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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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es sey uns diese fremde Weisheit überflüssig, denn,
sagt er, "wir haben kürzlich ein bürgerliches Ge-
setzbuch in Oesterreich erhalten, welches dem Französi-
schen wenigstens an die Seite gesetzt werden kann
und für uns den Vorzug hat, ohne alle weitere Vor-
bereitung in ganz Deutschland anwendbar zu seyn."
Sein Rath geht dahin, daß dieses Gesetzbuch augen-
blicklich angenommen, und dann den Regierungen
überlassen werde, ihre Vorschläge einzelner Abände-
rungen einer Gesetzcommission vorzulegen. Diese An-
sicht scheint mir schon aus sich selbst und ohne Prü-
fung des innern Werthes der Gesetzbücher widerlegt
werden zu können: denn wenn es wahr wäre, daß
der Code vortrefflich und mit geringen Modificatio-
nen eine Wohlthat, das sehr verschiedene Oesterrei-
chische Gesetzbuch aber auch vortrefflich, ja noch besser
und völlig anwendbar wäre, so müßte den Gesetz-
büchern überhaupt eine völlig fabrikmäßige Vortreff-
lichkeit zugeschrieben werden, und es wäre unmög-
lich, sie für etwas großes und höchst wünschenswer-
thes zu halten.


es ſey uns dieſe fremde Weisheit überflüſſig, denn,
ſagt er, „wir haben kürzlich ein bürgerliches Ge-
ſetzbuch in Oeſterreich erhalten, welches dem Franzöſi-
ſchen wenigſtens an die Seite geſetzt werden kann
und für uns den Vorzug hat, ohne alle weitere Vor-
bereitung in ganz Deutſchland anwendbar zu ſeyn.“
Sein Rath geht dahin, daß dieſes Geſetzbuch augen-
blicklich angenommen, und dann den Regierungen
überlaſſen werde, ihre Vorſchläge einzelner Abände-
rungen einer Geſetzcommiſſion vorzulegen. Dieſe An-
ſicht ſcheint mir ſchon aus ſich ſelbſt und ohne Prü-
fung des innern Werthes der Geſetzbücher widerlegt
werden zu können: denn wenn es wahr wäre, daß
der Code vortrefflich und mit geringen Modificatio-
nen eine Wohlthat, das ſehr verſchiedene Oeſterrei-
chiſche Geſetzbuch aber auch vortrefflich, ja noch beſſer
und völlig anwendbar wäre, ſo müßte den Geſetz-
büchern überhaupt eine völlig fabrikmäßige Vortreff-
lichkeit zugeſchrieben werden, und es wäre unmög-
lich, ſie für etwas großes und höchſt wünſchenswer-
thes zu halten.


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[110/0120] es ſey uns dieſe fremde Weisheit überflüſſig, denn, ſagt er, „wir haben kürzlich ein bürgerliches Ge- ſetzbuch in Oeſterreich erhalten, welches dem Franzöſi- ſchen wenigſtens an die Seite geſetzt werden kann und für uns den Vorzug hat, ohne alle weitere Vor- bereitung in ganz Deutſchland anwendbar zu ſeyn.“ Sein Rath geht dahin, daß dieſes Geſetzbuch augen- blicklich angenommen, und dann den Regierungen überlaſſen werde, ihre Vorſchläge einzelner Abände- rungen einer Geſetzcommiſſion vorzulegen. Dieſe An- ſicht ſcheint mir ſchon aus ſich ſelbſt und ohne Prü- fung des innern Werthes der Geſetzbücher widerlegt werden zu können: denn wenn es wahr wäre, daß der Code vortrefflich und mit geringen Modificatio- nen eine Wohlthat, das ſehr verſchiedene Oeſterrei- chiſche Geſetzbuch aber auch vortrefflich, ja noch beſſer und völlig anwendbar wäre, ſo müßte den Geſetz- büchern überhaupt eine völlig fabrikmäßige Vortreff- lichkeit zugeſchrieben werden, und es wäre unmög- lich, ſie für etwas großes und höchſt wünſchenswer- thes zu halten.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/120>, abgerufen am 24.04.2024.