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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu-
lösen.

Diese Auflösung hat, eben so wie die bisher abgehan-
delten Stücke des Rechtsstreits, ihre formelle und ihre
materielle Seite. Jene besteht bei dem ganzen Rechtsstreit
in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, also in
der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer
Folge und ihrem Zusammenhang; insbesondere bei dem
Theil des Rechtsstreits, wovon gegenwärtig die Rede ist,
in der Art, wie der Richter zum Ausspruch eines Urtheils
gelangt, so wie in der Form und dem Inhalt des Ur-
theils. -- Die materielle Seite des Urtheils besteht in der
Rückwirkung desselben auf den Inhalt und Umfang der
Rechte selbst; sie allein gehört zur Aufgabe unsres Rechts-
systems, und bildet in demselben einen Theil des Actio-
nenrechts
(§ 204).

Diese Lehre gehört unter die wichtigsten des ganzen
Rechtssystems. Sie ist von sehr häufiger Anwendung, und
die Wirkungen derselben sind noch bedeutender, als die der
Litiscontestation. Daher muß es auffallen, daß gerade
diese Lehre sowohl in Vorlesungen als in Rechtssystemen
meist vernachlässigt worden ist, und auch durch besondere
Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat (b).
Selbst in umfassenden neueren Gesetzgebungen ist derselben
nur geringe Beachtung zu Theil geworden.


(b) Diese auffallende Vernachlässigung wird gerügt von Puchta
im rhein. Museum B. 2 S. 251.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu-
löſen.

Dieſe Auflöſung hat, eben ſo wie die bisher abgehan-
delten Stücke des Rechtsſtreits, ihre formelle und ihre
materielle Seite. Jene beſteht bei dem ganzen Rechtsſtreit
in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, alſo in
der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer
Folge und ihrem Zuſammenhang; insbeſondere bei dem
Theil des Rechtsſtreits, wovon gegenwärtig die Rede iſt,
in der Art, wie der Richter zum Ausſpruch eines Urtheils
gelangt, ſo wie in der Form und dem Inhalt des Ur-
theils. — Die materielle Seite des Urtheils beſteht in der
Rückwirkung deſſelben auf den Inhalt und Umfang der
Rechte ſelbſt; ſie allein gehört zur Aufgabe unſres Rechts-
ſyſtems, und bildet in demſelben einen Theil des Actio-
nenrechts
(§ 204).

Dieſe Lehre gehört unter die wichtigſten des ganzen
Rechtsſyſtems. Sie iſt von ſehr häufiger Anwendung, und
die Wirkungen derſelben ſind noch bedeutender, als die der
Litisconteſtation. Daher muß es auffallen, daß gerade
dieſe Lehre ſowohl in Vorleſungen als in Rechtsſyſtemen
meiſt vernachläſſigt worden iſt, und auch durch beſondere
Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat (b).
Selbſt in umfaſſenden neueren Geſetzgebungen iſt derſelben
nur geringe Beachtung zu Theil geworden.


(b) Dieſe auffallende Vernachläſſigung wird gerügt von Puchta
im rhein. Muſeum B. 2 S. 251.
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[258/0276] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. von einem höheren Standpunkt aus in Einheit aufzu- löſen. Dieſe Auflöſung hat, eben ſo wie die bisher abgehan- delten Stücke des Rechtsſtreits, ihre formelle und ihre materielle Seite. Jene beſteht bei dem ganzen Rechtsſtreit in der Thätigkeit der Parteien und des Richters, alſo in der Form und Einrichtung der Prozeßhandlungen, ihrer Folge und ihrem Zuſammenhang; insbeſondere bei dem Theil des Rechtsſtreits, wovon gegenwärtig die Rede iſt, in der Art, wie der Richter zum Ausſpruch eines Urtheils gelangt, ſo wie in der Form und dem Inhalt des Ur- theils. — Die materielle Seite des Urtheils beſteht in der Rückwirkung deſſelben auf den Inhalt und Umfang der Rechte ſelbſt; ſie allein gehört zur Aufgabe unſres Rechts- ſyſtems, und bildet in demſelben einen Theil des Actio- nenrechts (§ 204). Dieſe Lehre gehört unter die wichtigſten des ganzen Rechtsſyſtems. Sie iſt von ſehr häufiger Anwendung, und die Wirkungen derſelben ſind noch bedeutender, als die der Litisconteſtation. Daher muß es auffallen, daß gerade dieſe Lehre ſowohl in Vorleſungen als in Rechtsſyſtemen meiſt vernachläſſigt worden iſt, und auch durch beſondere Schriften keine hinreichende Bearbeitung erfahren hat (b). Selbſt in umfaſſenden neueren Geſetzgebungen iſt derſelben nur geringe Beachtung zu Theil geworden. (b) Dieſe auffallende Vernachläſſigung wird gerügt von Puchta im rhein. Muſeum B. 2 S. 251.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/276>, abgerufen am 28.03.2024.