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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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erlösende Macht des dreifachen Kusses mögen bei Rochholz, Schweizersagen, z. B. Nr. 167, 170 b und d, 181 a nachgesehen werden. Um sich sodann zu überzeugen, welche Fülle von Ableitungen die Wörter tres und tertius in den romanischen Sprachen gewähren, vergl. Fuchs, die romanischen Sprachen in ihrem Verhältnisse zum Lateinischen, Halle 1849, S. 158 und 63. In Indien führt besonders Viva den Dreizack, tricaula, und wird deshalb Tricaulin, Dreizackführer geheissen,1) auch mit drei Köpfen, z. B. in den Felsentempeln von Ellora und Elephanta abgebildet;2) ebenso mit drei Augen und mit drei oder vielmehr sechs Armen. Lassen bezieht die Dreifachheit des Viva auf die göttliche Dreieinheit, Trimurti, der Schöpfung (Brahma), Erhaltung (Vischnu) und Zerstörung (Civa selbst). Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, deutet S. 434 und 565 den Dreizack des Civa und des Vischnu auf die Beherrschung der drei Welten der Sonne, des Mondes und der Erde, oder des Himmels, der Erde und der Unterwelt. Beide Deutungen sind an sich zulässig und richtig und zwar ist diejenige von Müller historisch die ältere und ursprüngliche, diejenige von Lassen die jüngere und höhere, die rein speculative, da die Lehre von der Trimurti eine spätere brahmanische Speculation zur Bekämpfung und Vereinigung des einseitigen Civa und Vischnudienstes ist, woraus es sich zugleich erklärt, dass der höchste und zusammenfassende Gott Brahma, der Gott der blossen Speculation der Brahmanen, eigentlich gar keinen Volkscultus hat, neben Civa und Vischnu vom Volke eigentlich nicht verehrt wird. Im spätern speculativen Sinne der Brahmanen bezeichnen die Dreizahl, das Dreieck, der Dreizack, die Fünfzahl und das Fünfeck gleichmässig den Schöpfer und die Schöpfung, die dreifach wirkende Gottheit und die dreifach wirkenden Götter, Gott in dem All, die Weltseele in der Welt, den Unsichtbaren in dem Sichtbaren, den Ewigen in der Zeit, den Unendlichen in der Endlichkeit. Bei den Indern gehen daher aus dem gleichseitigen Dreiecke der grossen Götter-

1) Lassen, a. a. O., II. S. 845 ff. und S. 929.
2) Lassen, a. a. O., II. S. 846 Anm. 2 und S. 1089.

erlösende Macht des dreifachen Kusses mögen bei Rochholz, Schweizersagen, z. B. Nr. 167, 170 b und d, 181 a nachgesehen werden. Um sich sodann zu überzeugen, welche Fülle von Ableitungen die Wörter tres und tertius in den romanischen Sprachen gewähren, vergl. Fuchs, die romanischen Sprachen in ihrem Verhältnisse zum Lateinischen, Halle 1849, S. 158 und 63. In Indien führt besonders Viva den Dreizack, triçûla, und wird deshalb Tricûlin, Dreizackführer geheissen,1) auch mit drei Köpfen, z. B. in den Felsentempeln von Ellora und Elephanta abgebildet;2) ebenso mit drei Augen und mit drei oder vielmehr sechs Armen. Lassen bezieht die Dreifachheit des Viva auf die göttliche Dreieinheit, Trimurti, der Schöpfung (Brahma), Erhaltung (Vischnu) und Zerstörung (Çiva selbst). Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, deutet S. 434 und 565 den Dreizack des Çiva und des Vischnu auf die Beherrschung der drei Welten der Sonne, des Mondes und der Erde, oder des Himmels, der Erde und der Unterwelt. Beide Deutungen sind an sich zulässig und richtig und zwar ist diejenige von Müller historisch die ältere und ursprüngliche, diejenige von Lassen die jüngere und höhere, die rein speculative, da die Lehre von der Trimurti eine spätere brahmanische Speculation zur Bekämpfung und Vereinigung des einseitigen Çiva und Vischnudienstes ist, woraus es sich zugleich erklärt, dass der höchste und zusammenfassende Gott Brahma, der Gott der blossen Speculation der Brahmanen, eigentlich gar keinen Volkscultus hat, neben Çiva und Vischnu vom Volke eigentlich nicht verehrt wird. Im spätern speculativen Sinne der Brahmanen bezeichnen die Dreizahl, das Dreieck, der Dreizack, die Fünfzahl und das Fünfeck gleichmässig den Schöpfer und die Schöpfung, die dreifach wirkende Gottheit und die dreifach wirkenden Götter, Gott in dem All, die Weltseele in der Welt, den Unsichtbaren in dem Sichtbaren, den Ewigen in der Zeit, den Unendlichen in der Endlichkeit. Bei den Indern gehen daher aus dem gleichseitigen Dreiecke der grossen Götter-

1) Lassen, a. a. O., II. S. 845 ff. und S. 929.
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[328/0348] erlösende Macht des dreifachen Kusses mögen bei Rochholz, Schweizersagen, z. B. Nr. 167, 170 b und d, 181 a nachgesehen werden. Um sich sodann zu überzeugen, welche Fülle von Ableitungen die Wörter tres und tertius in den romanischen Sprachen gewähren, vergl. Fuchs, die romanischen Sprachen in ihrem Verhältnisse zum Lateinischen, Halle 1849, S. 158 und 63. In Indien führt besonders Viva den Dreizack, triçûla, und wird deshalb Tricûlin, Dreizackführer geheissen, 1) auch mit drei Köpfen, z. B. in den Felsentempeln von Ellora und Elephanta abgebildet; 2) ebenso mit drei Augen und mit drei oder vielmehr sechs Armen. Lassen bezieht die Dreifachheit des Viva auf die göttliche Dreieinheit, Trimurti, der Schöpfung (Brahma), Erhaltung (Vischnu) und Zerstörung (Çiva selbst). Müller, Glauben, Wissen und Kunst der alten Hindus, deutet S. 434 und 565 den Dreizack des Çiva und des Vischnu auf die Beherrschung der drei Welten der Sonne, des Mondes und der Erde, oder des Himmels, der Erde und der Unterwelt. Beide Deutungen sind an sich zulässig und richtig und zwar ist diejenige von Müller historisch die ältere und ursprüngliche, diejenige von Lassen die jüngere und höhere, die rein speculative, da die Lehre von der Trimurti eine spätere brahmanische Speculation zur Bekämpfung und Vereinigung des einseitigen Çiva und Vischnudienstes ist, woraus es sich zugleich erklärt, dass der höchste und zusammenfassende Gott Brahma, der Gott der blossen Speculation der Brahmanen, eigentlich gar keinen Volkscultus hat, neben Çiva und Vischnu vom Volke eigentlich nicht verehrt wird. Im spätern speculativen Sinne der Brahmanen bezeichnen die Dreizahl, das Dreieck, der Dreizack, die Fünfzahl und das Fünfeck gleichmässig den Schöpfer und die Schöpfung, die dreifach wirkende Gottheit und die dreifach wirkenden Götter, Gott in dem All, die Weltseele in der Welt, den Unsichtbaren in dem Sichtbaren, den Ewigen in der Zeit, den Unendlichen in der Endlichkeit. Bei den Indern gehen daher aus dem gleichseitigen Dreiecke der grossen Götter- 1) Lassen, a. a. O., II. S. 845 ff. und S. 929. 2) Lassen, a. a. O., II. S. 846 Anm. 2 und S. 1089.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/348>, abgerufen am 19.04.2024.