Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

sich hinzog. Drüben am städtereicheren linken Ufer galt römisch Recht und römisch Wesen, diesseits aber saßen und schweiften die Alamannen, ein rauh, streitbar, bärbeißig, dreinschlagend Volk -- und war somit am Isteiner Klotz das alte Sprichwort "auf einen groben Klotz ein grober Keil" bezüglich der Landeinwohner ziemlich eingetroffen. Sie lebten in wenigen zerstreuten Gehöften, trieben Jagd im Schwarzwald und Fischfang in Bach und Strom, verschliefen manch lieben langen Tag auf der Bärenhaut, vertranken manch liebe lange Nacht beim Bierkrug und harrten, bis das Heerhorn blies und sie zu keckem, wildwüthigem Raubzug in des feineren Nachbars Land hinüberrief.

Zu selber Zeit kam einstmals ein Mann den Rhein entlang geschritten, der sah trüb und traurig drein, war auch eine hoch aufgeschossene blondlockige, rothwangige Gestalt, aber kein Landbürtiger, trug ein faltig Gewand, wie Einer, der bei den Römern drüben gehaus't, und schien einen schweren Kummer als Reisegepäck mit sich zu führen, denn er schaute oftmals in des Rheines grünflutende Wogen, als zög' es ihn zu ihnen hinunter, und möcht' er am liebsten auf kühlem Stromgrund sein Quartier nehmen.

Wie er aber auf einsamer Wanderung jene Kalkwand erschaute und über Stein und Fels pfadlos bergan schritt, gefiel ihm der Platz; denn in der Bergwand war ein schattiger Höhlenraum, wo sich ungestört in den Rhein hinunter und zum Vogesenwald hinüber-

sich hinzog. Drüben am städtereicheren linken Ufer galt römisch Recht und römisch Wesen, diesseits aber saßen und schweiften die Alamannen, ein rauh, streitbar, bärbeißig, dreinschlagend Volk — und war somit am Isteiner Klotz das alte Sprichwort „auf einen groben Klotz ein grober Keil“ bezüglich der Landeinwohner ziemlich eingetroffen. Sie lebten in wenigen zerstreuten Gehöften, trieben Jagd im Schwarzwald und Fischfang in Bach und Strom, verschliefen manch lieben langen Tag auf der Bärenhaut, vertranken manch liebe lange Nacht beim Bierkrug und harrten, bis das Heerhorn blies und sie zu keckem, wildwüthigem Raubzug in des feineren Nachbars Land hinüberrief.

Zu selber Zeit kam einstmals ein Mann den Rhein entlang geschritten, der sah trüb und traurig drein, war auch eine hoch aufgeschossene blondlockige, rothwangige Gestalt, aber kein Landbürtiger, trug ein faltig Gewand, wie Einer, der bei den Römern drüben gehaus't, und schien einen schweren Kummer als Reisegepäck mit sich zu führen, denn er schaute oftmals in des Rheines grünflutende Wogen, als zög‘ es ihn zu ihnen hinunter, und möcht‘ er am liebsten auf kühlem Stromgrund sein Quartier nehmen.

Wie er aber auf einsamer Wanderung jene Kalkwand erschaute und über Stein und Fels pfadlos bergan schritt, gefiel ihm der Platz; denn in der Bergwand war ein schattiger Höhlenraum, wo sich ungestört in den Rhein hinunter und zum Vogesenwald hinüber-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="0">
        <p><pb facs="#f0008"/>
sich hinzog. Drüben         am städtereicheren linken Ufer galt römisch Recht und römisch Wesen, diesseits aber saßen         und schweiften die Alamannen, ein rauh, streitbar, bärbeißig, dreinschlagend Volk &#x2014; und war         somit am Isteiner Klotz das alte Sprichwort &#x201E;auf einen groben Klotz ein grober Keil&#x201C;         bezüglich der Landeinwohner ziemlich eingetroffen. Sie lebten in wenigen zerstreuten         Gehöften, trieben Jagd im Schwarzwald und Fischfang in Bach und Strom, verschliefen manch         lieben langen Tag auf der Bärenhaut, vertranken manch liebe lange Nacht beim Bierkrug und         harrten, bis das Heerhorn blies und sie zu keckem, wildwüthigem Raubzug in des feineren         Nachbars Land hinüberrief.</p><lb/>
        <p>Zu selber Zeit kam einstmals ein Mann den Rhein entlang geschritten, der sah trüb und         traurig drein, war auch eine hoch aufgeschossene blondlockige, rothwangige Gestalt, aber         kein Landbürtiger, trug ein faltig Gewand, wie Einer, der bei den Römern drüben gehaus't,         und schien einen schweren Kummer als Reisegepäck mit sich zu führen, denn er schaute oftmals         in des Rheines grünflutende Wogen, als zög&#x2018; es ihn zu ihnen hinunter, und möcht&#x2018; er am         liebsten auf kühlem Stromgrund sein Quartier nehmen.</p><lb/>
        <p>Wie er aber auf einsamer Wanderung jene Kalkwand erschaute und über Stein und Fels pfadlos         bergan schritt, gefiel ihm der Platz; denn in der Bergwand war ein schattiger Höhlenraum, wo         sich ungestört in den Rhein hinunter und zum Vogesenwald hinüber-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0008] sich hinzog. Drüben am städtereicheren linken Ufer galt römisch Recht und römisch Wesen, diesseits aber saßen und schweiften die Alamannen, ein rauh, streitbar, bärbeißig, dreinschlagend Volk — und war somit am Isteiner Klotz das alte Sprichwort „auf einen groben Klotz ein grober Keil“ bezüglich der Landeinwohner ziemlich eingetroffen. Sie lebten in wenigen zerstreuten Gehöften, trieben Jagd im Schwarzwald und Fischfang in Bach und Strom, verschliefen manch lieben langen Tag auf der Bärenhaut, vertranken manch liebe lange Nacht beim Bierkrug und harrten, bis das Heerhorn blies und sie zu keckem, wildwüthigem Raubzug in des feineren Nachbars Land hinüberrief. Zu selber Zeit kam einstmals ein Mann den Rhein entlang geschritten, der sah trüb und traurig drein, war auch eine hoch aufgeschossene blondlockige, rothwangige Gestalt, aber kein Landbürtiger, trug ein faltig Gewand, wie Einer, der bei den Römern drüben gehaus't, und schien einen schweren Kummer als Reisegepäck mit sich zu führen, denn er schaute oftmals in des Rheines grünflutende Wogen, als zög‘ es ihn zu ihnen hinunter, und möcht‘ er am liebsten auf kühlem Stromgrund sein Quartier nehmen. Wie er aber auf einsamer Wanderung jene Kalkwand erschaute und über Stein und Fels pfadlos bergan schritt, gefiel ihm der Platz; denn in der Bergwand war ein schattiger Höhlenraum, wo sich ungestört in den Rhein hinunter und zum Vogesenwald hinüber-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:06:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:06:35Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/8
Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/8>, abgerufen am 18.04.2024.