Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 291. Rechtskraft der Gründe.

Der entscheidendste Fall aber, welcher beweist, daß die
Römischen Juristen die Gründe der Entscheidung mit in
das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, ist diejenige
Art der Eigenthumsklage, welche per sponsionem geführt
wurde (h).

Drittens endlich finden sich mehrere Stellen des Römi-
schen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf
einen künftigen Rechtsstreit geradezu und wörtlich von dem
Umstande abhängig gemacht wird, aus welchem Grunde
ein früherer Ausspruch erlassen worden ist, worin wir
also auf die Erforschung und Berücksichtigung dieses Grundes
unmittelbar angewiesen werden (i).



Die bisher angestellte Untersuchung hat zu dem Ergeb-
niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entschei-
dung selbst (Verurtheilung oder Freisprechung), sondern
auch den objectiven Gründen derselben, zugeschrieben
werden muß, d. h. daß diese Gründe als integrirende
Theile des Urtheils anzusehen sind, der Umfang der Rechts-
kraft also stets durch den Inhalt des Urtheils in Ver-
bindung mit jenen Gründen
bestimmt werden muß.


(h) Vgl. unten § 292 f.
(i) Dahin gehören folgende
Stellen: L. 17 de exc. r. j.
(44. 2) "Si rem meam a te
petiero, tu autem ideo fueris
absolutus, quod probaveris sine
dolo malo te desisse possidere
... non nocebit mihi exceptio
rei judicatae." -- L. 18 pr.
eod.
"Si ... absolutus fuerit ad-
versarius, quia non possidebat
... rei judicatae exceptio lo-
cum non habebit."
-- Eben so
L. 9 pr. eod.
VI. 24
§. 291. Rechtskraft der Gründe.

Der entſcheidendſte Fall aber, welcher beweiſt, daß die
Römiſchen Juriſten die Gründe der Entſcheidung mit in
das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, iſt diejenige
Art der Eigenthumsklage, welche per sponsionem geführt
wurde (h).

Drittens endlich finden ſich mehrere Stellen des Römi-
ſchen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf
einen künftigen Rechtsſtreit geradezu und wörtlich von dem
Umſtande abhängig gemacht wird, aus welchem Grunde
ein früherer Ausſpruch erlaſſen worden iſt, worin wir
alſo auf die Erforſchung und Berückſichtigung dieſes Grundes
unmittelbar angewieſen werden (i).



Die bisher angeſtellte Unterſuchung hat zu dem Ergeb-
niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entſchei-
dung ſelbſt (Verurtheilung oder Freiſprechung), ſondern
auch den objectiven Gründen derſelben, zugeſchrieben
werden muß, d. h. daß dieſe Gründe als integrirende
Theile des Urtheils anzuſehen ſind, der Umfang der Rechts-
kraft alſo ſtets durch den Inhalt des Urtheils in Ver-
bindung mit jenen Gründen
beſtimmt werden muß.


(h) Vgl. unten § 292 f.
(i) Dahin gehören folgende
Stellen: L. 17 de exc. r. j.
(44. 2) „Si rem meam a te
petiero, tu autem ideo fueris
absolutus, quod probaveris sine
dolo malo te desisse possidere
… non nocebit mihi exceptio
rei judicatae.“ — L. 18 pr.
eod.
„Si … absolutus fuerit ad-
versarius, quia non possidebat
… rei judicatae exceptio lo-
cum non habebit.“
— Eben ſo
L. 9 pr. eod.
VI. 24
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0387" n="369"/>
            <fw place="top" type="header">§. 291. Rechtskraft der Gründe.</fw><lb/>
            <p>Der ent&#x017F;cheidend&#x017F;te Fall aber, welcher bewei&#x017F;t, daß die<lb/>
Römi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten die Gründe der Ent&#x017F;cheidung mit in<lb/>
das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, i&#x017F;t diejenige<lb/>
Art der Eigenthumsklage, welche <hi rendition="#aq">per sponsionem</hi> geführt<lb/>
wurde <note place="foot" n="(h)">Vgl. unten § 292 <hi rendition="#aq">f.</hi></note>.</p><lb/>
            <p>Drittens endlich finden &#x017F;ich mehrere Stellen des Römi-<lb/>
&#x017F;chen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf<lb/>
einen künftigen Rechts&#x017F;treit geradezu und wörtlich von dem<lb/>
Um&#x017F;tande abhängig gemacht wird, <hi rendition="#g">aus welchem Grunde</hi><lb/>
ein früherer Aus&#x017F;pruch erla&#x017F;&#x017F;en worden i&#x017F;t, worin wir<lb/>
al&#x017F;o auf die Erfor&#x017F;chung und Berück&#x017F;ichtigung die&#x017F;es Grundes<lb/>
unmittelbar angewie&#x017F;en werden <note place="foot" n="(i)">Dahin gehören folgende<lb/>
Stellen: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 17 <hi rendition="#i">de exc. r. j.</hi><lb/>
(44. 2) &#x201E;Si rem meam a te<lb/>
petiero, tu autem <hi rendition="#i">ideo</hi> fueris<lb/>
absolutus, <hi rendition="#i">quod</hi> probaveris sine<lb/>
dolo malo te desisse possidere<lb/>
&#x2026; non nocebit mihi exceptio<lb/>
rei judicatae.&#x201C; &#x2014; <hi rendition="#i">L.</hi> 18 <hi rendition="#i">pr.<lb/>
eod.</hi> &#x201E;Si &#x2026; absolutus fuerit ad-<lb/>
versarius, <hi rendition="#i">quia</hi> non possidebat<lb/>
&#x2026; rei judicatae exceptio lo-<lb/>
cum non habebit.&#x201C;</hi> &#x2014; Eben &#x017F;o<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 9 <hi rendition="#i">pr. eod.</hi></hi></note>.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Die bisher ange&#x017F;tellte Unter&#x017F;uchung hat zu dem Ergeb-<lb/>
niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Ent&#x017F;chei-<lb/>
dung &#x017F;elb&#x017F;t (Verurtheilung oder Frei&#x017F;prechung), &#x017F;ondern<lb/>
auch den objectiven Gründen der&#x017F;elben, zuge&#x017F;chrieben<lb/>
werden muß, d. h. daß die&#x017F;e Gründe als integrirende<lb/>
Theile des Urtheils anzu&#x017F;ehen &#x017F;ind, der Umfang der Rechts-<lb/>
kraft al&#x017F;o &#x017F;tets durch den Inhalt des Urtheils <hi rendition="#g">in Ver-<lb/>
bindung mit jenen Gründen</hi> be&#x017F;timmt werden muß.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">VI.</hi> 24</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[369/0387] §. 291. Rechtskraft der Gründe. Der entſcheidendſte Fall aber, welcher beweiſt, daß die Römiſchen Juriſten die Gründe der Entſcheidung mit in das Gebiet der Rechtskraft gezogen haben, iſt diejenige Art der Eigenthumsklage, welche per sponsionem geführt wurde (h). Drittens endlich finden ſich mehrere Stellen des Römi- ſchen Rechts, worin die Anwendung der Rechtskraft auf einen künftigen Rechtsſtreit geradezu und wörtlich von dem Umſtande abhängig gemacht wird, aus welchem Grunde ein früherer Ausſpruch erlaſſen worden iſt, worin wir alſo auf die Erforſchung und Berückſichtigung dieſes Grundes unmittelbar angewieſen werden (i). Die bisher angeſtellte Unterſuchung hat zu dem Ergeb- niß geführt, daß die Rechtskraft nicht blos der Entſchei- dung ſelbſt (Verurtheilung oder Freiſprechung), ſondern auch den objectiven Gründen derſelben, zugeſchrieben werden muß, d. h. daß dieſe Gründe als integrirende Theile des Urtheils anzuſehen ſind, der Umfang der Rechts- kraft alſo ſtets durch den Inhalt des Urtheils in Ver- bindung mit jenen Gründen beſtimmt werden muß. (h) Vgl. unten § 292 f. (i) Dahin gehören folgende Stellen: L. 17 de exc. r. j. (44. 2) „Si rem meam a te petiero, tu autem ideo fueris absolutus, quod probaveris sine dolo malo te desisse possidere … non nocebit mihi exceptio rei judicatae.“ — L. 18 pr. eod. „Si … absolutus fuerit ad- versarius, quia non possidebat … rei judicatae exceptio lo- cum non habebit.“ — Eben ſo L. 9 pr. eod. VI. 24

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/387
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/387>, abgerufen am 25.04.2024.