Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Staatsverein traten auch Geschlechtsfremde, wenn sie nur u demselben Gewerbe gehörten, oder das Geschlechtsband gerieth in Vergessenheit und erschlaffte, wogegen die gewerblichen Bande stets mehr und lebendigere erstarkten. Collegae und sodales standen aber immer in einem besonders nahen, gleichsam verwandtschaftlichen Verhältnisse zu einander und sodalitas wird wiederholt mit cognatio und adfinitas zusammengestellt. Bei Q. Cic. de petit. consul. 5, 16 heisst es z. B.: qui sunt amici ex causa justiore cognationis aut sodalitatis aut alicujus necessitatis. Auch erhellt aus Cieeros Rede pro Sulla cap. 2, 3, §. 7, dass es bei den Collegien als eine Pflichtsache galt, ihren Mitgliedern gerichtlichen Beistand zu leisten.1) Die Familienvereine, die Familien und Geschlechter einerseits, und die gewerblichen Vereine, die Gewerbscollegien andererseits, sind die beiden Grundsäulen, auf welchen das ganze Staatsgebäude ruht und die dieses tragen. Namentlich aber musste die Städteverfassung an die Gewerbscollegien angeknüpft werden, weil ja die Städte nichts anderes sind, als die Vereinigungs- und Mittelpunkte des gewerblichen Lebens, wie die Dörfer des Landlebens, der Ackerbauer. Wo man Städte gründen und blühend machen wollte, musste man Gewerbe und Handwerke einführen und beschützen und die Städtegesetzgebung fällt mit der Gewerbs- und Handwerksgesetzgebung zusammen. Die römischen Gewerbscollegien beruhten auf dem Grundgedanken, dass Diejenigen, welche zu demselben College gehören, - collegae, sodales, in der möglichst innigen Vereinigung aller Lebensverhältnisse und Lebensschicksale, - des Lebens, Leidens und Sterbens, - der Erde und des Himmels zu einander stehen sollten. Die städtischen Gewerbscollegien (universitates, collegia) waren eine Stadt, eine Gemeinheit in der grossen städtischen und staatlichen Gemeinheit mit derselben Grundverfassung und Grundbestimmung.2) Daher sagt Gajus in I. 1 §. 1 D. quod

1) K. Halm, Ciceros ausgewählte Reden, III. Bändchen (Berlin 1859) zu obiger Stelle.
2) Vergl. Seuffert, practisches Pandectenrecht, §. 51; Puchta, Pandecten, §. 26; Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, I. §. 53 ff.

Staatsverein traten auch Geschlechtsfremde, wenn sie nur u demselben Gewerbe gehörten, oder das Geschlechtsband gerieth in Vergessenheit und erschlaffte, wogegen die gewerblichen Bande stets mehr und lebendigere erstarkten. Collegae und sodales standen aber immer in einem besonders nahen, gleichsam verwandtschaftlichen Verhältnisse zu einander und sodalitas wird wiederholt mit cognatio und adfinitas zusammengestellt. Bei Q. Cic. de petit. consul. 5, 16 heisst es z. B.: qui sunt amici ex causa justiore cognationis aut sodalitatis aut alicujus necessitatis. Auch erhellt aus Cieeros Rede pro Sulla cap. 2, 3, §. 7, dass es bei den Collegien als eine Pflichtsache galt, ihren Mitgliedern gerichtlichen Beistand zu leisten.1) Die Familienvereine, die Familien und Geschlechter einerseits, und die gewerblichen Vereine, die Gewerbscollegien andererseits, sind die beiden Grundsäulen, auf welchen das ganze Staatsgebäude ruht und die dieses tragen. Namentlich aber musste die Städteverfassung an die Gewerbscollegien angeknüpft werden, weil ja die Städte nichts anderes sind, als die Vereinigungs- und Mittelpunkte des gewerblichen Lebens, wie die Dörfer des Landlebens, der Ackerbauer. Wo man Städte gründen und blühend machen wollte, musste man Gewerbe und Handwerke einführen und beschützen und die Städtegesetzgebung fällt mit der Gewerbs- und Handwerksgesetzgebung zusammen. Die römischen Gewerbscollegien beruhten auf dem Grundgedanken, dass Diejenigen, welche zu demselben College gehören, – collegae, sodales, in der möglichst innigen Vereinigung aller Lebensverhältnisse und Lebensschicksale, – des Lebens, Leidens und Sterbens, – der Erde und des Himmels zu einander stehen sollten. Die städtischen Gewerbscollegien (universitates, collegia) waren eine Stadt, eine Gemeinheit in der grossen städtischen und staatlichen Gemeinheit mit derselben Grundverfassung und Grundbestimmung.2) Daher sagt Gajus in I. 1 §. 1 D. quod

1) K. Halm, Ciceros ausgewählte Reden, III. Bändchen (Berlin 1859) zu obiger Stelle.
2) Vergl. Seuffert, practisches Pandectenrecht, §. 51; Puchta, Pandecten, §. 26; Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, I. §. 53 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0242" n="222"/>
Staatsverein traten auch Geschlechtsfremde, wenn sie nur u demselben Gewerbe gehörten, oder das Geschlechtsband gerieth in Vergessenheit und erschlaffte, wogegen die gewerblichen Bande stets mehr und lebendigere erstarkten. Collegae und sodales standen aber immer in einem besonders nahen, gleichsam verwandtschaftlichen Verhältnisse zu einander und sodalitas wird wiederholt mit cognatio und adfinitas zusammengestellt. Bei Q. Cic. de petit. consul. 5, 16 heisst es z. B.: qui sunt amici ex causa justiore cognationis aut sodalitatis aut alicujus necessitatis. Auch erhellt aus Cieeros Rede pro Sulla cap. 2, 3, §. 7, dass es bei den Collegien als eine Pflichtsache galt, ihren Mitgliedern gerichtlichen Beistand zu leisten.<note place="foot" n="1)">K. Halm, Ciceros ausgewählte Reden, III. Bändchen (Berlin 1859) zu obiger Stelle.<lb/></note> Die Familienvereine, die Familien und Geschlechter einerseits, und die gewerblichen Vereine, die Gewerbscollegien andererseits, sind die beiden Grundsäulen, auf welchen das ganze Staatsgebäude ruht und die dieses tragen. Namentlich aber musste die Städteverfassung an die Gewerbscollegien angeknüpft werden, weil ja die Städte nichts anderes sind, als die Vereinigungs- und Mittelpunkte des gewerblichen Lebens, wie die Dörfer des Landlebens, der Ackerbauer. Wo man Städte gründen und blühend machen wollte, musste man Gewerbe und Handwerke einführen und beschützen und die Städtegesetzgebung fällt mit der Gewerbs- und Handwerksgesetzgebung zusammen. Die römischen Gewerbscollegien beruhten auf dem Grundgedanken, dass Diejenigen, welche zu demselben College gehören, &#x2013; collegae, sodales, in der möglichst innigen Vereinigung aller Lebensverhältnisse und Lebensschicksale, &#x2013; des Lebens, Leidens und Sterbens, &#x2013; der Erde und des Himmels zu einander stehen sollten. Die städtischen Gewerbscollegien (universitates, collegia) waren eine Stadt, eine Gemeinheit in der grossen städtischen und staatlichen Gemeinheit mit derselben Grundverfassung und Grundbestimmung.<note place="foot" n="2)">Vergl. Seuffert, practisches Pandectenrecht, §. 51; Puchta, Pandecten, §. 26; Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, I. §. 53 ff.</note> Daher sagt Gajus in I. 1 §. 1 D. quod
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[222/0242] Staatsverein traten auch Geschlechtsfremde, wenn sie nur u demselben Gewerbe gehörten, oder das Geschlechtsband gerieth in Vergessenheit und erschlaffte, wogegen die gewerblichen Bande stets mehr und lebendigere erstarkten. Collegae und sodales standen aber immer in einem besonders nahen, gleichsam verwandtschaftlichen Verhältnisse zu einander und sodalitas wird wiederholt mit cognatio und adfinitas zusammengestellt. Bei Q. Cic. de petit. consul. 5, 16 heisst es z. B.: qui sunt amici ex causa justiore cognationis aut sodalitatis aut alicujus necessitatis. Auch erhellt aus Cieeros Rede pro Sulla cap. 2, 3, §. 7, dass es bei den Collegien als eine Pflichtsache galt, ihren Mitgliedern gerichtlichen Beistand zu leisten. 1) Die Familienvereine, die Familien und Geschlechter einerseits, und die gewerblichen Vereine, die Gewerbscollegien andererseits, sind die beiden Grundsäulen, auf welchen das ganze Staatsgebäude ruht und die dieses tragen. Namentlich aber musste die Städteverfassung an die Gewerbscollegien angeknüpft werden, weil ja die Städte nichts anderes sind, als die Vereinigungs- und Mittelpunkte des gewerblichen Lebens, wie die Dörfer des Landlebens, der Ackerbauer. Wo man Städte gründen und blühend machen wollte, musste man Gewerbe und Handwerke einführen und beschützen und die Städtegesetzgebung fällt mit der Gewerbs- und Handwerksgesetzgebung zusammen. Die römischen Gewerbscollegien beruhten auf dem Grundgedanken, dass Diejenigen, welche zu demselben College gehören, – collegae, sodales, in der möglichst innigen Vereinigung aller Lebensverhältnisse und Lebensschicksale, – des Lebens, Leidens und Sterbens, – der Erde und des Himmels zu einander stehen sollten. Die städtischen Gewerbscollegien (universitates, collegia) waren eine Stadt, eine Gemeinheit in der grossen städtischen und staatlichen Gemeinheit mit derselben Grundverfassung und Grundbestimmung. 2) Daher sagt Gajus in I. 1 §. 1 D. quod 1) K. Halm, Ciceros ausgewählte Reden, III. Bändchen (Berlin 1859) zu obiger Stelle. 2) Vergl. Seuffert, practisches Pandectenrecht, §. 51; Puchta, Pandecten, §. 26; Vangerow, Lehrbuch der Pandecten, I. §. 53 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/242
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/242>, abgerufen am 29.03.2024.