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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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Rundung des Chors sogar erst seit 1296 im Laufe des 14ten Jahrh. errichtet.1) Im J. 1243 war auch der Bau der Sainte-Chapelle zu Paris beschlossen und innerhalb 8 Jahren vollendet worden,2) ungeachtet des reichsten plastischen Schmuckes. Gerade zu jener Zeit muss daher unter diesen Umständen zu Paris eine sehr thätige Bauhütte bestanden haben, allein aus den Statuten des Boileau ist darüber deshalb nichts ersichtlich, weil diese Bauhütte keine städtische feste Zunft bildete. Schon Suger, der berühmte Abt von St. Denis, hatte im 12ten Jahrh. zur Ausführung seiner Bauunternehmungen Künstler aus allen Gegenden Frankreichs, aus Deutschland und aus Italien herbeigezogen.3) Die Abtei St. Germain des Pres hatte der im J. 1014 verstorbene Abt Morard ausgeführt und die Abteikirche St. Genevieve war im J. 1068 erbaut worden.4) Die französischen und die ihnen vorangehenden fränkischen Bauhütten sind in aller Hinsicht römischen Ursprunges oder knüpfen hinsichtlich ihrer Gewerke und Künste, ihrer Einrichtungen und Gebräuche, - ihres Glaubens, Redens und Handelns genau an die Zustände an, welche sich in den letzten Zeiten des weströmischen Reiches in Gallien gebildet hatten und hier auch unter den Franken in den Kirchen und Städten vielfach forterhielten. Lübke, der gothische Styl und die Nationalitäten, in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 257 ff., erklärt die gothische Baukunst (opus francigenum), welche Andere, z. B. Raumer, Geschichte der Hohenstaufen, VI. S. 524 ff., die deutsche oder wenigstens die germanische genannt wissen wollen,5) als von den Franzosen ausgegangen, indem sie bei ihnen unter der glänzenden Regierungszeit Philipp Augusts (1180 - 1223) geschaffen worden sei und zwar als Ausdruck des unter königlichem Schutze emporstrebenden Bürgerthums; aus

1) Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, V. S. 85.
2) Schnaase, V. S. 36 Anm.
3) Schnaase, IV. 2. S. 573.
4) Schnaase, IV. 2. S. 366.
5) Vergl. auch Göthe, von deutscher Baukunst, in der Cottaschen Gesammtausgabe der Werke, XXXI. S. 352 ff.

Rundung des Chors sogar erst seit 1296 im Laufe des 14ten Jahrh. errichtet.1) Im J. 1243 war auch der Bau der Sainte-Chapelle zu Paris beschlossen und innerhalb 8 Jahren vollendet worden,2) ungeachtet des reichsten plastischen Schmuckes. Gerade zu jener Zeit muss daher unter diesen Umständen zu Paris eine sehr thätige Bauhütte bestanden haben, allein aus den Statuten des Boileau ist darüber deshalb nichts ersichtlich, weil diese Bauhütte keine städtische feste Zunft bildete. Schon Suger, der berühmte Abt von St. Denis, hatte im 12ten Jahrh. zur Ausführung seiner Bauunternehmungen Künstler aus allen Gegenden Frankreichs, aus Deutschland und aus Italien herbeigezogen.3) Die Abtei St. Germain des Prés hatte der im J. 1014 verstorbene Abt Morard ausgeführt und die Abteikirche St. Geneviéve war im J. 1068 erbaut worden.4) Die französischen und die ihnen vorangehenden fränkischen Bauhütten sind in aller Hinsicht römischen Ursprunges oder knüpfen hinsichtlich ihrer Gewerke und Künste, ihrer Einrichtungen und Gebräuche, – ihres Glaubens, Redens und Handelns genau an die Zustände an, welche sich in den letzten Zeiten des weströmischen Reiches in Gallien gebildet hatten und hier auch unter den Franken in den Kirchen und Städten vielfach forterhielten. Lübke, der gothische Styl und die Nationalitäten, in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 257 ff., erklärt die gothische Baukunst (opus francigenum), welche Andere, z. B. Raumer, Geschichte der Hohenstaufen, VI. S. 524 ff., die deutsche oder wenigstens die germanische genannt wissen wollen,5) als von den Franzosen ausgegangen, indem sie bei ihnen unter der glänzenden Regierungszeit Philipp Augusts (1180 – 1223) geschaffen worden sei und zwar als Ausdruck des unter königlichem Schutze emporstrebenden Bürgerthums; aus

1) Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, V. S. 85.
2) Schnaase, V. S. 36 Anm.
3) Schnaase, IV. 2. S. 573.
4) Schnaase, IV. 2. S. 366.
5) Vergl. auch Göthe, von deutscher Baukunst, in der Cottaschen Gesammtausgabe der Werke, XXXI. S. 352 ff.
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[266/0286] Rundung des Chors sogar erst seit 1296 im Laufe des 14ten Jahrh. errichtet. 1) Im J. 1243 war auch der Bau der Sainte-Chapelle zu Paris beschlossen und innerhalb 8 Jahren vollendet worden, 2) ungeachtet des reichsten plastischen Schmuckes. Gerade zu jener Zeit muss daher unter diesen Umständen zu Paris eine sehr thätige Bauhütte bestanden haben, allein aus den Statuten des Boileau ist darüber deshalb nichts ersichtlich, weil diese Bauhütte keine städtische feste Zunft bildete. Schon Suger, der berühmte Abt von St. Denis, hatte im 12ten Jahrh. zur Ausführung seiner Bauunternehmungen Künstler aus allen Gegenden Frankreichs, aus Deutschland und aus Italien herbeigezogen. 3) Die Abtei St. Germain des Prés hatte der im J. 1014 verstorbene Abt Morard ausgeführt und die Abteikirche St. Geneviéve war im J. 1068 erbaut worden. 4) Die französischen und die ihnen vorangehenden fränkischen Bauhütten sind in aller Hinsicht römischen Ursprunges oder knüpfen hinsichtlich ihrer Gewerke und Künste, ihrer Einrichtungen und Gebräuche, – ihres Glaubens, Redens und Handelns genau an die Zustände an, welche sich in den letzten Zeiten des weströmischen Reiches in Gallien gebildet hatten und hier auch unter den Franken in den Kirchen und Städten vielfach forterhielten. Lübke, der gothische Styl und die Nationalitäten, in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft, II. S. 257 ff., erklärt die gothische Baukunst (opus francigenum), welche Andere, z. B. Raumer, Geschichte der Hohenstaufen, VI. S. 524 ff., die deutsche oder wenigstens die germanische genannt wissen wollen, 5) als von den Franzosen ausgegangen, indem sie bei ihnen unter der glänzenden Regierungszeit Philipp Augusts (1180 – 1223) geschaffen worden sei und zwar als Ausdruck des unter königlichem Schutze emporstrebenden Bürgerthums; aus 1) Schnaase, Gesch. der bildenden Künste, V. S. 85. 2) Schnaase, V. S. 36 Anm. 3) Schnaase, IV. 2. S. 573. 4) Schnaase, IV. 2. S. 366. 5) Vergl. auch Göthe, von deutscher Baukunst, in der Cottaschen Gesammtausgabe der Werke, XXXI. S. 352 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/286>, abgerufen am 23.04.2024.