Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680.Mercks Wienn. Daher gehöret auch diß/ so man bey nächtlicher Weil ein Wei-nen und Wehklagen höret/ welches an vielen Orten der glaubi- ge Pöbel die Klag/ in dem Saltzburgerland aber die gemeine Leut den Todt und die Tödtin nennen/ die Erfahrnus gibts/ daß dergleichen Ding/ es sey was es wolle/ einen Sterben an- sagen/ wie Andreas Gallus tract. de pest. fasc. 3. Meldung thut. Deßgleichen hat man auch beobacht/ wann die kleine spielende Kinder auf der Gassen neben ihren Stecken-reiten/ und Häusel-bauen/ zuweilen Leich-Begängnus und Leich-Pro- cession führen/ daß solche Kinderspiel gemeiniglich ein Trauer- spiel vorgebildet/ dem man kein gewisse Ursach/ sondern nur die Erfahrnus beymesset; Von dergleichen weiß man allhier nichts zu schreiben noch schreyen/ auch hat sich kein Prophet angemeldt/ der dieses ankommende Ubel hätte verrathen/ ob zwar das be- nachbarte Königreich Ungarn/ so starck mit dieser würckli- chen Seuch angesteckt war/ die Stell einer Sybilla vertret- ten/ so hat aber der Allwissende GOtt durch seine unergründ- liche Urthel solche Prophezeyung bey uns verächtlich gelassen/ zweiffelsohne/ damit desto mehr seine genaue Gerechtigkeit ih- ren Lauff gewinne. Wunderseltsam ist doch/ was etliche Glaub- würdige haben ausgesagt/ aus denen einer in seinem Sterb- stündlein/ durch ernstliches Befragen deß Beichtvatters/ hoch betheuret/ und auf solche Zeugnus auch zu sterben begehret/ wie daß er neben einen andern/ gewissen Geschäfften halber seye gewest/ in dem nechst an Wienn entlegenen Flecken Herrnals/ und sich allda wider seinen Willen etwas verweilet/ daß er al- so von der Nacht überfallen/ den Rückweg muste in der Finstern nehmen/ gleichwol aber der bleiche Monschein/ so dazumal in vollem Liecht ware/ verwandelte die Nacht in einen hellen Tag/ und konnte er alles so augenscheinlich abnehmen/ daß er ihme auch einen Brieff zu lesen getraute; da habe er gehört/ seye auch deßhalben lang still gestanden/ an einen wolbekanten Feld-Platz eine klägliche Music/ also/ daß vielerley traurige Stimmen untereinander gantz kläglich intonirten und wiederholten fol- gende Wort: Placebo Domino in Regione Vivorum: Wel- che Wort sonst die Catholische Kirch in den Leichbegängnussen zu singen pfleget; und sieh! nicht lang hernach hat die Pest eingerissen/ und hat man unbewust alles dessen/ an demselbi- gen Ort/ wo solche Klag-Music gehört worden/ eine Gru- ben
Mercks Wienn. Daher gehoͤret auch diß/ ſo man bey naͤchtlicher Weil ein Wei-nen und Wehklagen hoͤret/ welches an vielen Orten der glaubi- ge Poͤbel die Klag/ in dem Saltzburgerland aber die gemeine Leut den Todt und die Toͤdtin nennen/ die Erfahrnus gibts/ daß dergleichen Ding/ es ſey was es wolle/ einen Sterben an- ſagen/ wie Andreas Gallus tract. de peſt. faſc. 3. Meldung thut. Deßgleichen hat man auch beobacht/ wann die kleine ſpielende Kinder auf der Gaſſen neben ihren Stecken-reiten/ und Haͤuſel-bauen/ zuweilen Leich-Begaͤngnus und Leich-Pro- ceſſion fuͤhren/ daß ſolche Kinderſpiel gemeiniglich ein Trauer- ſpiel vorgebildet/ dem man kein gewiſſe Urſach/ ſondern nur die Erfahrnus beymeſſet; Von dergleichen weiß man allhier nichts zu ſchreiben noch ſchreyen/ auch hat ſich kein Prophet angemeldt/ der dieſes ankommende Ubel haͤtte verrathen/ ob zwar das be- nachbarte Koͤnigreich Ungarn/ ſo ſtarck mit dieſer wuͤrckli- chen Seuch angeſteckt war/ die Stell einer Sybilla vertret- ten/ ſo hat aber der Allwiſſende GOtt durch ſeine unergruͤnd- liche Urthel ſolche Prophezeyung bey uns veraͤchtlich gelaſſen/ zweiffelsohne/ damit deſto mehr ſeine genaue Gerechtigkeit ih- ren Lauff gewinne. Wunderſeltſam iſt doch/ was etliche Glaub- wuͤrdige haben ausgeſagt/ aus denen einer in ſeinem Sterb- ſtuͤndlein/ durch ernſtliches Befragen deß Beichtvatters/ hoch betheuret/ und auf ſolche Zeugnus auch zu ſterben begehret/ wie daß er neben einen andern/ gewiſſen Geſchaͤfften halber ſeye geweſt/ in dem nechſt an Wienn entlegenen Flecken Herꝛnals/ und ſich allda wider ſeinen Willen etwas verweilet/ daß er al- ſo von der Nacht uͤberfallen/ den Ruͤckweg muſte in der Finſtern nehmen/ gleichwol aber der bleiche Monſchein/ ſo dazumal in vollem Liecht ware/ verwandelte die Nacht in einen hellen Tag/ und konnte er alles ſo augenſcheinlich abnehmen/ daß er ihme auch einen Brieff zu leſen getraute; da habe er gehoͤrt/ ſeye auch deßhalben lang ſtill geſtanden/ an einen wolbekanten Feld-Platz eine klaͤgliche Muſic/ alſo/ daß vielerley traurige Stimmen untereinander gantz klaͤglich intonirten und wiederholten fol- gende Wort: Placebo Domino in Regione Vivorum: Wel- che Wort ſonſt die Catholiſche Kirch in den Leichbegaͤngnuſſen zu ſingen pfleget; und ſieh! nicht lang hernach hat die Peſt eingeriſſen/ und hat man unbewuſt alles deſſen/ an demſelbi- gen Ort/ wo ſolche Klag-Muſic gehoͤrt worden/ eine Gru- ben
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0032" n="22"/><fw place="top" type="header">Mercks Wienn.</fw><lb/> Daher gehoͤret auch diß/ ſo man bey naͤchtlicher Weil ein Wei-<lb/> nen und Wehklagen hoͤret/ welches an vielen Orten der glaubi-<lb/> ge Poͤbel die Klag/ in dem Saltzburgerland aber die gemeine<lb/> Leut den Todt und die Toͤdtin nennen/ die Erfahrnus gibts/ daß<lb/> dergleichen Ding/ es ſey was es wolle/ einen Sterben an-<lb/> ſagen/ wie <hi rendition="#aq">Andreas Gallus tract. de peſt. faſc.</hi> 3. Meldung<lb/> thut. Deßgleichen hat man auch beobacht/ wann die kleine<lb/> ſpielende Kinder auf der Gaſſen neben ihren Stecken-reiten/<lb/> und Haͤuſel-bauen/ zuweilen Leich-Begaͤngnus und Leich-Pro-<lb/> ceſſion fuͤhren/ daß ſolche Kinderſpiel gemeiniglich ein Trauer-<lb/> ſpiel vorgebildet/ dem man kein gewiſſe Urſach/ ſondern nur die<lb/> Erfahrnus beymeſſet; Von dergleichen weiß man allhier nichts<lb/> zu ſchreiben noch ſchreyen/ auch hat ſich kein Prophet angemeldt/<lb/> der dieſes ankommende Ubel haͤtte verrathen/ ob zwar das be-<lb/> nachbarte Koͤnigreich Ungarn/ ſo ſtarck mit dieſer wuͤrckli-<lb/> chen Seuch angeſteckt war/ die Stell einer Sybilla vertret-<lb/> ten/ ſo hat aber der Allwiſſende GOtt durch ſeine unergruͤnd-<lb/> liche Urthel ſolche Prophezeyung bey uns veraͤchtlich gelaſſen/<lb/> zweiffelsohne/ damit deſto mehr ſeine genaue Gerechtigkeit ih-<lb/> ren Lauff gewinne. Wunderſeltſam iſt doch/ was etliche Glaub-<lb/> wuͤrdige haben ausgeſagt/ aus denen einer in ſeinem Sterb-<lb/> ſtuͤndlein/ durch ernſtliches Befragen deß Beichtvatters/ hoch<lb/> betheuret/ und auf ſolche Zeugnus auch zu ſterben begehret/<lb/> wie daß er neben einen andern/ gewiſſen Geſchaͤfften halber ſeye<lb/> geweſt/ in dem nechſt an Wienn entlegenen Flecken Herꝛnals/<lb/> und ſich allda wider ſeinen Willen etwas verweilet/ daß er al-<lb/> ſo von der Nacht uͤberfallen/ den Ruͤckweg muſte in der Finſtern<lb/> nehmen/ gleichwol aber der bleiche Monſchein/ ſo dazumal in<lb/> vollem Liecht ware/ verwandelte die Nacht in einen hellen Tag/<lb/> und konnte er alles ſo augenſcheinlich abnehmen/ daß er ihme<lb/> auch einen Brieff zu leſen getraute; da habe er gehoͤrt/ ſeye auch<lb/> deßhalben lang ſtill geſtanden/ an einen wolbekanten Feld-Platz<lb/> eine klaͤgliche Muſic/ alſo/ daß vielerley traurige Stimmen<lb/> untereinander gantz klaͤglich <hi rendition="#aq">intoni</hi>rten und wiederholten fol-<lb/> gende Wort: <hi rendition="#aq">Placebo Domino in Regione Vivorum:</hi> Wel-<lb/> che Wort ſonſt die Catholiſche Kirch in den Leichbegaͤngnuſſen<lb/> zu ſingen pfleget; und ſieh! nicht lang hernach hat die Peſt<lb/> eingeriſſen/ und hat man unbewuſt alles deſſen/ an demſelbi-<lb/> gen Ort/ wo ſolche Klag-Muſic gehoͤrt worden/ eine Gru-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ben</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [22/0032]
Mercks Wienn.
Daher gehoͤret auch diß/ ſo man bey naͤchtlicher Weil ein Wei-
nen und Wehklagen hoͤret/ welches an vielen Orten der glaubi-
ge Poͤbel die Klag/ in dem Saltzburgerland aber die gemeine
Leut den Todt und die Toͤdtin nennen/ die Erfahrnus gibts/ daß
dergleichen Ding/ es ſey was es wolle/ einen Sterben an-
ſagen/ wie Andreas Gallus tract. de peſt. faſc. 3. Meldung
thut. Deßgleichen hat man auch beobacht/ wann die kleine
ſpielende Kinder auf der Gaſſen neben ihren Stecken-reiten/
und Haͤuſel-bauen/ zuweilen Leich-Begaͤngnus und Leich-Pro-
ceſſion fuͤhren/ daß ſolche Kinderſpiel gemeiniglich ein Trauer-
ſpiel vorgebildet/ dem man kein gewiſſe Urſach/ ſondern nur die
Erfahrnus beymeſſet; Von dergleichen weiß man allhier nichts
zu ſchreiben noch ſchreyen/ auch hat ſich kein Prophet angemeldt/
der dieſes ankommende Ubel haͤtte verrathen/ ob zwar das be-
nachbarte Koͤnigreich Ungarn/ ſo ſtarck mit dieſer wuͤrckli-
chen Seuch angeſteckt war/ die Stell einer Sybilla vertret-
ten/ ſo hat aber der Allwiſſende GOtt durch ſeine unergruͤnd-
liche Urthel ſolche Prophezeyung bey uns veraͤchtlich gelaſſen/
zweiffelsohne/ damit deſto mehr ſeine genaue Gerechtigkeit ih-
ren Lauff gewinne. Wunderſeltſam iſt doch/ was etliche Glaub-
wuͤrdige haben ausgeſagt/ aus denen einer in ſeinem Sterb-
ſtuͤndlein/ durch ernſtliches Befragen deß Beichtvatters/ hoch
betheuret/ und auf ſolche Zeugnus auch zu ſterben begehret/
wie daß er neben einen andern/ gewiſſen Geſchaͤfften halber ſeye
geweſt/ in dem nechſt an Wienn entlegenen Flecken Herꝛnals/
und ſich allda wider ſeinen Willen etwas verweilet/ daß er al-
ſo von der Nacht uͤberfallen/ den Ruͤckweg muſte in der Finſtern
nehmen/ gleichwol aber der bleiche Monſchein/ ſo dazumal in
vollem Liecht ware/ verwandelte die Nacht in einen hellen Tag/
und konnte er alles ſo augenſcheinlich abnehmen/ daß er ihme
auch einen Brieff zu leſen getraute; da habe er gehoͤrt/ ſeye auch
deßhalben lang ſtill geſtanden/ an einen wolbekanten Feld-Platz
eine klaͤgliche Muſic/ alſo/ daß vielerley traurige Stimmen
untereinander gantz klaͤglich intonirten und wiederholten fol-
gende Wort: Placebo Domino in Regione Vivorum: Wel-
che Wort ſonſt die Catholiſche Kirch in den Leichbegaͤngnuſſen
zu ſingen pfleget; und ſieh! nicht lang hernach hat die Peſt
eingeriſſen/ und hat man unbewuſt alles deſſen/ an demſelbi-
gen Ort/ wo ſolche Klag-Muſic gehoͤrt worden/ eine Gru-
ben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680/32 |
Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Mercks Wienn/ Das ist : Deß wütenden Todts Ein umständige Beschreibung. Wien, 1680, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_mercks_1680/32>, abgerufen am 05.06.2023. |