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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
anzunehmen, wenn er Gründe der Weigerung angiebt,
wodurch die Voraussetzung eines rechtswidrigen Willens,
eines Unrechts mit Bewußtseyn, ausgeschlossen wird (d).
Wer also die Schuld bestreitet, weil er seine eigene obli-
gatorische Handlung nicht mehr zu wissen behauptet, wird
dem Vorwurf der Mora nicht entgehen; anders wenn ein
Erbe die Handlungen seines Erblassers bezweifelt, oder
wenn die Klage durch eine Exception bestritten wird (e).
Durch diese Unterscheidungen wird die oben behauptete
Verwandtschaft der Mora mit der mala fides bestätigt. Bei
persönlichen Klagen kann man allgemein annehmen, daß
jede frivole (mit dem Bewußtseyn des Unrechts vorgenom-
mene) Prozeßführung des Beklagten stets eine Mora vor-
aussetzt, oder wenigstens jetzt begründet.

Man kann daher behaupten, daß nicht leicht gerade
durch die L. C. eine Mora begründet werden wird, son-
dern daß sie meist entweder früher vorhanden ist, oder
später anfängt, im äußersten Fall freilich mit dem rechts-
kräftigen Urtheil. Selbst in dem seltenen Fall, wenn der

(d) L. 63 de R. J. (50. 17)
"Qui sine dolo malo ad judi-
cium provocat, non videtur
moram facere." L. 24 pr. de
usur.
(22. 1) "... utique si juste
ad judicium provocavit."
Das
heißt nicht: wenn er am Ende
Recht behält, und daher freige-
sprochen wird, sondern es ist gleich-
bedeutend mit dem vorhergehenden
sine dolo malo, und drückt den
Gegensatz des frivolen Rechts-
streits aus. Eben so L. 82 § 1
de V. O. (45. 1) "Et hic moram
videtur fecisse, qui litigare
maluit quam restituere,"
d. h.
der es aus reiner Willkühr, ohne
scheinbaren Grund, auf den Pro-
zeß ankommen läßt. (Vgl. unten
Note g und § 273. k). L. 47
de usur.
(22. 1).
(e) L. 42 de R. J. (50. 17),
L. 21 de usur.
(22. 1).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
anzunehmen, wenn er Gründe der Weigerung angiebt,
wodurch die Vorausſetzung eines rechtswidrigen Willens,
eines Unrechts mit Bewußtſeyn, ausgeſchloſſen wird (d).
Wer alſo die Schuld beſtreitet, weil er ſeine eigene obli-
gatoriſche Handlung nicht mehr zu wiſſen behauptet, wird
dem Vorwurf der Mora nicht entgehen; anders wenn ein
Erbe die Handlungen ſeines Erblaſſers bezweifelt, oder
wenn die Klage durch eine Exception beſtritten wird (e).
Durch dieſe Unterſcheidungen wird die oben behauptete
Verwandtſchaft der Mora mit der mala fides beſtätigt. Bei
perſönlichen Klagen kann man allgemein annehmen, daß
jede frivole (mit dem Bewußtſeyn des Unrechts vorgenom-
mene) Prozeßführung des Beklagten ſtets eine Mora vor-
ausſetzt, oder wenigſtens jetzt begründet.

Man kann daher behaupten, daß nicht leicht gerade
durch die L. C. eine Mora begründet werden wird, ſon-
dern daß ſie meiſt entweder früher vorhanden iſt, oder
ſpäter anfängt, im äußerſten Fall freilich mit dem rechts-
kräftigen Urtheil. Selbſt in dem ſeltenen Fall, wenn der

(d) L. 63 de R. J. (50. 17)
„Qui sine dolo malo ad judi-
cium provocat, non videtur
moram facere.“ L. 24 pr. de
usur.
(22. 1) „… utique si juste
ad judicium provocavit.“
Das
heißt nicht: wenn er am Ende
Recht behält, und daher freige-
ſprochen wird, ſondern es iſt gleich-
bedeutend mit dem vorhergehenden
sine dolo malo, und drückt den
Gegenſatz des frivolen Rechts-
ſtreits aus. Eben ſo L. 82 § 1
de V. O. (45. 1) „Et hic moram
videtur fecisse, qui litigare
maluit quam restituere,“
d. h.
der es aus reiner Willkühr, ohne
ſcheinbaren Grund, auf den Pro-
zeß ankommen läßt. (Vgl. unten
Note g und § 273. k). L. 47
de usur.
(22. 1).
(e) L. 42 de R. J. (50. 17),
L. 21 de usur.
(22. 1).
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[82/0100] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. anzunehmen, wenn er Gründe der Weigerung angiebt, wodurch die Vorausſetzung eines rechtswidrigen Willens, eines Unrechts mit Bewußtſeyn, ausgeſchloſſen wird (d). Wer alſo die Schuld beſtreitet, weil er ſeine eigene obli- gatoriſche Handlung nicht mehr zu wiſſen behauptet, wird dem Vorwurf der Mora nicht entgehen; anders wenn ein Erbe die Handlungen ſeines Erblaſſers bezweifelt, oder wenn die Klage durch eine Exception beſtritten wird (e). Durch dieſe Unterſcheidungen wird die oben behauptete Verwandtſchaft der Mora mit der mala fides beſtätigt. Bei perſönlichen Klagen kann man allgemein annehmen, daß jede frivole (mit dem Bewußtſeyn des Unrechts vorgenom- mene) Prozeßführung des Beklagten ſtets eine Mora vor- ausſetzt, oder wenigſtens jetzt begründet. Man kann daher behaupten, daß nicht leicht gerade durch die L. C. eine Mora begründet werden wird, ſon- dern daß ſie meiſt entweder früher vorhanden iſt, oder ſpäter anfängt, im äußerſten Fall freilich mit dem rechts- kräftigen Urtheil. Selbſt in dem ſeltenen Fall, wenn der (d) L. 63 de R. J. (50. 17) „Qui sine dolo malo ad judi- cium provocat, non videtur moram facere.“ L. 24 pr. de usur. (22. 1) „… utique si juste ad judicium provocavit.“ Das heißt nicht: wenn er am Ende Recht behält, und daher freige- ſprochen wird, ſondern es iſt gleich- bedeutend mit dem vorhergehenden sine dolo malo, und drückt den Gegenſatz des frivolen Rechts- ſtreits aus. Eben ſo L. 82 § 1 de V. O. (45. 1) „Et hic moram videtur fecisse, qui litigare maluit quam restituere,“ d. h. der es aus reiner Willkühr, ohne ſcheinbaren Grund, auf den Pro- zeß ankommen läßt. (Vgl. unten Note g und § 273. k). L. 47 de usur. (22. 1). (e) L. 42 de R. J. (50. 17), L. 21 de usur. (22. 1).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/100>, abgerufen am 19.04.2024.