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Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.

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G.C. Eimmart f.

Wahre Götterbildung
Aus denen Weltberühmtesten Antichen und Rö-
mischen Statuen abgesehen;
Samt
beygefügter Erleuterung der abgöttischen Cere-
moni
en und alten Gebräuchen. [Spaltenumbruch]

ES ist bekannt/ daß unter allen Dingen/ so die menschliche Natur veredlen und zieren/ nichts vortrefflichers/ und dem Menschen eigenthümlichers und anständigers sey/ als die Religion oder Furcht und Ehre gegen die göttliche Macht: Dannenhero dann niemals einige so gar barbarische Nation oder Völckerschafft gefunden worden/ die deroselben nicht etlicher massen fähig und theilhafftig gewesen. Und obwol ins gemein gesagt wird/ daß der Mensch vornemlich durch die Vernunfft von andern Thieren unterschieden sey/ so kan doch mit klaren Beweisgründen dargethan werden/ daß/ auch vor dem Gebrauch der Vernunfft/ in ihme die Religion/ als welche von der Natur selbst dem menschlichen Gemühte/ gleich von desselben Ursprunge an/ eingepflantzt ist/ Die Religion ist die vornehmste Tugend. Krafft deß Menschen. sich ereigne und spüren lasse: immassen dann auch der Platonische Lehrschüler Jamblichus dieser Meinung ist/ und dafür hält/ es bestrahle gleichsam unsere Gemühter ein von GOtt ausfliessendes Liecht/ wodurch in uns verwunderbare natürliche/ und nach diesem Gute brünstig verlangende Begierden erwecket werden/ von deme wir nachfolgends/ wann wir die Vernunfft zu gebrauchen und auszuüben angefangen/ vernünfftiglich reden und urtheilen. Welches uns/ wie einige davor [Spaltenumbruch] halten/ auch des Prometheus Fabel lehren und zu verstehen geben wollen/ daß nemlich sein himmlisches Feuer/ wordurch er/ man dichtet/ das Leben in des ersten Menschen Hertz gebracht/ eine solche Krafft bedeute/ die/ vermittelst geheimer und verborgener Eingeistung und Gedancken/ die Gemühter der Menschen stetigs nach sich ziehe/ welche/ wann sie empfinden/ woher sie geflossen/ und von wannen sie ihren Ursprung genommen/ durch natürlichen Trieb sich wieder dahin zu wenden beginnen. Und eben daher/ sagen sie/ komme es auch/daß/ wann uns etwas sonderbar Gutes oder Böses begegnet/ wir/ auf dessen ersten Anblick/ und ehe wir einigen andern Gedancken darvon fassen/ die Augen hinauf gen Himmel schwingen/ unterweilen auch wol die gefaltene Hände empor heben/ eben als ob wir durch unsere gütige Lehrmeisterin/ die Natur/ unterwiesen/ glaubten/ es fliesse alles Gute zu uns vom Himmel herab/ und seye man deme für die empfangene Wolthat schuldig zu dancken/ der sie gegeben/ und von dem man in allen Widerwärtigkeiten der unfehlbaren Hülffe gewärtig seyn müsse; dahero es dann komme/ daß man ihn darum mit dergleichen demühtigen Geberden anflehe.

Alle diese Dinge mögen zwar sehr grosse Beweisgründe der Religion seyn/ die uns GOtt zu lieben und zu verehren antreiben: jedoch kan solches/ dafern nicht in uns einige Erkänntnus vorhergehet/ keines wegs geschehen.

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G.C. Eimmart f.

Wahre Götterbildung
Aus denen Weltberühmtesten Antichen und Rö-
mischen Statuen abgesehen;
Samt
beygefügter Erleuterung der abgöttischen Cere-
moni
en und alten Gebräuchen. [Spaltenumbruch]

ES ist bekannt/ daß unter allen Dingen/ so die menschliche Natur veredlen und zieren/ nichts vortrefflichers/ und dem Menschen eigenthümlichers und anständigers sey/ als die Religion oder Furcht und Ehre gegen die göttliche Macht: Dannenhero dann niemals einige so gar barbarische Nation oder Völckerschafft gefunden worden/ die deroselben nicht etlicher massen fähig und theilhafftig gewesen. Und obwol ins gemein gesagt wird/ daß der Mensch vornemlich durch die Vernunfft von andern Thieren unterschieden sey/ so kan doch mit klaren Beweisgründen dargethan werden/ daß/ auch vor dem Gebrauch der Vernunfft/ in ihme die Religion/ als welche von der Natur selbst dem menschlichen Gemühte/ gleich von desselben Ursprunge an/ eingepflantzt ist/ Die Religion ist die vornehmste Tugend. Krafft deß Menschen. sich ereigne und spüren lasse: immassen dann auch der Platonische Lehrschüler Jamblichus dieser Meinung ist/ und dafür hält/ es bestrahle gleichsam unsere Gemühter ein von GOtt ausfliessendes Liecht/ wodurch in uns verwunderbare natürliche/ und nach diesem Gute brünstig verlangende Begierden erwecket werden/ von deme wir nachfolgends/ wann wir die Vernunfft zu gebrauchen und auszuüben angefangen/ vernünfftiglich reden und urtheilen. Welches uns/ wie einige davor [Spaltenumbruch] halten/ auch des Prometheus Fabel lehren und zu verstehen geben wollen/ daß nemlich sein himmlisches Feuer/ wordurch er/ man dichtet/ das Leben in des ersten Menschen Hertz gebracht/ eine solche Krafft bedeute/ die/ vermittelst geheimer und verborgener Eingeistung und Gedancken/ die Gemühter der Menschen stetigs nach sich ziehe/ welche/ wann sie empfinden/ woher sie geflossen/ und von wannen sie ihren Ursprung genommen/ durch natürlichen Trieb sich wieder dahin zu wenden beginnen. Und eben daher/ sagen sie/ komme es auch/daß/ wann uns etwas sonderbar Gutes oder Böses begegnet/ wir/ auf dessen ersten Anblick/ und ehe wir einigen andern Gedancken darvon fassen/ die Augen hinauf gen Himmel schwingen/ unterweilen auch wol die gefaltene Hände empor heben/ eben als ob wir durch unsere gütige Lehrmeisterin/ die Natur/ unterwiesen/ glaubten/ es fliesse alles Gute zu uns vom Himmel herab/ und seye man deme für die empfangene Wolthat schuldig zu dancken/ der sie gegeben/ und von dem man in allen Widerwärtigkeiten der unfehlbaren Hülffe gewärtig seyn müsse; dahero es dann komme/ daß man ihn darum mit dergleichen demühtigen Geberden anflehe.

Alle diese Dinge mögen zwar sehr grosse Beweisgründe der Religion seyn/ die uns GOtt zu lieben und zu verehren antreiben: jedoch kan solches/ dafern nicht in uns einige Erkänntnus vorhergehet/ keines wegs geschehen.

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[TA 1680, Iconologia Deorum, S. 1/0053] [Abbildung [Abbildung] G.C. Eimmart f. ] Wahre Götterbildung Aus denen Weltberühmtesten Antichen und Rö- mischen Statuen abgesehen; Samt beygefügter Erleuterung der abgöttischen Cere- monien und alten Gebräuchen. ES ist bekannt/ daß unter allen Dingen/ so die menschliche Natur veredlen und zieren/ nichts vortrefflichers/ und dem Menschen eigenthümlichers und anständigers sey/ als die Religion oder Furcht und Ehre gegen die göttliche Macht: Dannenhero dann niemals einige so gar barbarische Nation oder Völckerschafft gefunden worden/ die deroselben nicht etlicher massen fähig und theilhafftig gewesen. Und obwol ins gemein gesagt wird/ daß der Mensch vornemlich durch die Vernunfft von andern Thieren unterschieden sey/ so kan doch mit klaren Beweisgründen dargethan werden/ daß/ auch vor dem Gebrauch der Vernunfft/ in ihme die Religion/ als welche von der Natur selbst dem menschlichen Gemühte/ gleich von desselben Ursprunge an/ eingepflantzt ist/ sich ereigne und spüren lasse: immassen dann auch der Platonische Lehrschüler Jamblichus dieser Meinung ist/ und dafür hält/ es bestrahle gleichsam unsere Gemühter ein von GOtt ausfliessendes Liecht/ wodurch in uns verwunderbare natürliche/ und nach diesem Gute brünstig verlangende Begierden erwecket werden/ von deme wir nachfolgends/ wann wir die Vernunfft zu gebrauchen und auszuüben angefangen/ vernünfftiglich reden und urtheilen. Welches uns/ wie einige davor halten/ auch des Prometheus Fabel lehren und zu verstehen geben wollen/ daß nemlich sein himmlisches Feuer/ wordurch er/ man dichtet/ das Leben in des ersten Menschen Hertz gebracht/ eine solche Krafft bedeute/ die/ vermittelst geheimer und verborgener Eingeistung und Gedancken/ die Gemühter der Menschen stetigs nach sich ziehe/ welche/ wann sie empfinden/ woher sie geflossen/ und von wannen sie ihren Ursprung genommen/ durch natürlichen Trieb sich wieder dahin zu wenden beginnen. Und eben daher/ sagen sie/ komme es auch/daß/ wann uns etwas sonderbar Gutes oder Böses begegnet/ wir/ auf dessen ersten Anblick/ und ehe wir einigen andern Gedancken darvon fassen/ die Augen hinauf gen Himmel schwingen/ unterweilen auch wol die gefaltene Hände empor heben/ eben als ob wir durch unsere gütige Lehrmeisterin/ die Natur/ unterwiesen/ glaubten/ es fliesse alles Gute zu uns vom Himmel herab/ und seye man deme für die empfangene Wolthat schuldig zu dancken/ der sie gegeben/ und von dem man in allen Widerwärtigkeiten der unfehlbaren Hülffe gewärtig seyn müsse; dahero es dann komme/ daß man ihn darum mit dergleichen demühtigen Geberden anflehe. Die Religion ist die vornehmste Tugend. Krafft deß Menschen. Alle diese Dinge mögen zwar sehr grosse Beweisgründe der Religion seyn/ die uns GOtt zu lieben und zu verehren antreiben: jedoch kan solches/ dafern nicht in uns einige Erkänntnus vorhergehet/ keines wegs geschehen.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/53>, abgerufen am 28.03.2024.