Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VIII.
Unterschied machen kann, ob es bey dem Geber ein facti-
scher oder ein Rechtsirrthum war. Dann aber muß con-
sequenterweise auch für den Fall, wo nicht sogleich Geld
gegeben, sondern erst eine Obligation contrahirt war (in-
debita obligatio
) (f), dem Schuldner die condictio inde-
biti
gestattet werden. Ja wollte man sie versagen, so
würde ihm wenigstens die doli actio eingeräumt werden
müssen, worin aber eine noch härtere Behandlung des
Gegners liegen würde. Dasselbe aber, was hier vom Do-
lus behauptet worden ist, muß gewiß auch gelten in den
ausgenommenen Fällen, worin selbst das wissentlich Ge-
zahlte mit der Condiction zurückgefordert werden kann, wie
bey der Spielschuld, der nicht insinuirten großen Schen-
kung, und den wucherlichen Zinsen; denn da, wo selbst
das Bewußtseyn des Zahlenden die Condiction nicht hin-
dert, kann um so weniger der etwa vorhandene Rechts-
irrthum im Wege stehen, indem hier überhaupt nicht der
Irrthum das entscheidende Moment ist, sondern die durch-
greifende Handhabung absoluter Rechtsregeln. -- Endlich
aber wird jener Satz auch nicht gelten können zum Nach-
theil solcher Personen, denen im Allgemeinen jeder Rechts-
irrthum nachgesehen wird. Dieses ist unstreitig der Fall
bey den Minderjährigen (Num. XXX.). Im früheren
Recht war es eben so bey den Frauen; im Justinianischen
Recht ist nur noch als einzelne Ausnahme der Fall übrig,
wenn eine Frau aus Unbekanntschaft mit dem Sc. Velle-

(f) L. 5 § 1 de act. emti (19. 1.), L. 51 pr. de pactis (2. 14.).

Beylage VIII.
Unterſchied machen kann, ob es bey dem Geber ein facti-
ſcher oder ein Rechtsirrthum war. Dann aber muß con-
ſequenterweiſe auch für den Fall, wo nicht ſogleich Geld
gegeben, ſondern erſt eine Obligation contrahirt war (in-
debita obligatio
) (f), dem Schuldner die condictio inde-
biti
geſtattet werden. Ja wollte man ſie verſagen, ſo
würde ihm wenigſtens die doli actio eingeräumt werden
müſſen, worin aber eine noch härtere Behandlung des
Gegners liegen würde. Daſſelbe aber, was hier vom Do-
lus behauptet worden iſt, muß gewiß auch gelten in den
ausgenommenen Fällen, worin ſelbſt das wiſſentlich Ge-
zahlte mit der Condiction zurückgefordert werden kann, wie
bey der Spielſchuld, der nicht inſinuirten großen Schen-
kung, und den wucherlichen Zinſen; denn da, wo ſelbſt
das Bewußtſeyn des Zahlenden die Condiction nicht hin-
dert, kann um ſo weniger der etwa vorhandene Rechts-
irrthum im Wege ſtehen, indem hier überhaupt nicht der
Irrthum das entſcheidende Moment iſt, ſondern die durch-
greifende Handhabung abſoluter Rechtsregeln. — Endlich
aber wird jener Satz auch nicht gelten können zum Nach-
theil ſolcher Perſonen, denen im Allgemeinen jeder Rechts-
irrthum nachgeſehen wird. Dieſes iſt unſtreitig der Fall
bey den Minderjährigen (Num. XXX.). Im früheren
Recht war es eben ſo bey den Frauen; im Juſtinianiſchen
Recht iſt nur noch als einzelne Ausnahme der Fall übrig,
wenn eine Frau aus Unbekanntſchaft mit dem Sc. Velle-

(f) L. 5 § 1 de act. emti (19. 1.), L. 51 pr. de pactis (2. 14.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0462" n="450"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/>
Unter&#x017F;chied machen kann, ob es bey dem Geber ein facti-<lb/>
&#x017F;cher oder ein Rechtsirrthum war. Dann aber muß con-<lb/>
&#x017F;equenterwei&#x017F;e auch für den Fall, wo nicht &#x017F;ogleich Geld<lb/>
gegeben, &#x017F;ondern er&#x017F;t eine Obligation contrahirt war (<hi rendition="#aq">in-<lb/>
debita obligatio</hi>) <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 5 § 1 <hi rendition="#i">de act. emti</hi> (19. 1.), <hi rendition="#i">L.</hi> 51 <hi rendition="#i">pr. de pactis</hi></hi> (2. 14.).</note>, dem Schuldner die <hi rendition="#aq">condictio inde-<lb/>
biti</hi> ge&#x017F;tattet werden. Ja wollte man &#x017F;ie ver&#x017F;agen, &#x017F;o<lb/>
würde ihm wenig&#x017F;tens die <hi rendition="#aq">doli actio</hi> eingeräumt werden<lb/>&#x017F;&#x017F;en, worin aber eine noch härtere Behandlung des<lb/>
Gegners liegen würde. Da&#x017F;&#x017F;elbe aber, was hier vom Do-<lb/>
lus behauptet worden i&#x017F;t, muß gewiß auch gelten in den<lb/>
ausgenommenen Fällen, worin &#x017F;elb&#x017F;t das wi&#x017F;&#x017F;entlich Ge-<lb/>
zahlte mit der Condiction zurückgefordert werden kann, wie<lb/>
bey der Spiel&#x017F;chuld, der nicht in&#x017F;inuirten großen Schen-<lb/>
kung, und den wucherlichen Zin&#x017F;en; denn da, wo &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
das Bewußt&#x017F;eyn des Zahlenden die Condiction nicht hin-<lb/>
dert, kann um &#x017F;o weniger der etwa vorhandene Rechts-<lb/>
irrthum im Wege &#x017F;tehen, indem hier überhaupt nicht der<lb/>
Irrthum das ent&#x017F;cheidende Moment i&#x017F;t, &#x017F;ondern die durch-<lb/>
greifende Handhabung ab&#x017F;oluter Rechtsregeln. &#x2014; Endlich<lb/>
aber wird jener Satz auch nicht gelten können zum Nach-<lb/>
theil &#x017F;olcher Per&#x017F;onen, denen im Allgemeinen jeder Rechts-<lb/>
irrthum nachge&#x017F;ehen wird. Die&#x017F;es i&#x017F;t un&#x017F;treitig der Fall<lb/>
bey den Minderjährigen (Num. <hi rendition="#aq">XXX.</hi>). Im früheren<lb/>
Recht war es eben &#x017F;o bey den Frauen; im Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen<lb/>
Recht i&#x017F;t nur noch als einzelne Ausnahme der Fall übrig,<lb/>
wenn eine Frau aus Unbekannt&#x017F;chaft mit dem <hi rendition="#aq">Sc. Velle-</hi><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[450/0462] Beylage VIII. Unterſchied machen kann, ob es bey dem Geber ein facti- ſcher oder ein Rechtsirrthum war. Dann aber muß con- ſequenterweiſe auch für den Fall, wo nicht ſogleich Geld gegeben, ſondern erſt eine Obligation contrahirt war (in- debita obligatio) (f), dem Schuldner die condictio inde- biti geſtattet werden. Ja wollte man ſie verſagen, ſo würde ihm wenigſtens die doli actio eingeräumt werden müſſen, worin aber eine noch härtere Behandlung des Gegners liegen würde. Daſſelbe aber, was hier vom Do- lus behauptet worden iſt, muß gewiß auch gelten in den ausgenommenen Fällen, worin ſelbſt das wiſſentlich Ge- zahlte mit der Condiction zurückgefordert werden kann, wie bey der Spielſchuld, der nicht inſinuirten großen Schen- kung, und den wucherlichen Zinſen; denn da, wo ſelbſt das Bewußtſeyn des Zahlenden die Condiction nicht hin- dert, kann um ſo weniger der etwa vorhandene Rechts- irrthum im Wege ſtehen, indem hier überhaupt nicht der Irrthum das entſcheidende Moment iſt, ſondern die durch- greifende Handhabung abſoluter Rechtsregeln. — Endlich aber wird jener Satz auch nicht gelten können zum Nach- theil ſolcher Perſonen, denen im Allgemeinen jeder Rechts- irrthum nachgeſehen wird. Dieſes iſt unſtreitig der Fall bey den Minderjährigen (Num. XXX.). Im früheren Recht war es eben ſo bey den Frauen; im Juſtinianiſchen Recht iſt nur noch als einzelne Ausnahme der Fall übrig, wenn eine Frau aus Unbekanntſchaft mit dem Sc. Velle- (f) L. 5 § 1 de act. emti (19. 1.), L. 51 pr. de pactis (2. 14.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/462
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/462>, abgerufen am 28.04.2024.