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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
seyn, sie sind daher delictähnlich, und haben auch oft
delictartige Folgen. Nur ist dabei der Unterschied zu
beachten, daß die Mora in einer bloßen Unterlassung be-
steht, und nicht nothwendig auf Dolus, sondern oft auf
bloßem Geldmangel beruht; anstatt daß der unredliche Be-
sitz in einem positiven Handeln besteht, und stets mit Dolus
verbunden ist.

Die L. C. dagegen ist ein contractähnliches Verhält-
niß (§ 258), und hat keine Verwandschaft mit einem De-
lict. Die Führung des Rechtsstreits ist an sich von Seiten
des Beklagten nicht nothwendig tadelnswerth, selbst dann
wenn am Ende das Urtheil gegen ihn ausfällt.

Nun ist es eine unter unseren Schriftstellern sehr ver-
breitete Behauptung, daß jede L. C., je nachdem die Klage
persönlich, oder in rem ist, stets die Mora oder die mala
fides
begründe (a). Nach allgemeiner Betrachtung muß
dieser Satz unbedenklich verworfen werden, theils weil die
eben erwähnte juristische Natur dieser drei Rechtsbegriffe
(die Ähnlichkeit mit Delicten und Contracten) von Grund
aus verschieden ist, theils weil sowohl die Mora, als die
mala fides, jede ihre eigenthümlichen Bedingungen hat, so
daß das Daseyn derselben in jedem einzelnen Fall von

(a) Bayer Civilprozeß S. 233.
234. Linde § 200 Note 4. 5. --
Daß hier die Annahme der Mora
oder der mala fides sogar auf
den Zeitpunkt der Insinuation zu-
rückgeführt wird, beruht auf wei-
teren Fragen, deren selbstständige
Erörterung an ihrem Orte erfol-
gen wird. Auf dem gegenwärtigen
Standpunkt der Untersuchung ist
diese fernere Differenz unerheblich.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
ſeyn, ſie ſind daher delictähnlich, und haben auch oft
delictartige Folgen. Nur iſt dabei der Unterſchied zu
beachten, daß die Mora in einer bloßen Unterlaſſung be-
ſteht, und nicht nothwendig auf Dolus, ſondern oft auf
bloßem Geldmangel beruht; anſtatt daß der unredliche Be-
ſitz in einem poſitiven Handeln beſteht, und ſtets mit Dolus
verbunden iſt.

Die L. C. dagegen iſt ein contractähnliches Verhält-
niß (§ 258), und hat keine Verwandſchaft mit einem De-
lict. Die Führung des Rechtsſtreits iſt an ſich von Seiten
des Beklagten nicht nothwendig tadelnswerth, ſelbſt dann
wenn am Ende das Urtheil gegen ihn ausfällt.

Nun iſt es eine unter unſeren Schriftſtellern ſehr ver-
breitete Behauptung, daß jede L. C., je nachdem die Klage
perſönlich, oder in rem iſt, ſtets die Mora oder die mala
fides
begründe (a). Nach allgemeiner Betrachtung muß
dieſer Satz unbedenklich verworfen werden, theils weil die
eben erwähnte juriſtiſche Natur dieſer drei Rechtsbegriffe
(die Ähnlichkeit mit Delicten und Contracten) von Grund
aus verſchieden iſt, theils weil ſowohl die Mora, als die
mala fides, jede ihre eigenthümlichen Bedingungen hat, ſo
daß das Daſeyn derſelben in jedem einzelnen Fall von

(a) Bayer Civilprozeß S. 233.
234. Linde § 200 Note 4. 5. —
Daß hier die Annahme der Mora
oder der mala fides ſogar auf
den Zeitpunkt der Inſinuation zu-
rückgeführt wird, beruht auf wei-
teren Fragen, deren ſelbſtſtändige
Erörterung an ihrem Orte erfol-
gen wird. Auf dem gegenwärtigen
Standpunkt der Unterſuchung iſt
dieſe fernere Differenz unerheblich.
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[80/0098] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. ſeyn, ſie ſind daher delictähnlich, und haben auch oft delictartige Folgen. Nur iſt dabei der Unterſchied zu beachten, daß die Mora in einer bloßen Unterlaſſung be- ſteht, und nicht nothwendig auf Dolus, ſondern oft auf bloßem Geldmangel beruht; anſtatt daß der unredliche Be- ſitz in einem poſitiven Handeln beſteht, und ſtets mit Dolus verbunden iſt. Die L. C. dagegen iſt ein contractähnliches Verhält- niß (§ 258), und hat keine Verwandſchaft mit einem De- lict. Die Führung des Rechtsſtreits iſt an ſich von Seiten des Beklagten nicht nothwendig tadelnswerth, ſelbſt dann wenn am Ende das Urtheil gegen ihn ausfällt. Nun iſt es eine unter unſeren Schriftſtellern ſehr ver- breitete Behauptung, daß jede L. C., je nachdem die Klage perſönlich, oder in rem iſt, ſtets die Mora oder die mala fides begründe (a). Nach allgemeiner Betrachtung muß dieſer Satz unbedenklich verworfen werden, theils weil die eben erwähnte juriſtiſche Natur dieſer drei Rechtsbegriffe (die Ähnlichkeit mit Delicten und Contracten) von Grund aus verſchieden iſt, theils weil ſowohl die Mora, als die mala fides, jede ihre eigenthümlichen Bedingungen hat, ſo daß das Daſeyn derſelben in jedem einzelnen Fall von (a) Bayer Civilprozeß S. 233. 234. Linde § 200 Note 4. 5. — Daß hier die Annahme der Mora oder der mala fides ſogar auf den Zeitpunkt der Inſinuation zu- rückgeführt wird, beruht auf wei- teren Fragen, deren ſelbſtſtändige Erörterung an ihrem Orte erfol- gen wird. Auf dem gegenwärtigen Standpunkt der Unterſuchung iſt dieſe fernere Differenz unerheblich.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/98>, abgerufen am 20.04.2024.