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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 269. Wirkung der L. C. -- Prozeßzinsen. (Forts.)

Es muß aber wohl bemerkt werden, daß die hier auf-
gestellte Ansicht mit ihren wichtigen Folgen nicht auf
Quantitäten überhaupt, sondern lediglich auf Geld-
schulden
Anwendung findet; hierin eben liegt ein sehr
wichtiger Unterschied zwischen den Vertragszinsen, die auf
Quantitäten aller Art angewendet werden können, und
den aus einer allgemeinen Rechtsregel abgeleiteten Zinsen,
welche nur bei Geldschulden vorkommen (f).

Der Grund dieses wichtigen Unterschiedes ist darin zu
suchen, daß die zinsbare Benutzung des Geldes zu jeder Zeit
möglich ist, anstatt daß das Zinsgeschäft bei Getreide und
anderen Quantitäten nur in seltenen Fällen und unter sehr
zufälligen Umständen vorzukommen pflegt. Wenn daher der
Gebrauch des Getreides einem Anderen mit Unrecht ver-
weigert wird, so soll keinesweges dem Beschädigten ein
Ersatz wegen des erlittenen Unrechts versagt werden. Nur
muß er die Höhe des Interesse beweisen, und er soll nicht
den Vortheil wie bei einer Geldschuld genießen, diesen
Beweis durch die Präsumtion zu ersetzen, daß er das Ge-
treide einstweilen hätte gegen Zinsen ausleihen können.
Denn gerade zu einer solchen Präsumtion, welche bei einer

bei der Pollicitation, die gewiß
nicht ein bonae fidei contractus
ist. L. 1 pr. de pollic. (50. 12). --
Ebenso werden in L. 38 § 8--16
de usur.
(22. 1) die bonae fidei
actiones
mit den prätorischen
Klagen in der Lehre von der Causa
ganz auf gleichen Fuß gestellt. --
Endlich gelten Verzugszinsen auch
bei den Fideicommissen, welche
gleichfalls nicht mit einer bonae
fidei actio
verbunden waren.
(f) So liegt denn auch hierin
der entscheidende Beweis dafür,
daß die L. 23 C. de usur. (s. o.
§. 268 Note o) durchaus nicht
von Verzugszinsen verstanden wer-
den darf.
§. 269. Wirkung der L. C. — Prozeßzinſen. (Fortſ.)

Es muß aber wohl bemerkt werden, daß die hier auf-
geſtellte Anſicht mit ihren wichtigen Folgen nicht auf
Quantitäten überhaupt, ſondern lediglich auf Geld-
ſchulden
Anwendung findet; hierin eben liegt ein ſehr
wichtiger Unterſchied zwiſchen den Vertragszinſen, die auf
Quantitäten aller Art angewendet werden können, und
den aus einer allgemeinen Rechtsregel abgeleiteten Zinſen,
welche nur bei Geldſchulden vorkommen (f).

Der Grund dieſes wichtigen Unterſchiedes iſt darin zu
ſuchen, daß die zinsbare Benutzung des Geldes zu jeder Zeit
möglich iſt, anſtatt daß das Zinsgeſchäft bei Getreide und
anderen Quantitäten nur in ſeltenen Fällen und unter ſehr
zufälligen Umſtänden vorzukommen pflegt. Wenn daher der
Gebrauch des Getreides einem Anderen mit Unrecht ver-
weigert wird, ſo ſoll keinesweges dem Beſchädigten ein
Erſatz wegen des erlittenen Unrechts verſagt werden. Nur
muß er die Höhe des Intereſſe beweiſen, und er ſoll nicht
den Vortheil wie bei einer Geldſchuld genießen, dieſen
Beweis durch die Präſumtion zu erſetzen, daß er das Ge-
treide einſtweilen hätte gegen Zinſen ausleihen können.
Denn gerade zu einer ſolchen Präſumtion, welche bei einer

bei der Pollicitation, die gewiß
nicht ein bonae fidei contractus
iſt. L. 1 pr. de pollic. (50. 12). —
Ebenſo werden in L. 38 § 8—16
de usur.
(22. 1) die bonae fidei
actiones
mit den prätoriſchen
Klagen in der Lehre von der Cauſa
ganz auf gleichen Fuß geſtellt. —
Endlich gelten Verzugszinſen auch
bei den Fideicommiſſen, welche
gleichfalls nicht mit einer bonae
fidei actio
verbunden waren.
(f) So liegt denn auch hierin
der entſcheidende Beweis dafür,
daß die L. 23 C. de usur. (ſ. o.
§. 268 Note o) durchaus nicht
von Verzugszinſen verſtanden wer-
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[137/0155] §. 269. Wirkung der L. C. — Prozeßzinſen. (Fortſ.) Es muß aber wohl bemerkt werden, daß die hier auf- geſtellte Anſicht mit ihren wichtigen Folgen nicht auf Quantitäten überhaupt, ſondern lediglich auf Geld- ſchulden Anwendung findet; hierin eben liegt ein ſehr wichtiger Unterſchied zwiſchen den Vertragszinſen, die auf Quantitäten aller Art angewendet werden können, und den aus einer allgemeinen Rechtsregel abgeleiteten Zinſen, welche nur bei Geldſchulden vorkommen (f). Der Grund dieſes wichtigen Unterſchiedes iſt darin zu ſuchen, daß die zinsbare Benutzung des Geldes zu jeder Zeit möglich iſt, anſtatt daß das Zinsgeſchäft bei Getreide und anderen Quantitäten nur in ſeltenen Fällen und unter ſehr zufälligen Umſtänden vorzukommen pflegt. Wenn daher der Gebrauch des Getreides einem Anderen mit Unrecht ver- weigert wird, ſo ſoll keinesweges dem Beſchädigten ein Erſatz wegen des erlittenen Unrechts verſagt werden. Nur muß er die Höhe des Intereſſe beweiſen, und er ſoll nicht den Vortheil wie bei einer Geldſchuld genießen, dieſen Beweis durch die Präſumtion zu erſetzen, daß er das Ge- treide einſtweilen hätte gegen Zinſen ausleihen können. Denn gerade zu einer ſolchen Präſumtion, welche bei einer (e) (f) So liegt denn auch hierin der entſcheidende Beweis dafür, daß die L. 23 C. de usur. (ſ. o. §. 268 Note o) durchaus nicht von Verzugszinſen verſtanden wer- den darf. (e) bei der Pollicitation, die gewiß nicht ein bonae fidei contractus iſt. L. 1 pr. de pollic. (50. 12). — Ebenſo werden in L. 38 § 8—16 de usur. (22. 1) die bonae fidei actiones mit den prätoriſchen Klagen in der Lehre von der Cauſa ganz auf gleichen Fuß geſtellt. — Endlich gelten Verzugszinſen auch bei den Fideicommiſſen, welche gleichfalls nicht mit einer bonae fidei actio verbunden waren.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/155>, abgerufen am 29.03.2024.