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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

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Judas Jscariot/
und kan so gar der Römische Pabst/ auch die Catholische Kir-
chen dißfalls nicht dispensiren/ ja er ist schuldig ehender tausend
und tausend bitterste Marter und Todt auszustehen/ als nur
das allerwenigste zu offenbahren. Dahero gar heilig gethan
Joannes Nepomucenus zu Prag in Böheimb/ welcher auf
alle Weiß von dem böhmischen König Wenceslao angestren-
get worden/ daß er doch möchte offenbahren/ was die Königin/
dero Beicht-Vatter er gewesen/ ihme gebeicht; indem er aber sol-
ches in allweg geweigert/ ist er durch deß gottlosen Königs Be-
felch umbgebracht/ und in den Fluß Moldau gestürtzt worden/
welcher aber durch Göttlichen Willen alsobald/ wo der H. Mann
hingefallen/ ausgedrucknet/ und jederman einen freyen Zugang
vergunnet/ damit der H. Leib nach Würde möchte begraben wer-
den. Nicht allein sag ich/ ist ein Beicht-Vatter verpflicht in allen
ihme entdeckten Dingen zu schweigen/ sondern auch ein jeder
Rath/ und versündiget sich ein solcher schwer/ wann er ein und an-
dere Sach/ so im Rath abgehandelt worden/ jemand ander aus-
ser desselben offenbahret/ ja aller Haß/ Neyd/ Zorn/ Grollen/
Schaden und andre Ubel/ so hieraus entspringen/ werden ei-
ner solchen Schwätz-Zungen zugemessen/ und muß ein solcher
dem gerechten Göttlichen Richter zu seiner Zeit die genauiste
Rechnungschafft geben. Alle Secretarien seynd unter grosser
Sünd schuldig die in Geheimb geschlossene Ding bestermassen
zuverhüllen/ und keinen hiervon etwas zusagen/ wann sie sehen/
daß durch dergleichen Offenbahrungen einem und andern Theil
einiger Schaden solte zuwachsen. Nemini dixeritis. Schwei-
gen ist ein Kunst/ aber diese verderbt gar offt der Wein. Das
Wort Wein fangt von dem Buchstaben W. an/ und ist nur
gar zu wahr/ daß das meiste Wehe von dem Wein entspringt/
wann selber unmässig gebraucht wird. Wie der gute und ge-
rechte Alt-Vatter Noe zu tieff in den Krug geschaut/ und sich
überweint/ da ist er spöttlicher Weiß von seinem vermessenen
Sohn entblöst/ und also was die erbare Natur selbst zuverhüllen

ver-

Judas Jſcariot/
und kan ſo gar der Roͤmiſche Pabſt/ auch die Catholiſche Kir-
chen dißfalls nicht diſpenſiren/ ja er iſt ſchuldig ehender tauſend
und tauſend bitterſte Marter und Todt auszuſtehen/ als nur
das allerwenigſte zu offenbahren. Dahero gar heilig gethan
Joannes Nepomucenus zu Prag in Boͤheimb/ welcher auf
alle Weiß von dem boͤhmiſchen Koͤnig Wenceslao angeſtren-
get worden/ daß er doch moͤchte offenbahren/ was die Koͤnigin/
dero Beicht-Vatter er geweſen/ ihme gebeicht; indem er aber ſol-
ches in allweg geweigert/ iſt er durch deß gottloſen Koͤnigs Be-
felch umbgebracht/ und in den Fluß Moldau geſtuͤrtzt worden/
welcher aber durch Goͤttlichen Willen alſobald/ wo der H. Mann
hingefallen/ ausgedrucknet/ und jederman einen freyen Zugang
vergunnet/ damit der H. Leib nach Wuͤrde moͤchte begraben wer-
den. Nicht allein ſag ich/ iſt ein Beicht-Vatter verpflicht in allen
ihme entdeckten Dingen zu ſchweigen/ ſondern auch ein jeder
Rath/ und verſuͤndiget ſich ein ſolcher ſchwer/ wann er ein und an-
dere Sach/ ſo im Rath abgehandelt worden/ jemand ander auſ-
ſer deſſelben offenbahret/ ja aller Haß/ Neyd/ Zorn/ Grollen/
Schaden und andre Ubel/ ſo hieraus entſpringen/ werden ei-
ner ſolchen Schwaͤtz-Zungen zugemeſſen/ und muß ein ſolcher
dem gerechten Goͤttlichen Richter zu ſeiner Zeit die genauiſte
Rechnungſchafft geben. Alle Secretarien ſeynd unter groſſer
Suͤnd ſchuldig die in Geheimb geſchloſſene Ding beſtermaſſen
zuverhuͤllen/ und keinen hiervon etwas zuſagen/ wann ſie ſehen/
daß durch dergleichen Offenbahrungen einem und andern Theil
einiger Schaden ſolte zuwachſen. Nemini dixeritis. Schwei-
gen iſt ein Kunſt/ aber dieſe verderbt gar offt der Wein. Das
Wort Wein fangt von dem Buchſtaben W. an/ und iſt nur
gar zu wahr/ daß das meiſte Wehe von dem Wein entſpringt/
wann ſelber unmaͤſſig gebraucht wird. Wie der gute und ge-
rechte Alt-Vatter Noe zu tieff in den Krug geſchaut/ und ſich
uͤberweint/ da iſt er ſpoͤttlicher Weiß von ſeinem vermeſſenen
Sohn entbloͤſt/ und alſo was die erbare Natur ſelbſt zuverhuͤllen

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[16/0028] Judas Jſcariot/ und kan ſo gar der Roͤmiſche Pabſt/ auch die Catholiſche Kir- chen dißfalls nicht diſpenſiren/ ja er iſt ſchuldig ehender tauſend und tauſend bitterſte Marter und Todt auszuſtehen/ als nur das allerwenigſte zu offenbahren. Dahero gar heilig gethan Joannes Nepomucenus zu Prag in Boͤheimb/ welcher auf alle Weiß von dem boͤhmiſchen Koͤnig Wenceslao angeſtren- get worden/ daß er doch moͤchte offenbahren/ was die Koͤnigin/ dero Beicht-Vatter er geweſen/ ihme gebeicht; indem er aber ſol- ches in allweg geweigert/ iſt er durch deß gottloſen Koͤnigs Be- felch umbgebracht/ und in den Fluß Moldau geſtuͤrtzt worden/ welcher aber durch Goͤttlichen Willen alſobald/ wo der H. Mann hingefallen/ ausgedrucknet/ und jederman einen freyen Zugang vergunnet/ damit der H. Leib nach Wuͤrde moͤchte begraben wer- den. Nicht allein ſag ich/ iſt ein Beicht-Vatter verpflicht in allen ihme entdeckten Dingen zu ſchweigen/ ſondern auch ein jeder Rath/ und verſuͤndiget ſich ein ſolcher ſchwer/ wann er ein und an- dere Sach/ ſo im Rath abgehandelt worden/ jemand ander auſ- ſer deſſelben offenbahret/ ja aller Haß/ Neyd/ Zorn/ Grollen/ Schaden und andre Ubel/ ſo hieraus entſpringen/ werden ei- ner ſolchen Schwaͤtz-Zungen zugemeſſen/ und muß ein ſolcher dem gerechten Goͤttlichen Richter zu ſeiner Zeit die genauiſte Rechnungſchafft geben. Alle Secretarien ſeynd unter groſſer Suͤnd ſchuldig die in Geheimb geſchloſſene Ding beſtermaſſen zuverhuͤllen/ und keinen hiervon etwas zuſagen/ wann ſie ſehen/ daß durch dergleichen Offenbahrungen einem und andern Theil einiger Schaden ſolte zuwachſen. Nemini dixeritis. Schwei- gen iſt ein Kunſt/ aber dieſe verderbt gar offt der Wein. Das Wort Wein fangt von dem Buchſtaben W. an/ und iſt nur gar zu wahr/ daß das meiſte Wehe von dem Wein entſpringt/ wann ſelber unmaͤſſig gebraucht wird. Wie der gute und ge- rechte Alt-Vatter Noe zu tieff in den Krug geſchaut/ und ſich uͤberweint/ da iſt er ſpoͤttlicher Weiß von ſeinem vermeſſenen Sohn entbloͤſt/ und alſo was die erbare Natur ſelbſt zuverhuͤllen ver-

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/28>, abgerufen am 19.04.2024.