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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 264. Wirkung der L. C. -- Umfang. Einleitung.
mögliche Zustände in dem Bewußtseyn des Besitzers:
1. unredlicher Besitzer; dahin gehört jeder, dem die Klage
insinuirt ist; ferner jeder, der seinen Besitz aus einem ver-
schuldeten factischen Irrthum für rechtmäßig hält; endlich
jeder, der bei Erlangung des Besitzes an der Rechtmäßig-
keit zweifelt; 2) Besitzer, der es weiß, daß seine Pos-
session unrechtmäßig sey
(d. h. der wahre malae fidei
possessor);
3. betrüglicher Besitzer, d. h. der dolose zum
Besitz gelangt ist. Zu allen diesen kommt aber noch (als
eine ganz besondere Klasse) der Besitzer, der durch eine
strafbare Handlung zum Besitz gelangt ist (dd).

Alle diese Bestimmungen schließen sich in der Haupt-
sache (nur mit etwas subtileren Unterschieden) an die Auf-
fassung neuerer Romanisten an, welche gleichfalls die Fiction
einer mala fides auf den Anfang des Rechtsstreits grün-
den (ee). So wie bei diesen, hat auch im A. L. R. die
erwähnte Fiction keinen anderen Zweck, als einen Rechts-
grund abzugeben für die Verpflichtung des Beklagten, die
während des Rechtsstreits bezogenen Nutzungen (die omnis
causa
) heraus zu geben (ff). Die Aehnlichkeit der Auf-

terscheidungen sind denn auch in
das A. L. R., nicht zu dessen Vor-
theil, übergegangen: Th. 1 Tit. 7
§ 11--17. 222. 229. 239--242.
(dd) Simon S. 332 No. 12.
(ee) Wollte man noch etwa be-
zweifeln, daß Suarez mit der
von ihm fingirten mala fides
durchaus nicht etwas Neues ein-
zuführen vermeinte, sondern ledig-
lich an das damals bestehende R. R.
dachte, so würde dieser Zweifel
durch zwei andere von ihm her-
rührende Äußerungen gänzlich be-
seitigt werden. Kamptz Jahr-
bücher B. 41 S. 8. 9.
(ff) A. L. R. § 223--228, ver-
bunden mit § 222.
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§. 264. Wirkung der L. C. — Umfang. Einleitung.
mögliche Zuſtände in dem Bewußtſeyn des Beſitzers:
1. unredlicher Beſitzer; dahin gehört jeder, dem die Klage
inſinuirt iſt; ferner jeder, der ſeinen Beſitz aus einem ver-
ſchuldeten factiſchen Irrthum für rechtmäßig hält; endlich
jeder, der bei Erlangung des Beſitzes an der Rechtmäßig-
keit zweifelt; 2) Beſitzer, der es weiß, daß ſeine Poſ-
ſeſſion unrechtmäßig ſey
(d. h. der wahre malae fidei
possessor);
3. betrüglicher Beſitzer, d. h. der dolose zum
Beſitz gelangt iſt. Zu allen dieſen kommt aber noch (als
eine ganz beſondere Klaſſe) der Beſitzer, der durch eine
ſtrafbare Handlung zum Beſitz gelangt iſt (dd).

Alle dieſe Beſtimmungen ſchließen ſich in der Haupt-
ſache (nur mit etwas ſubtileren Unterſchieden) an die Auf-
faſſung neuerer Romaniſten an, welche gleichfalls die Fiction
einer mala fides auf den Anfang des Rechtsſtreits grün-
den (ee). So wie bei dieſen, hat auch im A. L. R. die
erwähnte Fiction keinen anderen Zweck, als einen Rechts-
grund abzugeben für die Verpflichtung des Beklagten, die
während des Rechtsſtreits bezogenen Nutzungen (die omnis
causa
) heraus zu geben (ff). Die Aehnlichkeit der Auf-

terſcheidungen ſind denn auch in
das A. L. R., nicht zu deſſen Vor-
theil, übergegangen: Th. 1 Tit. 7
§ 11—17. 222. 229. 239—242.
(dd) Simon S. 332 No. 12.
(ee) Wollte man noch etwa be-
zweifeln, daß Suarez mit der
von ihm fingirten mala fides
durchaus nicht etwas Neues ein-
zuführen vermeinte, ſondern ledig-
lich an das damals beſtehende R. R.
dachte, ſo würde dieſer Zweifel
durch zwei andere von ihm her-
rührende Äußerungen gänzlich be-
ſeitigt werden. Kamptz Jahr-
bücher B. 41 S. 8. 9.
(ff) A. L. R. § 223—228, ver-
bunden mit § 222.
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[99/0117] §. 264. Wirkung der L. C. — Umfang. Einleitung. mögliche Zuſtände in dem Bewußtſeyn des Beſitzers: 1. unredlicher Beſitzer; dahin gehört jeder, dem die Klage inſinuirt iſt; ferner jeder, der ſeinen Beſitz aus einem ver- ſchuldeten factiſchen Irrthum für rechtmäßig hält; endlich jeder, der bei Erlangung des Beſitzes an der Rechtmäßig- keit zweifelt; 2) Beſitzer, der es weiß, daß ſeine Poſ- ſeſſion unrechtmäßig ſey (d. h. der wahre malae fidei possessor); 3. betrüglicher Beſitzer, d. h. der dolose zum Beſitz gelangt iſt. Zu allen dieſen kommt aber noch (als eine ganz beſondere Klaſſe) der Beſitzer, der durch eine ſtrafbare Handlung zum Beſitz gelangt iſt (dd). Alle dieſe Beſtimmungen ſchließen ſich in der Haupt- ſache (nur mit etwas ſubtileren Unterſchieden) an die Auf- faſſung neuerer Romaniſten an, welche gleichfalls die Fiction einer mala fides auf den Anfang des Rechtsſtreits grün- den (ee). So wie bei dieſen, hat auch im A. L. R. die erwähnte Fiction keinen anderen Zweck, als einen Rechts- grund abzugeben für die Verpflichtung des Beklagten, die während des Rechtsſtreits bezogenen Nutzungen (die omnis causa) heraus zu geben (ff). Die Aehnlichkeit der Auf- (cc) (dd) Simon S. 332 No. 12. (ee) Wollte man noch etwa be- zweifeln, daß Suarez mit der von ihm fingirten mala fides durchaus nicht etwas Neues ein- zuführen vermeinte, ſondern ledig- lich an das damals beſtehende R. R. dachte, ſo würde dieſer Zweifel durch zwei andere von ihm her- rührende Äußerungen gänzlich be- ſeitigt werden. Kamptz Jahr- bücher B. 41 S. 8. 9. (ff) A. L. R. § 223—228, ver- bunden mit § 222. (cc) terſcheidungen ſind denn auch in das A. L. R., nicht zu deſſen Vor- theil, übergegangen: Th. 1 Tit. 7 § 11—17. 222. 229. 239—242. 7*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/117>, abgerufen am 25.04.2024.