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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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unentdeckt vom Feind, schlummerte er in der Klause am Fels. Ich
hab' geträumt, es sei ein ewiger Friede über die Welt gekommen,
sprach er zu den Brüdern, wie sie ihn weckten.

Aber im abgelegenen Sitterthal blieb's nimmer lang still; die
Hunnen fanden den Weg zu uns: das war ein Schwärmen und Pfeifen
und Grunzen, wie's der Tannwald noch nie gehört. Unsere Mauern
waren fest und unser Muth stark, doch hungrige Männer werden
des Belagertseins unlustig; vorgestern war unser Vorrath aufgezehrt,
wie es dunkelte, sahen wir die Rauchsäule aufsteigen vom Brand un-
seres Klosters; da brachen wir nächtlicher Weile durch den Feind, der
Herr war mit uns und bahnte den Weg, unsere Schwerter halfen
auch dazu: so sind wir zu Euch gekommen ...

Der Abt neigte sich gegen Frau Hadwig --

... heimathlos und verwaist, wie Vögel, in deren Nest der Blitz
geschlagen, und bringen Euch nichts mit, als die Kunde, daß der
Hunne, den Gott vernichten möge, uns auf den Fersen nachfolgt ...

Je eher er kommt, je besser! sprach der Reichenauer Abt trotzig
und hob seinen Becher.

Sieg den tapfern Waffen der Streiter Gottes! sprach die Herzogin
und stieß mit ihnen an.

Und Rache für den braven Romeias! sagte Praxedis leise mit
Thränen im Aug', wie der dürre Fridinger sein Glas an das ihrige
klingen ließ.

Es war spät geworden. Wilder Gesang und Kriegslärm erschallte
noch im untern Saal. Der junge Bruder, der von Mutina in
Welschland nach der Reichenau gekommen war, hatte sein Wächterlied
wieder angestimmt.

Die Gelegenheit zu ernster That sollte nicht lange mehr auf sich
warten lassen.



D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 11

unentdeckt vom Feind, ſchlummerte er in der Klauſe am Fels. Ich
hab' geträumt, es ſei ein ewiger Friede über die Welt gekommen,
ſprach er zu den Brüdern, wie ſie ihn weckten.

Aber im abgelegenen Sitterthal blieb's nimmer lang ſtill; die
Hunnen fanden den Weg zu uns: das war ein Schwärmen und Pfeifen
und Grunzen, wie's der Tannwald noch nie gehört. Unſere Mauern
waren feſt und unſer Muth ſtark, doch hungrige Männer werden
des Belagertſeins unluſtig; vorgeſtern war unſer Vorrath aufgezehrt,
wie es dunkelte, ſahen wir die Rauchſäule aufſteigen vom Brand un-
ſeres Kloſters; da brachen wir nächtlicher Weile durch den Feind, der
Herr war mit uns und bahnte den Weg, unſere Schwerter halfen
auch dazu: ſo ſind wir zu Euch gekommen ...

Der Abt neigte ſich gegen Frau Hadwig —

... heimathlos und verwaist, wie Vögel, in deren Neſt der Blitz
geſchlagen, und bringen Euch nichts mit, als die Kunde, daß der
Hunne, den Gott vernichten möge, uns auf den Ferſen nachfolgt ...

Je eher er kommt, je beſſer! ſprach der Reichenauer Abt trotzig
und hob ſeinen Becher.

Sieg den tapfern Waffen der Streiter Gottes! ſprach die Herzogin
und ſtieß mit ihnen an.

Und Rache für den braven Romeias! ſagte Praxedis leiſe mit
Thränen im Aug', wie der dürre Fridinger ſein Glas an das ihrige
klingen ließ.

Es war ſpät geworden. Wilder Geſang und Kriegslärm erſchallte
noch im untern Saal. Der junge Bruder, der von Mutina in
Welſchland nach der Reichenau gekommen war, hatte ſein Wächterlied
wieder angeſtimmt.

Die Gelegenheit zu ernſter That ſollte nicht lange mehr auf ſich
warten laſſen.



D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 11
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[161/0183] unentdeckt vom Feind, ſchlummerte er in der Klauſe am Fels. Ich hab' geträumt, es ſei ein ewiger Friede über die Welt gekommen, ſprach er zu den Brüdern, wie ſie ihn weckten. Aber im abgelegenen Sitterthal blieb's nimmer lang ſtill; die Hunnen fanden den Weg zu uns: das war ein Schwärmen und Pfeifen und Grunzen, wie's der Tannwald noch nie gehört. Unſere Mauern waren feſt und unſer Muth ſtark, doch hungrige Männer werden des Belagertſeins unluſtig; vorgeſtern war unſer Vorrath aufgezehrt, wie es dunkelte, ſahen wir die Rauchſäule aufſteigen vom Brand un- ſeres Kloſters; da brachen wir nächtlicher Weile durch den Feind, der Herr war mit uns und bahnte den Weg, unſere Schwerter halfen auch dazu: ſo ſind wir zu Euch gekommen ... Der Abt neigte ſich gegen Frau Hadwig — ... heimathlos und verwaist, wie Vögel, in deren Neſt der Blitz geſchlagen, und bringen Euch nichts mit, als die Kunde, daß der Hunne, den Gott vernichten möge, uns auf den Ferſen nachfolgt ... Je eher er kommt, je beſſer! ſprach der Reichenauer Abt trotzig und hob ſeinen Becher. Sieg den tapfern Waffen der Streiter Gottes! ſprach die Herzogin und ſtieß mit ihnen an. Und Rache für den braven Romeias! ſagte Praxedis leiſe mit Thränen im Aug', wie der dürre Fridinger ſein Glas an das ihrige klingen ließ. Es war ſpät geworden. Wilder Geſang und Kriegslärm erſchallte noch im untern Saal. Der junge Bruder, der von Mutina in Welſchland nach der Reichenau gekommen war, hatte ſein Wächterlied wieder angeſtimmt. Die Gelegenheit zu ernſter That ſollte nicht lange mehr auf ſich warten laſſen. D. B. VII. Scheffel, Ekkehard. 11

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/183>, abgerufen am 25.04.2024.