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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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§. 261. Wirkung der L. C. -- I. Verurtheilung selbst gesichert.

Aus zwei verschiedenen Gründen ist behauptet worden,
daß im heutigen Recht diese Regeln nicht mehr gelten,
indem jetzt auch für die Usucapion eine wahre Unterbrechung
durch die L. C. (oder durch die Insinuation) eintrete.

Erstlich ist behauptet worden, die L. C. mache den Besitz
zu einem unredlichen, die Usucapion aber werde durch jede
mala fides, auch durch die mala fides superveniens, nach den
Vorschriften des canonischen Rechts unterbrochen (§ 244). --
Von der Unredlichkeit des Besitzes, die durch die L. C. be-
wirkt werden soll, wird unten ausführlich gesprochen werden
(§ 264). Wenn man sie auch in einem figürlichen Sinn,
durch eine Art von Fiction, annehmen wollte, so kann sie
doch in der unmittelbaren Bedeutung, wie sie das cano-
nische Recht unzweifelhaft auffaßt, unmöglich behauptet
werden; es wäre widersinnig zu sagen, jeder Beklagte be-
finde sich von der L. C. an in einem sündlichen Zustand,
und in diesem Sinn faßt das canonische Recht die mala fides
auf. -- Dieser Grund für eine veränderte Rechtsregel muß
also entschieden als unhaltbar verworfen werden (d).

Ein zweiter Grund für eine Veränderung der Rechts-
regeln hat ungleich mehr Schein. Neben der Usucapion,
und als Ergänzung derselben, wurde schon frühe eine longi
temporis praescriptio
von zehen oder zwanzig Jahren ein-
geführt. Dieses war eine reine Klagverjährung, und es

sehr wohl wußte, daß das Eigen-
thum eines Sklaven nicht durch
Tradition, sondern nur durch Man-
cipation oder in jure cessio über-
tragen werden konnte.
(d) So wird die Sache richtig
dargestellt von Kierulff S. 277,
und Wächter H. 3 S. 105.
§. 261. Wirkung der L. C. — I. Verurtheilung ſelbſt geſichert.

Aus zwei verſchiedenen Gründen iſt behauptet worden,
daß im heutigen Recht dieſe Regeln nicht mehr gelten,
indem jetzt auch für die Uſucapion eine wahre Unterbrechung
durch die L. C. (oder durch die Inſinuation) eintrete.

Erſtlich iſt behauptet worden, die L. C. mache den Beſitz
zu einem unredlichen, die Uſucapion aber werde durch jede
mala fides, auch durch die mala fides superveniens, nach den
Vorſchriften des canoniſchen Rechts unterbrochen (§ 244). —
Von der Unredlichkeit des Beſitzes, die durch die L. C. be-
wirkt werden ſoll, wird unten ausführlich geſprochen werden
(§ 264). Wenn man ſie auch in einem figürlichen Sinn,
durch eine Art von Fiction, annehmen wollte, ſo kann ſie
doch in der unmittelbaren Bedeutung, wie ſie das cano-
niſche Recht unzweifelhaft auffaßt, unmöglich behauptet
werden; es wäre widerſinnig zu ſagen, jeder Beklagte be-
finde ſich von der L. C. an in einem ſündlichen Zuſtand,
und in dieſem Sinn faßt das canoniſche Recht die mala fides
auf. — Dieſer Grund für eine veränderte Rechtsregel muß
alſo entſchieden als unhaltbar verworfen werden (d).

Ein zweiter Grund für eine Veränderung der Rechts-
regeln hat ungleich mehr Schein. Neben der Uſucapion,
und als Ergänzung derſelben, wurde ſchon frühe eine longi
temporis praescriptio
von zehen oder zwanzig Jahren ein-
geführt. Dieſes war eine reine Klagverjährung, und es

ſehr wohl wußte, daß das Eigen-
thum eines Sklaven nicht durch
Tradition, ſondern nur durch Man-
cipation oder in jure cessio über-
tragen werden konnte.
(d) So wird die Sache richtig
dargeſtellt von Kierulff S. 277,
und Wächter H. 3 S. 105.
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[57/0075] §. 261. Wirkung der L. C. — I. Verurtheilung ſelbſt geſichert. Aus zwei verſchiedenen Gründen iſt behauptet worden, daß im heutigen Recht dieſe Regeln nicht mehr gelten, indem jetzt auch für die Uſucapion eine wahre Unterbrechung durch die L. C. (oder durch die Inſinuation) eintrete. Erſtlich iſt behauptet worden, die L. C. mache den Beſitz zu einem unredlichen, die Uſucapion aber werde durch jede mala fides, auch durch die mala fides superveniens, nach den Vorſchriften des canoniſchen Rechts unterbrochen (§ 244). — Von der Unredlichkeit des Beſitzes, die durch die L. C. be- wirkt werden ſoll, wird unten ausführlich geſprochen werden (§ 264). Wenn man ſie auch in einem figürlichen Sinn, durch eine Art von Fiction, annehmen wollte, ſo kann ſie doch in der unmittelbaren Bedeutung, wie ſie das cano- niſche Recht unzweifelhaft auffaßt, unmöglich behauptet werden; es wäre widerſinnig zu ſagen, jeder Beklagte be- finde ſich von der L. C. an in einem ſündlichen Zuſtand, und in dieſem Sinn faßt das canoniſche Recht die mala fides auf. — Dieſer Grund für eine veränderte Rechtsregel muß alſo entſchieden als unhaltbar verworfen werden (d). Ein zweiter Grund für eine Veränderung der Rechts- regeln hat ungleich mehr Schein. Neben der Uſucapion, und als Ergänzung derſelben, wurde ſchon frühe eine longi temporis praescriptio von zehen oder zwanzig Jahren ein- geführt. Dieſes war eine reine Klagverjährung, und es (c) (d) So wird die Sache richtig dargeſtellt von Kierulff S. 277, und Wächter H. 3 S. 105. (c) ſehr wohl wußte, daß das Eigen- thum eines Sklaven nicht durch Tradition, ſondern nur durch Man- cipation oder in jure cessio über- tragen werden konnte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/75>, abgerufen am 25.04.2024.