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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.

Dem allgemeinen Begriff der Zinsen liegt zum Grunde
die Unterscheidung eines zweifachen im täglichen Verkehr
vorkommenden Werthes: des Sachwerthes (Eigenthums-
werthes) und des Gebrauchswerthes. Die Rechts-
geschäfte, worin beide vorzüglich zur Anschauung kommen,
sind der Kauf und der Miethsvertrag. Da der Gebrauchs-
werth auf einer fortgesetzten Thätigkeit der gebrauchenden
Person im Verhältniß zur Sache beruht, so hat er über-
haupt nur Bedeutung, in sofern ein durch diese Thätigkeit
erfüllter Zeitraum hinzugedacht wird.

Für den Gebrauchswerth wie für den Sachwerth, ist
ein Ersatz oder eine Vergütung möglich in der verschiedensten
und willkührlichsten Weise: durch eine Geldsumme, durch
Arbeit, durch den gegenseitigen Gebrauch anderer Sachen
u. s. w. Für die meisten Fälle solcher Art ist weder die
Möglichkeit noch das Bedürfniß einer gemeinsamen Be-
handlung und Regulirung vorhanden; ein solches Bedürfniß
findet sich nur bei einer Art von Sachen, deren eigenthüm-
liche Natur hier zunächst zu bestimmen ist.

Es sind dies diejenigen Sachen, deren Werth nach der
im Verkehr vorherrschenden Ansicht nicht auf ihrer Indivi-
dualität, sondern lediglich auf Zahl, Maaß oder Gewicht
innerhalb einer gewissen Gattung beruht, so daß bei gleichem
Umfange verschiedene Individuen derselben Gattung völlig
gleichgeltend sind. Die Römer bezeichnen diese Eigenthüm-
lichkeit durch den Ausdruck: res quae pondere, numero,
mensura continentur (consistunt),
welcher genau richtige

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.

Dem allgemeinen Begriff der Zinſen liegt zum Grunde
die Unterſcheidung eines zweifachen im täglichen Verkehr
vorkommenden Werthes: des Sachwerthes (Eigenthums-
werthes) und des Gebrauchswerthes. Die Rechts-
geſchäfte, worin beide vorzüglich zur Anſchauung kommen,
ſind der Kauf und der Miethsvertrag. Da der Gebrauchs-
werth auf einer fortgeſetzten Thätigkeit der gebrauchenden
Perſon im Verhältniß zur Sache beruht, ſo hat er über-
haupt nur Bedeutung, in ſofern ein durch dieſe Thätigkeit
erfüllter Zeitraum hinzugedacht wird.

Für den Gebrauchswerth wie für den Sachwerth, iſt
ein Erſatz oder eine Vergütung möglich in der verſchiedenſten
und willkührlichſten Weiſe: durch eine Geldſumme, durch
Arbeit, durch den gegenſeitigen Gebrauch anderer Sachen
u. ſ. w. Für die meiſten Fälle ſolcher Art iſt weder die
Möglichkeit noch das Bedürfniß einer gemeinſamen Be-
handlung und Regulirung vorhanden; ein ſolches Bedürfniß
findet ſich nur bei einer Art von Sachen, deren eigenthüm-
liche Natur hier zunächſt zu beſtimmen iſt.

Es ſind dies diejenigen Sachen, deren Werth nach der
im Verkehr vorherrſchenden Anſicht nicht auf ihrer Indivi-
dualität, ſondern lediglich auf Zahl, Maaß oder Gewicht
innerhalb einer gewiſſen Gattung beruht, ſo daß bei gleichem
Umfange verſchiedene Individuen derſelben Gattung völlig
gleichgeltend ſind. Die Römer bezeichnen dieſe Eigenthüm-
lichkeit durch den Ausdruck: res quae pondere, numero,
mensura continentur (consistunt),
welcher genau richtige

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[122/0140] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. Dem allgemeinen Begriff der Zinſen liegt zum Grunde die Unterſcheidung eines zweifachen im täglichen Verkehr vorkommenden Werthes: des Sachwerthes (Eigenthums- werthes) und des Gebrauchswerthes. Die Rechts- geſchäfte, worin beide vorzüglich zur Anſchauung kommen, ſind der Kauf und der Miethsvertrag. Da der Gebrauchs- werth auf einer fortgeſetzten Thätigkeit der gebrauchenden Perſon im Verhältniß zur Sache beruht, ſo hat er über- haupt nur Bedeutung, in ſofern ein durch dieſe Thätigkeit erfüllter Zeitraum hinzugedacht wird. Für den Gebrauchswerth wie für den Sachwerth, iſt ein Erſatz oder eine Vergütung möglich in der verſchiedenſten und willkührlichſten Weiſe: durch eine Geldſumme, durch Arbeit, durch den gegenſeitigen Gebrauch anderer Sachen u. ſ. w. Für die meiſten Fälle ſolcher Art iſt weder die Möglichkeit noch das Bedürfniß einer gemeinſamen Be- handlung und Regulirung vorhanden; ein ſolches Bedürfniß findet ſich nur bei einer Art von Sachen, deren eigenthüm- liche Natur hier zunächſt zu beſtimmen iſt. Es ſind dies diejenigen Sachen, deren Werth nach der im Verkehr vorherrſchenden Anſicht nicht auf ihrer Indivi- dualität, ſondern lediglich auf Zahl, Maaß oder Gewicht innerhalb einer gewiſſen Gattung beruht, ſo daß bei gleichem Umfange verſchiedene Individuen derſelben Gattung völlig gleichgeltend ſind. Die Römer bezeichnen dieſe Eigenthüm- lichkeit durch den Ausdruck: res quae pondere, numero, mensura continentur (consistunt), welcher genau richtige

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/140>, abgerufen am 29.03.2024.