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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 256. Litiscontestation. Einleitung.

Der Zweck des ganzen Rechtsinstituts, dessen Darstel-
lung uns gegenwärtig beschäftigt, geht auf Beseitigung des
nothwendigen Übels, welches in der Dauer des Rechts-
streits liegt, und zwar soll hier dieser Zweck erreicht werden
durch ausgleichende Bestimmungen in dem Urtheil über den
Rechtsstreit. Es macht daher dieses Institut einen wesent-
lichen Theil des materiellen Rechts, und zwar des Actio-
nenrechts (§ 204) aus, und kann in unsrem System nur
hier seine Stelle finden.

Allein den angegebenen praktischen Zweck haben mit
ihm gar manche andere Rechtsinstitute gemein, über welche
in dieser Beziehung hier eine allgemeine Uebersicht nicht an
unrechter Stelle seyn wird.

Dahin gehören zuerst alle Maaßregeln, die auf Abkür-
zung und Beschleunigung der Prozesse hinwirken sollen.
So enthielt das ältere Römische Recht die stark eingrei-
fende Regel, daß jeder Prozeß verloren seyn solle, wenn
nicht in einer sehr mäßigen Zeit das Urtheil erfolge (b);
dadurch wurde der Kläger zur eifrigen Betreibung der
Sache aufgefordert. Das neueste Recht hat diese Vor-
schrift ganz aufgegeben.

Ferner kann jede gerechte Entscheidung, und so auch

den. Zweitens wird eine Verän-
derung dieser Art für das heutige
Recht behauptet; davon wird am
Schluß gehandelt (§ 278. 279).
(b) Gajus IV. § 104. 105. Ein
legitimum judicium sollte auf-
hören mit dem Ablauf von Acht-
zehn Monaten; ein judicium quod
imperio continetur
mit dem Ende
der Magistratur, von welcher der
Juder bestellt war. Eine Erneue-
rung derselben Klage war unmög-
lich, weil sie in judicium deducirt,
also consumirt war.
§. 256. Litisconteſtation. Einleitung.

Der Zweck des ganzen Rechtsinſtituts, deſſen Darſtel-
lung uns gegenwärtig beſchäftigt, geht auf Beſeitigung des
nothwendigen Übels, welches in der Dauer des Rechts-
ſtreits liegt, und zwar ſoll hier dieſer Zweck erreicht werden
durch ausgleichende Beſtimmungen in dem Urtheil über den
Rechtsſtreit. Es macht daher dieſes Inſtitut einen weſent-
lichen Theil des materiellen Rechts, und zwar des Actio-
nenrechts (§ 204) aus, und kann in unſrem Syſtem nur
hier ſeine Stelle finden.

Allein den angegebenen praktiſchen Zweck haben mit
ihm gar manche andere Rechtsinſtitute gemein, über welche
in dieſer Beziehung hier eine allgemeine Ueberſicht nicht an
unrechter Stelle ſeyn wird.

Dahin gehören zuerſt alle Maaßregeln, die auf Abkür-
zung und Beſchleunigung der Prozeſſe hinwirken ſollen.
So enthielt das ältere Römiſche Recht die ſtark eingrei-
fende Regel, daß jeder Prozeß verloren ſeyn ſolle, wenn
nicht in einer ſehr mäßigen Zeit das Urtheil erfolge (b);
dadurch wurde der Kläger zur eifrigen Betreibung der
Sache aufgefordert. Das neueſte Recht hat dieſe Vor-
ſchrift ganz aufgegeben.

Ferner kann jede gerechte Entſcheidung, und ſo auch

den. Zweitens wird eine Verän-
derung dieſer Art für das heutige
Recht behauptet; davon wird am
Schluß gehandelt (§ 278. 279).
(b) Gajus IV. § 104. 105. Ein
legitimum judicium ſollte auf-
hören mit dem Ablauf von Acht-
zehn Monaten; ein judicium quod
imperio continetur
mit dem Ende
der Magiſtratur, von welcher der
Juder beſtellt war. Eine Erneue-
rung derſelben Klage war unmög-
lich, weil ſie in judicium deducirt,
alſo conſumirt war.
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[7/0025] §. 256. Litisconteſtation. Einleitung. Der Zweck des ganzen Rechtsinſtituts, deſſen Darſtel- lung uns gegenwärtig beſchäftigt, geht auf Beſeitigung des nothwendigen Übels, welches in der Dauer des Rechts- ſtreits liegt, und zwar ſoll hier dieſer Zweck erreicht werden durch ausgleichende Beſtimmungen in dem Urtheil über den Rechtsſtreit. Es macht daher dieſes Inſtitut einen weſent- lichen Theil des materiellen Rechts, und zwar des Actio- nenrechts (§ 204) aus, und kann in unſrem Syſtem nur hier ſeine Stelle finden. Allein den angegebenen praktiſchen Zweck haben mit ihm gar manche andere Rechtsinſtitute gemein, über welche in dieſer Beziehung hier eine allgemeine Ueberſicht nicht an unrechter Stelle ſeyn wird. Dahin gehören zuerſt alle Maaßregeln, die auf Abkür- zung und Beſchleunigung der Prozeſſe hinwirken ſollen. So enthielt das ältere Römiſche Recht die ſtark eingrei- fende Regel, daß jeder Prozeß verloren ſeyn ſolle, wenn nicht in einer ſehr mäßigen Zeit das Urtheil erfolge (b); dadurch wurde der Kläger zur eifrigen Betreibung der Sache aufgefordert. Das neueſte Recht hat dieſe Vor- ſchrift ganz aufgegeben. Ferner kann jede gerechte Entſcheidung, und ſo auch (a) (b) Gajus IV. § 104. 105. Ein legitimum judicium ſollte auf- hören mit dem Ablauf von Acht- zehn Monaten; ein judicium quod imperio continetur mit dem Ende der Magiſtratur, von welcher der Juder beſtellt war. Eine Erneue- rung derſelben Klage war unmög- lich, weil ſie in judicium deducirt, alſo conſumirt war. (a) den. Zweitens wird eine Verän- derung dieſer Art für das heutige Recht behauptet; davon wird am Schluß gehandelt (§ 278. 279).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/25>, abgerufen am 29.03.2024.