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Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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möchten, statt mit Gründen um sich -- lassen wir ihn auf seinem Klotz:

Bald schallte in der Rheinebene Hornruf und der alte Kriegsgesang vom Herzog Krokus; sie zogen auf die Heerfahrt, die Einen zu Roß, die Andern auf wohlgeschirrten Ochsenwagen, wieder Andere in schmalen Nachen, ein wenig bekleideter, aber mit Schwert, Axt und Schild gewaffneter wilder Kriegerschwarm -- Alle landab zum großen hunnischen Rheinübergang.

Jetzt war's lange stiller und einsamer um den Klotz von Istein, als je, und Hugideo saß wieder wie sonst auf seinem Felsenvorsprung.

Die Welt war ein klirrendes, schwirrendes Kriegslager geworden, dessen Lärm den Kaisern zu Ravenna und Byzanz manch schlaflose Nacht bereitete, -- die Wogen der großen Völkersündflut schlugen über dem armen Gallien zusarnmen -- er hörte Nichts davon.

An einem nebligen Herbstabend stand sein Freund, der Salmenfischer, wieder vor ihm; er trug eine Hand weniger, als da er ausgezogen, und sonst noch etliche namhafte Spuren von Zerhackung und Zersäblung, aber einen Gürtel um den Leib, schwer von römischen Goldmünzen, und ein vornehm goldgriffig Schwert an der Seite.

Bei der Seele meiner Mutter, das war das Aergste, seit die Welt steht und bis sie wieder untergeht! sprach er . . . und erzählte ihm die Völkerschlacht auf den catalaunischen Feldern, wo die Alamannen auf

möchten, statt mit Gründen um sich — lassen wir ihn auf seinem Klotz:

Bald schallte in der Rheinebene Hornruf und der alte Kriegsgesang vom Herzog Krokus; sie zogen auf die Heerfahrt, die Einen zu Roß, die Andern auf wohlgeschirrten Ochsenwagen, wieder Andere in schmalen Nachen, ein wenig bekleideter, aber mit Schwert, Axt und Schild gewaffneter wilder Kriegerschwarm — Alle landab zum großen hunnischen Rheinübergang.

Jetzt war's lange stiller und einsamer um den Klotz von Istein, als je, und Hugideo saß wieder wie sonst auf seinem Felsenvorsprung.

Die Welt war ein klirrendes, schwirrendes Kriegslager geworden, dessen Lärm den Kaisern zu Ravenna und Byzanz manch schlaflose Nacht bereitete, — die Wogen der großen Völkersündflut schlugen über dem armen Gallien zusarnmen — er hörte Nichts davon.

An einem nebligen Herbstabend stand sein Freund, der Salmenfischer, wieder vor ihm; er trug eine Hand weniger, als da er ausgezogen, und sonst noch etliche namhafte Spuren von Zerhackung und Zersäblung, aber einen Gürtel um den Leib, schwer von römischen Goldmünzen, und ein vornehm goldgriffig Schwert an der Seite.

Bei der Seele meiner Mutter, das war das Aergste, seit die Welt steht und bis sie wieder untergeht! sprach er . . . und erzählte ihm die Völkerschlacht auf den catalaunischen Feldern, wo die Alamannen auf

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:06:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:06:35Z)

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/14>, abgerufen am 28.03.2024.