oder nassem Papier zu überlegen: welches dann angenehme Falten macht/ und sich wohl erzeigt/ wann mit guter Bescheidenheit in und zu großen Bildern gefolget wird; wiewol man dadurch/ weil die Bewegung manglet/ leichtlich kan verführet werden.
Modellen und Bekleidung der Gliedmänner.Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler/ hat vor andern beobachtet/ daß er die Obergewand jedesmal gröber/ als die untere/ gemacht/ auch die Falten meistentheils rundlich angefangen und geendigt.
Der fürtreffliche Albrecht Dürer/ hat die Gewänder sonderlich wol verstanden/ und zumal solches in seinen letzten Jahren/ in Unser Frauen Leben/ auch in seinen vier bästen Stucken der grossen Passion, auch sonst in vielen Bildern erwiesen. Er hat/ unter den Gewändern/ die Glieder und Gestalt des Leibes trefflich praesentirt/ auf dem Liecht breite Flacken gelassen/ in den Schatten sie eingehalten/ und also annehmliche/ kunstreiche/ natürliche Falten gemacht. Er hat auch solche nicht überhäufft/ sondern gebrochen/ wo die Glieder sich notwendig rühren/ gezwungen/ oder das Gewand/ durch des Bildes Hände/ auf den Armen und Füssen gehalten/ das dann notwendig Falten verursachet. Also hat er berühmte und meisterhafte Bilder vorgestellet/ und mit seiner schönen Manier den meisten Italiänern damals die Augen eröffnet/ daß sie ihm gerad nachgefolget haben. Diß thäte auch unser hochbelobter und einziger Westphaler von Soust, Aldegraf genannt: welcher/ wann er nicht der Falten zuviel gemacht und sie zuhart geknüpft hätte/ ihme fast gleich gewesen wäre.
Lucas von Leyden/ ein guter Gewand-Mahler.
Vom Obergewand/ und Rundung der Falten. Albrecht Dürer/ ein Lehrmeister der Gewänder.
Die Glieder müßen/ unter dem Gewand/ hervorscheinen. Die Falten/ müßen nicht überhäuft seyn.
Italiäner/ sind hierinn A. Dürers Lehr-Schülere/ auch Aldegraf.Viel Gewänder/ sonderlich der Frauen ihre/ wann sie von geringem Zeug/ sollen/ gleichsam ledig fliegend/ linde Falten/ hingegen die vom groben Tuch/ deren wenig/ aber große/ haben. Also der Sammet/ muß solche sichtbarlich mit Unterschied/ ingleichen der Atlas/ so seinen besondern Falten-Glanz macht/ auch Taffet und Leinwat/ jedes seiner Art und Farbe ganz ähnlich/ bekommen/ daß sie zu unterscheiden/ und jeder Zeug an den Falten/ wol zu erkennen seyen: oder es ist gefehlet.
Linde und grobe Falten.
Mancherley Falten der Zeuge. Die Bekleidung der Bilder/ mit beobachtung aller schicklichen Veränderungen nach Stands-Gebühr/ hat Raphaël meisterhaft verstanden: die er auch nach Art der Römischen Antichen ornirt/
Raphaël hat wol gekleidet/ nach Art der Antichen Romanen
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 82]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/261>, abgerufen am 11.04.2021. |