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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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kennen, warum wollen wir uns nicht dasselbe gefal-
len lassen, wo von Bildung des Staates und des
Rechts die Rede ist?

Sehen wir auf die Erwartungen der Nichtjuri-
sten von einem Gesetzbuch, so sind diese sehr verschie-
den nach den verschiedenen Gegenständen des Rechts,
und auch hierin zeigt sich das zweyfache Element
alles Rechts, welches ich oben das politische und das
technische genannt habe. An einigen Gegenständen
nehmen sie unmittelbar lebhaften Antheil, andere wer-
den als gleichgültig der juristischen Technik allein
überlassen: jenes ist mehr im Familienrecht, dieses
mehr im Vermögensrecht der Fall, am meisten in
den allgemeinen Grundlagen desselben 1). Wir wol-
len als Repräsentanten dieser verschiedenartigen Gegen-
stände die Ehe und das Eigenthum wählen, was aber
von ihnen gesagt werden wird, soll zugleich für die
ganze Classe gelten, wozu sie gehören.

Die Ehe gehört nur zur Hälfte dem Rechte
an, zur Hälfte aber der Sitte, und jedes Ehe-
recht ist unverständlich, welches nicht in Verbin-
dung mit dieser seiner nothwendigen Ergänzung
betrachtet wird. Nun ist in neueren Zeiten aus

1) Die Discussionen des französischen Staatsraths über den
Code geben eine bequeme Uebersicht über das Verhältniß dieser
Theile: bey jenen konnten die Nichtjuristen kein Ende finden, von
diesen war oft gar nicht die Rede.

kennen, warum wollen wir uns nicht daſſelbe gefal-
len laſſen, wo von Bildung des Staates und des
Rechts die Rede iſt?

Sehen wir auf die Erwartungen der Nichtjuri-
ſten von einem Geſetzbuch, ſo ſind dieſe ſehr verſchie-
den nach den verſchiedenen Gegenſtänden des Rechts,
und auch hierin zeigt ſich das zweyfache Element
alles Rechts, welches ich oben das politiſche und das
techniſche genannt habe. An einigen Gegenſtänden
nehmen ſie unmittelbar lebhaften Antheil, andere wer-
den als gleichgültig der juriſtiſchen Technik allein
überlaſſen: jenes iſt mehr im Familienrecht, dieſes
mehr im Vermögensrecht der Fall, am meiſten in
den allgemeinen Grundlagen deſſelben 1). Wir wol-
len als Repräſentanten dieſer verſchiedenartigen Gegen-
ſtände die Ehe und das Eigenthum wählen, was aber
von ihnen geſagt werden wird, ſoll zugleich für die
ganze Claſſe gelten, wozu ſie gehören.

Die Ehe gehört nur zur Hälfte dem Rechte
an, zur Hälfte aber der Sitte, und jedes Ehe-
recht iſt unverſtändlich, welches nicht in Verbin-
dung mit dieſer ſeiner nothwendigen Ergänzung
betrachtet wird. Nun iſt in neueren Zeiten aus

1) Die Discuſſionen des franzöſiſchen Staatsraths über den
Code geben eine bequeme Ueberſicht über das Verhältniß dieſer
Theile: bey jenen konnten die Nichtjuriſten kein Ende finden, von
dieſen war oft gar nicht die Rede.
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[46/0056] kennen, warum wollen wir uns nicht daſſelbe gefal- len laſſen, wo von Bildung des Staates und des Rechts die Rede iſt? Sehen wir auf die Erwartungen der Nichtjuri- ſten von einem Geſetzbuch, ſo ſind dieſe ſehr verſchie- den nach den verſchiedenen Gegenſtänden des Rechts, und auch hierin zeigt ſich das zweyfache Element alles Rechts, welches ich oben das politiſche und das techniſche genannt habe. An einigen Gegenſtänden nehmen ſie unmittelbar lebhaften Antheil, andere wer- den als gleichgültig der juriſtiſchen Technik allein überlaſſen: jenes iſt mehr im Familienrecht, dieſes mehr im Vermögensrecht der Fall, am meiſten in den allgemeinen Grundlagen deſſelben 1). Wir wol- len als Repräſentanten dieſer verſchiedenartigen Gegen- ſtände die Ehe und das Eigenthum wählen, was aber von ihnen geſagt werden wird, ſoll zugleich für die ganze Claſſe gelten, wozu ſie gehören. Die Ehe gehört nur zur Hälfte dem Rechte an, zur Hälfte aber der Sitte, und jedes Ehe- recht iſt unverſtändlich, welches nicht in Verbin- dung mit dieſer ſeiner nothwendigen Ergänzung betrachtet wird. Nun iſt in neueren Zeiten aus 1) Die Discuſſionen des franzöſiſchen Staatsraths über den Code geben eine bequeme Ueberſicht über das Verhältniß dieſer Theile: bey jenen konnten die Nichtjuriſten kein Ende finden, von dieſen war oft gar nicht die Rede.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/56>, abgerufen am 29.03.2024.