Diese Ausbildung des Rechtsinstituts erfolgte aber nicht in der Art, daß man den älteren Grundsatz glaubte ver- werfen, vernichten, durch einen neuen verdrängen zu müssen; es war weniger eine Verneinung, als eine Ver- tiefung desselben. In der großen Mehrzahl der Fälle trafen ohnehin beide Grundsätze in ihren Folgen völlig zusammen. So gerade in der bedeutenden Zahl von Fällen, die in unsrer Stelle Ulpian einer näheren Betrachtung unter- wirft.
Wenn daher Ulpian in dieser Stelle den Grundsatz der eadem quaestio wiederholt ausspricht, und durch mannich- faltige Anwendungen erläutert, so konnte er daneben unbe- denklich und arglos Ausdrücke gebrauchen, die mit dem Grundsatz der negativen Function (der Klagenconsumtion) zusammen hangen (r). Es liegt in dieser Ausdrucksweise kein Grund, ihm das Schwanken zwischen verschiedenen Grundsätzen vorzuwerfen; ja selbst eine Unvorsichtigkeit des Ausdrucks möchte in diesem Verfahren kaum behauptet werden können.
(r) Dahin gehören folgende Aus- drücke: eadem enim res accipitur (princ.). -- Utrum idem petere videor, an aliud (§ 1). -- aliud petere (§ 2). -- videntur in pe- titionem deduci (§ 5). -- Vgl. auch oben S. 433. 434.
VI. 33
L. 7 de exceptione rei judicatae.
Dieſe Ausbildung des Rechtsinſtituts erfolgte aber nicht in der Art, daß man den älteren Grundſatz glaubte ver- werfen, vernichten, durch einen neuen verdrängen zu müſſen; es war weniger eine Verneinung, als eine Ver- tiefung deſſelben. In der großen Mehrzahl der Fälle trafen ohnehin beide Grundſätze in ihren Folgen völlig zuſammen. So gerade in der bedeutenden Zahl von Fällen, die in unſrer Stelle Ulpian einer näheren Betrachtung unter- wirft.
Wenn daher Ulpian in dieſer Stelle den Grundſatz der eadem quaestio wiederholt ausſpricht, und durch mannich- faltige Anwendungen erläutert, ſo konnte er daneben unbe- denklich und arglos Ausdrücke gebrauchen, die mit dem Grundſatz der negativen Function (der Klagenconſumtion) zuſammen hangen (r). Es liegt in dieſer Ausdrucksweiſe kein Grund, ihm das Schwanken zwiſchen verſchiedenen Grundſätzen vorzuwerfen; ja ſelbſt eine Unvorſichtigkeit des Ausdrucks möchte in dieſem Verfahren kaum behauptet werden können.
(r) Dahin gehören folgende Aus- drücke: eadem enim res accipitur (princ.). — Utrum idem petere videor, an aliud (§ 1). — aliud petere (§ 2). — videntur in pe- titionem deduci (§ 5). — Vgl. auch oben S. 433. 434.
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L. 7 de exceptione rei judicatae.
Dieſe Ausbildung des Rechtsinſtituts erfolgte aber nicht
in der Art, daß man den älteren Grundſatz glaubte ver-
werfen, vernichten, durch einen neuen verdrängen zu
müſſen; es war weniger eine Verneinung, als eine Ver-
tiefung deſſelben. In der großen Mehrzahl der Fälle trafen
ohnehin beide Grundſätze in ihren Folgen völlig zuſammen.
So gerade in der bedeutenden Zahl von Fällen, die in
unſrer Stelle Ulpian einer näheren Betrachtung unter-
wirft.
Wenn daher Ulpian in dieſer Stelle den Grundſatz der
eadem quaestio wiederholt ausſpricht, und durch mannich-
faltige Anwendungen erläutert, ſo konnte er daneben unbe-
denklich und arglos Ausdrücke gebrauchen, die mit dem
Grundſatz der negativen Function (der Klagenconſumtion)
zuſammen hangen (r). Es liegt in dieſer Ausdrucksweiſe
kein Grund, ihm das Schwanken zwiſchen verſchiedenen
Grundſätzen vorzuwerfen; ja ſelbſt eine Unvorſichtigkeit des
Ausdrucks möchte in dieſem Verfahren kaum behauptet
werden können.
(r) Dahin gehören folgende Aus-
drücke: eadem enim res accipitur
(princ.). — Utrum idem petere
videor, an aliud (§ 1). — aliud
petere (§ 2). — videntur in pe-
titionem deduci (§ 5). — Vgl.
auch oben S. 433. 434.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/531>, abgerufen am 18.04.2024.
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