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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
Fällen aber wäre das Restitutionsjahr mit der einjähri-
gen Klagverjährung völlig zusammen gefallen, da beide
von der Zeit der erlangten Kenntniß an gerechnet werden
mußten. Dagegen ist es sehr wichtig sich davon zu über-
zeugen, daß nicht noch neben jenen strengen Bedingungen
der Ausnahme, also in Ermanglung derselben, eine Resti-
tution gegen die einjährige Klagverjährung blos auf den
Grund des (nicht unüberwindlichen) Irrthums statt finden
konnte. Wer die angeführten Stellen unbefangen betrach-
tet, kann wohl nicht an eine solche Restitution denken;
ohnehin wäre die Unterscheidung einer solchen Restitution
von der ohne dieselbe eintretenden günstigen Berechnung
viel zu kleinlich und unpraktisch gewesen, als daß wir sie
bey den Römischen Juristen voraussetzen dürften.

Allein alles hier Gesagte darf blos auf die Fälle be-
zogen werden, worin der Irrthum allein, als solcher, die
Anstellung der Klage verhindert. Anders ist es, wenn
man den Beklagten nicht kennt, oder nicht verklagen kann
weil derselbe entflohen oder verborgen ist. Denn nun ist
eine vom Irrthum ganz unabhängige wahre Unmöglichkeit
der Klage vorhanden, die den Lauf des utile tempus an
sich ausschließt (o).


(o) L. 1 de div. temp. praescr.
(44. 3.). So z. B. ist die actio
vi bonorum raptorum
einjährig
(L. 3. 4 pr. vi bon. rapt. 47. 8.).
Sind die Räuber entflohen, so
läuft keine Verjährung. Eben so
wäre es mit der actio furti, wenn
man, wie gewöhnlich, gar nicht
weiß wer der Dieb ist; allein da-
von kann deswegen nicht die Rede
seyn, weil diese Klage 30 Jahre
dauert.
III. 27

Irrthum und Unwiſſenheit.
Fällen aber wäre das Reſtitutionsjahr mit der einjähri-
gen Klagverjährung völlig zuſammen gefallen, da beide
von der Zeit der erlangten Kenntniß an gerechnet werden
mußten. Dagegen iſt es ſehr wichtig ſich davon zu über-
zeugen, daß nicht noch neben jenen ſtrengen Bedingungen
der Ausnahme, alſo in Ermanglung derſelben, eine Reſti-
tution gegen die einjährige Klagverjährung blos auf den
Grund des (nicht unüberwindlichen) Irrthums ſtatt finden
konnte. Wer die angeführten Stellen unbefangen betrach-
tet, kann wohl nicht an eine ſolche Reſtitution denken;
ohnehin wäre die Unterſcheidung einer ſolchen Reſtitution
von der ohne dieſelbe eintretenden günſtigen Berechnung
viel zu kleinlich und unpraktiſch geweſen, als daß wir ſie
bey den Römiſchen Juriſten vorausſetzen dürften.

Allein alles hier Geſagte darf blos auf die Fälle be-
zogen werden, worin der Irrthum allein, als ſolcher, die
Anſtellung der Klage verhindert. Anders iſt es, wenn
man den Beklagten nicht kennt, oder nicht verklagen kann
weil derſelbe entflohen oder verborgen iſt. Denn nun iſt
eine vom Irrthum ganz unabhängige wahre Unmöglichkeit
der Klage vorhanden, die den Lauf des utile tempus an
ſich ausſchließt (o).


(o) L. 1 de div. temp. praescr.
(44. 3.). So z. B. iſt die actio
vi bonorum raptorum
einjährig
(L. 3. 4 pr. vi bon. rapt. 47. 8.).
Sind die Räuber entflohen, ſo
läuft keine Verjährung. Eben ſo
wäre es mit der actio furti, wenn
man, wie gewöhnlich, gar nicht
weiß wer der Dieb iſt; allein da-
von kann deswegen nicht die Rede
ſeyn, weil dieſe Klage 30 Jahre
dauert.
III. 27
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[417/0429] Irrthum und Unwiſſenheit. Fällen aber wäre das Reſtitutionsjahr mit der einjähri- gen Klagverjährung völlig zuſammen gefallen, da beide von der Zeit der erlangten Kenntniß an gerechnet werden mußten. Dagegen iſt es ſehr wichtig ſich davon zu über- zeugen, daß nicht noch neben jenen ſtrengen Bedingungen der Ausnahme, alſo in Ermanglung derſelben, eine Reſti- tution gegen die einjährige Klagverjährung blos auf den Grund des (nicht unüberwindlichen) Irrthums ſtatt finden konnte. Wer die angeführten Stellen unbefangen betrach- tet, kann wohl nicht an eine ſolche Reſtitution denken; ohnehin wäre die Unterſcheidung einer ſolchen Reſtitution von der ohne dieſelbe eintretenden günſtigen Berechnung viel zu kleinlich und unpraktiſch geweſen, als daß wir ſie bey den Römiſchen Juriſten vorausſetzen dürften. Allein alles hier Geſagte darf blos auf die Fälle be- zogen werden, worin der Irrthum allein, als ſolcher, die Anſtellung der Klage verhindert. Anders iſt es, wenn man den Beklagten nicht kennt, oder nicht verklagen kann weil derſelbe entflohen oder verborgen iſt. Denn nun iſt eine vom Irrthum ganz unabhängige wahre Unmöglichkeit der Klage vorhanden, die den Lauf des utile tempus an ſich ausſchließt (o). (o) L. 1 de div. temp. praescr. (44. 3.). So z. B. iſt die actio vi bonorum raptorum einjährig (L. 3. 4 pr. vi bon. rapt. 47. 8.). Sind die Räuber entflohen, ſo läuft keine Verjährung. Eben ſo wäre es mit der actio furti, wenn man, wie gewöhnlich, gar nicht weiß wer der Dieb iſt; allein da- von kann deswegen nicht die Rede ſeyn, weil dieſe Klage 30 Jahre dauert. III. 27

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/429>, abgerufen am 04.05.2024.