Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
den richterlichen Ausspruch selbst verschaffen, und zwar
nicht blos, wie es so eben bei der Erbrechtsklage nachge-
wiesen worden ist, in Folge einer zufälligen Lage des
Rechtsstreits, sondern in allen Fällen überhaupt. Er kann
nämlich gleich im Anfang des Rechtsstreits die confesso-
rische Klage als Widerklage vorbringen. Dann muß der
Richter, der sich von dem Daseyn der Servitut überzeugt,
den Kläger (als Widerbeklagten) zur Anerkennung der
Servitut verurtheilen.

Sogar kann diese günstige Stellung des Beklagten in
der Negatorienklage schon aus der Römischen Formel der
Negatorienklage gerechtfertigt werden. Diese lautet so:
Si paret, Negidio jus non esse etc. Weiset nun der Rich-
ter diese Klage ab, so spricht er aus: Non videtur Negi-
dio jus non esse etc.
Dieses ist aber völlig gleichbedeu-
tend mit dem Ausspruch: Negidio jus esse etc.

§. 291.
Genauere Bestimmungen des Inhalts. Rechtskraft der
Gründe
.

Die bisher durchgeführte Untersuchung über den Inhalt
des Urtheils (die Verurtheilung und Freisprechung) bildet
zwar die sichere und unentbehrliche Grundlage für die
Lehre von der Rechtskraft, ist aber dafür keinesweges aus-
reichend; vielmehr ist es nöthig, nun noch auf genauere
Bestimmungen des Inhalts einzugehen, weil nur auf

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
den richterlichen Ausſpruch ſelbſt verſchaffen, und zwar
nicht blos, wie es ſo eben bei der Erbrechtsklage nachge-
wieſen worden iſt, in Folge einer zufälligen Lage des
Rechtsſtreits, ſondern in allen Fällen überhaupt. Er kann
nämlich gleich im Anfang des Rechtsſtreits die confeſſo-
riſche Klage als Widerklage vorbringen. Dann muß der
Richter, der ſich von dem Daſeyn der Servitut überzeugt,
den Kläger (als Widerbeklagten) zur Anerkennung der
Servitut verurtheilen.

Sogar kann dieſe günſtige Stellung des Beklagten in
der Negatorienklage ſchon aus der Römiſchen Formel der
Negatorienklage gerechtfertigt werden. Dieſe lautet ſo:
Si paret, Negidio jus non esse etc. Weiſet nun der Rich-
ter dieſe Klage ab, ſo ſpricht er aus: Non videtur Negi-
dio jus non esse etc.
Dieſes iſt aber völlig gleichbedeu-
tend mit dem Ausſpruch: Negidio jus esse etc.

§. 291.
Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der
Gründe
.

Die bisher durchgeführte Unterſuchung über den Inhalt
des Urtheils (die Verurtheilung und Freiſprechung) bildet
zwar die ſichere und unentbehrliche Grundlage für die
Lehre von der Rechtskraft, iſt aber dafür keinesweges aus-
reichend; vielmehr iſt es nöthig, nun noch auf genauere
Beſtimmungen des Inhalts einzugehen, weil nur auf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0368" n="350"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
den richterlichen Aus&#x017F;pruch &#x017F;elb&#x017F;t ver&#x017F;chaffen, und zwar<lb/>
nicht blos, wie es &#x017F;o eben bei der Erbrechtsklage nachge-<lb/>
wie&#x017F;en worden i&#x017F;t, in Folge einer zufälligen Lage des<lb/>
Rechts&#x017F;treits, &#x017F;ondern in allen Fällen überhaupt. Er kann<lb/>
nämlich gleich im Anfang des Rechts&#x017F;treits die confe&#x017F;&#x017F;o-<lb/>
ri&#x017F;che Klage als Widerklage vorbringen. Dann muß der<lb/>
Richter, der &#x017F;ich von dem Da&#x017F;eyn der Servitut überzeugt,<lb/>
den Kläger (als Widerbeklagten) zur Anerkennung der<lb/>
Servitut verurtheilen.</p><lb/>
            <p>Sogar kann die&#x017F;e gün&#x017F;tige Stellung des Beklagten in<lb/>
der Negatorienklage &#x017F;chon aus der Römi&#x017F;chen Formel der<lb/>
Negatorienklage gerechtfertigt werden. Die&#x017F;e lautet &#x017F;o:<lb/><hi rendition="#aq">Si paret, Negidio jus non esse etc.</hi> Wei&#x017F;et nun der Rich-<lb/>
ter die&#x017F;e Klage ab, &#x017F;o &#x017F;pricht er aus: <hi rendition="#aq">Non videtur Negi-<lb/>
dio jus non esse etc.</hi> Die&#x017F;es i&#x017F;t aber völlig gleichbedeu-<lb/>
tend mit dem Aus&#x017F;pruch: <hi rendition="#aq">Negidio jus esse etc.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 291.<lb/><hi rendition="#g">Genauere Be&#x017F;timmungen des Inhalts. Rechtskraft der<lb/>
Gründe</hi>.</head><lb/>
            <p>Die bisher durchgeführte Unter&#x017F;uchung über den Inhalt<lb/>
des Urtheils (die Verurtheilung und Frei&#x017F;prechung) bildet<lb/>
zwar die &#x017F;ichere und unentbehrliche Grundlage für die<lb/>
Lehre von der Rechtskraft, i&#x017F;t aber dafür keinesweges aus-<lb/>
reichend; vielmehr i&#x017F;t es nöthig, nun noch auf genauere<lb/>
Be&#x017F;timmungen des Inhalts einzugehen, weil nur auf<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[350/0368] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. den richterlichen Ausſpruch ſelbſt verſchaffen, und zwar nicht blos, wie es ſo eben bei der Erbrechtsklage nachge- wieſen worden iſt, in Folge einer zufälligen Lage des Rechtsſtreits, ſondern in allen Fällen überhaupt. Er kann nämlich gleich im Anfang des Rechtsſtreits die confeſſo- riſche Klage als Widerklage vorbringen. Dann muß der Richter, der ſich von dem Daſeyn der Servitut überzeugt, den Kläger (als Widerbeklagten) zur Anerkennung der Servitut verurtheilen. Sogar kann dieſe günſtige Stellung des Beklagten in der Negatorienklage ſchon aus der Römiſchen Formel der Negatorienklage gerechtfertigt werden. Dieſe lautet ſo: Si paret, Negidio jus non esse etc. Weiſet nun der Rich- ter dieſe Klage ab, ſo ſpricht er aus: Non videtur Negi- dio jus non esse etc. Dieſes iſt aber völlig gleichbedeu- tend mit dem Ausſpruch: Negidio jus esse etc. §. 291. Genauere Beſtimmungen des Inhalts. Rechtskraft der Gründe. Die bisher durchgeführte Unterſuchung über den Inhalt des Urtheils (die Verurtheilung und Freiſprechung) bildet zwar die ſichere und unentbehrliche Grundlage für die Lehre von der Rechtskraft, iſt aber dafür keinesweges aus- reichend; vielmehr iſt es nöthig, nun noch auf genauere Beſtimmungen des Inhalts einzugehen, weil nur auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/368
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/368>, abgerufen am 19.04.2024.