Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Vierundzwanzigstes Kapitel.
Das Waltarilied.279)
Das war der König Etzel im fröhlichen Hunnenreich
Der ließ das Heerhorn blasen: "Ihr Mannen, rüstet euch!
Wohlauf zu Roß, zu Felde, nach Franken geht der Zug,
Wir machen zu Worms am Rheine uneingeladen Besuch!"
Der Frankenkönig Gibich saß dort auf hohem Thron,
Sein Herze wollt sich freuen, ihm war geboren ein Sohn,
Da kam unfrohe Kunde gerauscht an Gibich's Ohr:
Es wälzt ein Schwarm von Feinden sich von der Donau vor,
Es steht auf fränkischer Erde der Hunnen reisig Heer,
Zahllos wie Stern' am Himmel, zahllos wie Sand am Meer.
Da blaßten Gibich's Wangen. Die Seinen rief er bei
Und pflog mit ihnen Rathes was zu beginnen sei.
Da stimmten all die Mannen: Ein Bündniß nur uns frommt,
Wir müssen Handschlag zollen dem Hunnen wenn er kommt;
Wir müssen Geiseln stellen und zahlen den Königszins,
Deß freuen wir noch immer uns größeren Gewinns
Als daß, ungleiche Kämpfer, wir Land zugleich und Leben
Und Weib und Kind und Alles dem Feind zu Handen geben.
Vierundzwanzigſtes Kapitel.
Das Waltarilied.279)
Das war der König Etzel im fröhlichen Hunnenreich
Der ließ das Heerhorn blaſen: „Ihr Mannen, rüſtet euch!
Wohlauf zu Roß, zu Felde, nach Franken geht der Zug,
Wir machen zu Worms am Rheine uneingeladen Beſuch!“
Der Frankenkönig Gibich ſaß dort auf hohem Thron,
Sein Herze wollt ſich freuen, ihm war geboren ein Sohn,
Da kam unfrohe Kunde gerauſcht an Gibich's Ohr:
Es wälzt ein Schwarm von Feinden ſich von der Donau vor,
Es ſteht auf fränkiſcher Erde der Hunnen reiſig Heer,
Zahllos wie Stern' am Himmel, zahllos wie Sand am Meer.
Da blaßten Gibich's Wangen. Die Seinen rief er bei
Und pflog mit ihnen Rathes was zu beginnen ſei.
Da ſtimmten all die Mannen: Ein Bündniß nur uns frommt,
Wir müſſen Handſchlag zollen dem Hunnen wenn er kommt;
Wir müſſen Geiſeln ſtellen und zahlen den Königszins,
Deß freuen wir noch immer uns größeren Gewinns
Als daß, ungleiche Kämpfer, wir Land zugleich und Leben
Und Weib und Kind und Alles dem Feind zu Handen geben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0370"/>
      <div n="1">
        <head><hi rendition="#g">Vierundzwanzig&#x017F;tes Kapitel</hi>.</head><lb/>
        <lg type="poem">
          <head>Das Waltarilied.<note xml:id="ed279" next="#edt279" place="end" n="279)"/></head><lb/>
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>as war der König Etzel im fröhlichen Hunnenreich</l><lb/>
            <l>Der ließ das Heerhorn bla&#x017F;en: &#x201E;Ihr Mannen, rü&#x017F;tet euch!</l><lb/>
            <l>Wohlauf zu Roß, zu Felde, nach Franken geht der Zug,</l><lb/>
            <l>Wir machen zu Worms am Rheine uneingeladen Be&#x017F;uch!&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Der Frankenkönig Gibich &#x017F;aß dort auf hohem Thron,</l><lb/>
            <l>Sein Herze wollt &#x017F;ich freuen, ihm war geboren ein Sohn,</l><lb/>
            <l>Da kam unfrohe Kunde gerau&#x017F;cht an Gibich's Ohr:</l><lb/>
            <l>Es wälzt ein Schwarm von Feinden &#x017F;ich von der Donau vor,</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;teht auf fränki&#x017F;cher Erde der Hunnen rei&#x017F;ig Heer,</l><lb/>
            <l>Zahllos wie Stern' am Himmel, zahllos wie Sand am Meer.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Da blaßten Gibich's Wangen. Die Seinen rief er bei</l><lb/>
            <l>Und pflog mit ihnen Rathes was zu beginnen &#x017F;ei.</l><lb/>
            <l>Da &#x017F;timmten all die Mannen: Ein Bündniß nur uns frommt,</l><lb/>
            <l>Wir mü&#x017F;&#x017F;en Hand&#x017F;chlag zollen dem Hunnen wenn er kommt;</l><lb/>
            <l>Wir mü&#x017F;&#x017F;en Gei&#x017F;eln &#x017F;tellen und zahlen den Königszins,</l><lb/>
            <l>Deß freuen wir noch immer uns größeren Gewinns</l><lb/>
            <l>Als daß, ungleiche Kämpfer, wir Land zugleich und Leben</l><lb/>
            <l>Und Weib und Kind und Alles dem Feind zu Handen geben.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0370] Vierundzwanzigſtes Kapitel. Das Waltarilied. ²⁷⁹⁾ Das war der König Etzel im fröhlichen Hunnenreich Der ließ das Heerhorn blaſen: „Ihr Mannen, rüſtet euch! Wohlauf zu Roß, zu Felde, nach Franken geht der Zug, Wir machen zu Worms am Rheine uneingeladen Beſuch!“ Der Frankenkönig Gibich ſaß dort auf hohem Thron, Sein Herze wollt ſich freuen, ihm war geboren ein Sohn, Da kam unfrohe Kunde gerauſcht an Gibich's Ohr: Es wälzt ein Schwarm von Feinden ſich von der Donau vor, Es ſteht auf fränkiſcher Erde der Hunnen reiſig Heer, Zahllos wie Stern' am Himmel, zahllos wie Sand am Meer. Da blaßten Gibich's Wangen. Die Seinen rief er bei Und pflog mit ihnen Rathes was zu beginnen ſei. Da ſtimmten all die Mannen: Ein Bündniß nur uns frommt, Wir müſſen Handſchlag zollen dem Hunnen wenn er kommt; Wir müſſen Geiſeln ſtellen und zahlen den Königszins, Deß freuen wir noch immer uns größeren Gewinns Als daß, ungleiche Kämpfer, wir Land zugleich und Leben Und Weib und Kind und Alles dem Feind zu Handen geben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/370
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/370>, abgerufen am 06.11.2024.