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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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hervorgegangen, wie dieses vorzüglich Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, Giessen 1859, darzuthun versuchte, denn die Gilden1) waren Bruderschaften zu ganz andern Zwecken als denjenigen des Handwerkes und beabsichtigten später im Allgemeinen gegenseitigen Schutz und gegenseitige Unterstützung in jeder Lage des Lebens, zumal in Noth und Gefahr, Krankheit und Tod der Verbündeten (congildae) und ihrer Angehörigen, der Brüder und deren Frauen als Schwestern, was auch die von Winzer, S. 147 ff., mitgetheilten Gildenstatute zeigen; aber die entstehenden Handwerksgenossenschaften konnten sich und haben sich in gildenweise, in der Form einer Gilde verbunden und bildeten nunmehr ganz neue Handwerksgilden, wie sie sich noch später zu den politischen Zünften gestaltet haben, bis die Zunftverfassung der Gewerbsfreiheit unterlag. Die Bruderweihe, die Gesellen- und Meisterweihe der Bauleute, der Steinmetzen ist entschieden nicht den alten Gilden entlehnt, indem dieselben eine solche nicht hatten und haben konnten, wohl aber sind es zum grösseren Theile die gemeinschaftlichen Mahle mit den dabei üblichen Gebräuchen besonders des Minnetrinkens. Das Gildenstatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden Art. 43 bestimmt z. B. in der letztern Beziehung:

"Das sind die Gesetze über die minnae der Brüder: zuerst ist zu singen dem seligen Erich, nachher dem Heiland, dann der seligen Jungfrau und bei jedem dieser minnae müssen die Brüder die Becher im Sitzen ergreifen und nachdem sie die einzelnen Becher ergriffen, müssen sie alle zugleich aufstehen und anfangen die minnae zu singen."

2)

Auch gehören hierher Art. 6 und 9 derselben Statuten:

"Kein Bruder darf einen Bruder bei einem Mächtigen verklagen oder einen Prozess, d. i. waeriaemal gegen ihn anhängen an irgend welchem Orte und ihn in Schaden oder Schande mit grosser Plage verfolgen."

"Keiner darf den Andern beim König oder der Sy-

1) Vergl. oben I. S. 640 ff.
2) Winzer, S. 151.

hervorgegangen, wie dieses vorzüglich Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, Giessen 1859, darzuthun versuchte, denn die Gilden1) waren Bruderschaften zu ganz andern Zwecken als denjenigen des Handwerkes und beabsichtigten später im Allgemeinen gegenseitigen Schutz und gegenseitige Unterstützung in jeder Lage des Lebens, zumal in Noth und Gefahr, Krankheit und Tod der Verbündeten (congildae) und ihrer Angehörigen, der Brüder und deren Frauen als Schwestern, was auch die von Winzer, S. 147 ff., mitgetheilten Gildenstatute zeigen; aber die entstehenden Handwerksgenossenschaften konnten sich und haben sich in gildenweise, in der Form einer Gilde verbunden und bildeten nunmehr ganz neue Handwerksgilden, wie sie sich noch später zu den politischen Zünften gestaltet haben, bis die Zunftverfassung der Gewerbsfreiheit unterlag. Die Bruderweihe, die Gesellen- und Meisterweihe der Bauleute, der Steinmetzen ist entschieden nicht den alten Gilden entlehnt, indem dieselben eine solche nicht hatten und haben konnten, wohl aber sind es zum grösseren Theile die gemeinschaftlichen Mahle mit den dabei üblichen Gebräuchen besonders des Minnetrinkens. Das Gildenstatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden Art. 43 bestimmt z. B. in der letztern Beziehung:

„Das sind die Gesetze über die minnae der Brüder: zuerst ist zu singen dem seligen Erich, nachher dem Heiland, dann der seligen Jungfrau und bei jedem dieser minnae müssen die Brüder die Becher im Sitzen ergreifen und nachdem sie die einzelnen Becher ergriffen, müssen sie alle zugleich aufstehen und anfangen die minnae zu singen.“

2)

Auch gehören hierher Art. 6 und 9 derselben Statuten:

„Kein Bruder darf einen Bruder bei einem Mächtigen verklagen oder einen Prozess, d. i. waeriaemal gegen ihn anhängen an irgend welchem Orte und ihn in Schaden oder Schande mit grosser Plage verfolgen.“

„Keiner darf den Andern beim König oder der Sy-

1) Vergl. oben I. S. 640 ff.
2) Winzer, S. 151.
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[323/0343] hervorgegangen, wie dieses vorzüglich Winzer, die deutschen Bruderschaften des Mittelalters, Giessen 1859, darzuthun versuchte, denn die Gilden 1) waren Bruderschaften zu ganz andern Zwecken als denjenigen des Handwerkes und beabsichtigten später im Allgemeinen gegenseitigen Schutz und gegenseitige Unterstützung in jeder Lage des Lebens, zumal in Noth und Gefahr, Krankheit und Tod der Verbündeten (congildae) und ihrer Angehörigen, der Brüder und deren Frauen als Schwestern, was auch die von Winzer, S. 147 ff., mitgetheilten Gildenstatute zeigen; aber die entstehenden Handwerksgenossenschaften konnten sich und haben sich in gildenweise, in der Form einer Gilde verbunden und bildeten nunmehr ganz neue Handwerksgilden, wie sie sich noch später zu den politischen Zünften gestaltet haben, bis die Zunftverfassung der Gewerbsfreiheit unterlag. Die Bruderweihe, die Gesellen- und Meisterweihe der Bauleute, der Steinmetzen ist entschieden nicht den alten Gilden entlehnt, indem dieselben eine solche nicht hatten und haben konnten, wohl aber sind es zum grösseren Theile die gemeinschaftlichen Mahle mit den dabei üblichen Gebräuchen besonders des Minnetrinkens. Das Gildenstatut des seligen Königs Erich zu Ringstaden Art. 43 bestimmt z. B. in der letztern Beziehung: „Das sind die Gesetze über die minnae der Brüder: zuerst ist zu singen dem seligen Erich, nachher dem Heiland, dann der seligen Jungfrau und bei jedem dieser minnae müssen die Brüder die Becher im Sitzen ergreifen und nachdem sie die einzelnen Becher ergriffen, müssen sie alle zugleich aufstehen und anfangen die minnae zu singen.“ 2) Auch gehören hierher Art. 6 und 9 derselben Statuten: „Kein Bruder darf einen Bruder bei einem Mächtigen verklagen oder einen Prozess, d. i. waeriaemal gegen ihn anhängen an irgend welchem Orte und ihn in Schaden oder Schande mit grosser Plage verfolgen.“ „Keiner darf den Andern beim König oder der Sy- 1) Vergl. oben I. S. 640 ff. 2) Winzer, S. 151.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/343>, abgerufen am 28.03.2024.