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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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für ein Pferd oder für eine Lanze oder für ein Schießgewehr psc_094.002
erklärt und dadurch schafft, das heißt (sagen wir) symbolisch psc_094.003
darstellt, die theilweise Ähnlichkeit für eine vollständige erklärt psc_094.004
oder als solche auffaßt. Vgl. auch Lazarus, Über die psc_094.005
Reize des Spiels (Berlin 1883), wo ein besonderer Spieltrieb psc_094.006
mit Recht abgelehnt wird.

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Die angenehme Vorstellung, mit welcher die Poesie psc_094.008
spielt und durch welche sie wirkt, ist nun wahrscheinlich psc_094.009
zuerst die erotische, aber jedenfalls nicht immer und nicht psc_094.010
allein die erotische, obgleich ja, wie wir wissen, auch heute psc_094.011
das erotische Element der Poesie ein starkes ist in allen psc_094.012
Gattungen, nur nicht gerade das sinnlich=erotische, wenigstens psc_094.013
nicht nackt.

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Die Analyse der angenehmen Vorstellung überhaupt gehört psc_094.015
in das Kapitel vom Stoff, d. h. der Versuch, eine psc_094.016
erschöpfende Aufzählung der angenehmen Gegenstände zu psc_094.017
geben.

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Hier will ich nur darauf hinweisen, daß zu den angenehmen psc_094.019
Vorstellungen Macht, Reichthum, große Körperkraft, psc_094.020
siegreiche Bethätigung, erfolgreiches Wirken, sei es durch psc_094.021
List, sei es durch Stärke, unzweifelhaft gehören. Hier erkennen psc_094.022
wir schon, wie das Große und Erhabene ästhetisch-erfreulich psc_094.023
wirkt und weshalb es Vergnügen macht. Am psc_094.024
deutlichsten ist es immer zu sagen: durch die Voraussetzung psc_094.025
der Substitution. Wenn die Bibel Gott mit dem Wort psc_094.026
schaffen läßt, so ist auch dies eine wünschenswerthe vergnügliche psc_094.027
Vorstellung: wir wünschten solche Macht zu besitzen.

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Aber noch ist eine schwere Frage zurück: wie kommts,

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erklärt und dadurch schafft, das heißt (sagen wir) symbolisch psc_094.003
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Reize des Spiels (Berlin 1883), wo ein besonderer Spieltrieb psc_094.006
mit Recht abgelehnt wird.

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  Die angenehme Vorstellung, mit welcher die Poesie psc_094.008
spielt und durch welche sie wirkt, ist nun wahrscheinlich psc_094.009
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allein die erotische, obgleich ja, wie wir wissen, auch heute psc_094.011
das erotische Element der Poesie ein starkes ist in allen psc_094.012
Gattungen, nur nicht gerade das sinnlich=erotische, wenigstens psc_094.013
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in das Kapitel vom Stoff, d. h. der Versuch, eine psc_094.016
erschöpfende Aufzählung der angenehmen Gegenstände zu psc_094.017
geben.

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  Hier will ich nur darauf hinweisen, daß zu den angenehmen psc_094.019
Vorstellungen Macht, Reichthum, große Körperkraft, psc_094.020
siegreiche Bethätigung, erfolgreiches Wirken, sei es durch psc_094.021
List, sei es durch Stärke, unzweifelhaft gehören. Hier erkennen psc_094.022
wir schon, wie das Große und Erhabene ästhetisch-erfreulich psc_094.023
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[94/0110] psc_094.001 für ein Pferd oder für eine Lanze oder für ein Schießgewehr psc_094.002 erklärt und dadurch schafft, das heißt (sagen wir) symbolisch psc_094.003 darstellt, die theilweise Ähnlichkeit für eine vollständige erklärt psc_094.004 oder als solche auffaßt. Vgl. auch Lazarus, Über die psc_094.005 Reize des Spiels (Berlin 1883), wo ein besonderer Spieltrieb psc_094.006 mit Recht abgelehnt wird. psc_094.007   Die angenehme Vorstellung, mit welcher die Poesie psc_094.008 spielt und durch welche sie wirkt, ist nun wahrscheinlich psc_094.009 zuerst die erotische, aber jedenfalls nicht immer und nicht psc_094.010 allein die erotische, obgleich ja, wie wir wissen, auch heute psc_094.011 das erotische Element der Poesie ein starkes ist in allen psc_094.012 Gattungen, nur nicht gerade das sinnlich=erotische, wenigstens psc_094.013 nicht nackt. psc_094.014   Die Analyse der angenehmen Vorstellung überhaupt gehört psc_094.015 in das Kapitel vom Stoff, d. h. der Versuch, eine psc_094.016 erschöpfende Aufzählung der angenehmen Gegenstände zu psc_094.017 geben. psc_094.018   Hier will ich nur darauf hinweisen, daß zu den angenehmen psc_094.019 Vorstellungen Macht, Reichthum, große Körperkraft, psc_094.020 siegreiche Bethätigung, erfolgreiches Wirken, sei es durch psc_094.021 List, sei es durch Stärke, unzweifelhaft gehören. Hier erkennen psc_094.022 wir schon, wie das Große und Erhabene ästhetisch-erfreulich psc_094.023 wirkt und weshalb es Vergnügen macht. Am psc_094.024 deutlichsten ist es immer zu sagen: durch die Voraussetzung psc_094.025 der Substitution. Wenn die Bibel Gott mit dem Wort psc_094.026 schaffen läßt, so ist auch dies eine wünschenswerthe vergnügliche psc_094.027 Vorstellung: wir wünschten solche Macht zu besitzen. psc_094.028   Aber noch ist eine schwere Frage zurück: wie kommts,

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/110>, abgerufen am 29.03.2024.