Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

psc_221.001
der Poesie beschäftigten, müssen hier fortgesponnen psc_221.002
und ins Reine gebracht werden. Alles, was in diesem Kapitel psc_221.003
unter I. II. III. vorkam, Stoffe, Motive, Verwicklungen, psc_221.004
wäre zusammen zu nehmen in einer Gesammtübersicht der psc_221.005
möglichen Fälle, und sie wären sämmtlich zu durchmustern psc_221.006
in Bezug auf ihre Wirkungen: directe und associirte. Ferner psc_221.007
wäre zu fragen, ob solche Wirkungen weitere oder engere psc_221.008
Kreise erfassen. Liebesaffairen z. B. interessiren die weitesten psc_221.009
Kreise. So wird die Liebesepisode im "Faust" weiter nachgefühlt psc_221.010
als der Anfangsmonolog. Dieser kann nur ein psc_221.011
beschränktes Publicum haben: nur die wirklich großen Gelehrten psc_221.012
fühlen etwas von dem Schauer bei der Erkenntniß, psc_221.013
daß man nicht weiter kann; die mittelmäßigen fühlen sich psc_221.014
sehr zufrieden mit ihrer Untersuchung.

psc_221.015

Die poetischen Stoffe zerfallen ihrer Wirkung nach psc_221.016
ganz allgemein in:

psc_221.017

1. Angenehme: Ernste: hohe (erhabene),

psc_221.018

mittlere, psc_221.019
niedrige; psc_221.020
Komische: hohe, psc_221.021
niedrige.

psc_221.022

2. Unangenehme.

psc_221.023

Die angenehmen sind für die Wirkung am günstigsten; psc_221.024
die unangenehmen machen nur unter gewissen Bedingungen psc_221.025
einem beschränkten Publicum bei der Darstellung Vergnügen, psc_221.026
wovon ausführlich die Rede war.

psc_221.027

Aber auch die angenehmen Wirkungen bedürfen sehr

psc_221.001
der Poesie beschäftigten, müssen hier fortgesponnen psc_221.002
und ins Reine gebracht werden. Alles, was in diesem Kapitel psc_221.003
unter I. II. III. vorkam, Stoffe, Motive, Verwicklungen, psc_221.004
wäre zusammen zu nehmen in einer Gesammtübersicht der psc_221.005
möglichen Fälle, und sie wären sämmtlich zu durchmustern psc_221.006
in Bezug auf ihre Wirkungen: directe und associirte. Ferner psc_221.007
wäre zu fragen, ob solche Wirkungen weitere oder engere psc_221.008
Kreise erfassen. Liebesaffairen z. B. interessiren die weitesten psc_221.009
Kreise. So wird die Liebesepisode im „Faust“ weiter nachgefühlt psc_221.010
als der Anfangsmonolog. Dieser kann nur ein psc_221.011
beschränktes Publicum haben: nur die wirklich großen Gelehrten psc_221.012
fühlen etwas von dem Schauer bei der Erkenntniß, psc_221.013
daß man nicht weiter kann; die mittelmäßigen fühlen sich psc_221.014
sehr zufrieden mit ihrer Untersuchung.

psc_221.015

  Die poetischen Stoffe zerfallen ihrer Wirkung nach psc_221.016
ganz allgemein in:

psc_221.017

  1. Angenehme: Ernste: hohe (erhabene),

psc_221.018

mittlere, psc_221.019
                        niedrige; psc_221.020
                    Komische: hohe, psc_221.021
                        niedrige.

psc_221.022

  2. Unangenehme.

psc_221.023

  Die angenehmen sind für die Wirkung am günstigsten; psc_221.024
die unangenehmen machen nur unter gewissen Bedingungen psc_221.025
einem beschränkten Publicum bei der Darstellung Vergnügen, psc_221.026
wovon ausführlich die Rede war.

psc_221.027

  Aber auch die angenehmen Wirkungen bedürfen sehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0237" n="221"/><lb n="psc_221.001"/>
der Poesie beschäftigten, müssen hier fortgesponnen <lb n="psc_221.002"/>
und ins Reine gebracht werden. Alles, was in diesem Kapitel <lb n="psc_221.003"/>
unter <hi rendition="#aq">I. II. III</hi>. vorkam, Stoffe, Motive, Verwicklungen, <lb n="psc_221.004"/>
wäre zusammen zu nehmen in einer Gesammtübersicht der <lb n="psc_221.005"/>
möglichen Fälle, und sie wären sämmtlich zu durchmustern <lb n="psc_221.006"/>
in Bezug auf ihre Wirkungen: directe und associirte. Ferner <lb n="psc_221.007"/>
wäre zu fragen, ob solche Wirkungen weitere oder engere <lb n="psc_221.008"/>
Kreise erfassen. Liebesaffairen z. B. interessiren die weitesten <lb n="psc_221.009"/>
Kreise. So wird die Liebesepisode im &#x201E;Faust&#x201C; weiter nachgefühlt <lb n="psc_221.010"/>
als der Anfangsmonolog. Dieser kann nur ein <lb n="psc_221.011"/>
beschränktes Publicum haben: nur die wirklich großen Gelehrten <lb n="psc_221.012"/>
fühlen etwas von dem Schauer bei der Erkenntniß, <lb n="psc_221.013"/>
daß man nicht weiter kann; die mittelmäßigen fühlen sich <lb n="psc_221.014"/>
sehr zufrieden mit ihrer Untersuchung.</p>
          <lb n="psc_221.015"/>
          <p>  Die poetischen Stoffe zerfallen ihrer Wirkung nach <lb n="psc_221.016"/>
ganz allgemein in:</p>
          <lb n="psc_221.017"/>
          <p>  1. Angenehme: Ernste: hohe (erhabene),</p>
          <lb n="psc_221.018"/>
          <p> <hi rendition="#right">mittlere, <lb n="psc_221.019"/>
                        niedrige; <lb n="psc_221.020"/>
                    Komische: hohe, <lb n="psc_221.021"/>
                        niedrige.</hi> </p>
          <lb n="psc_221.022"/>
          <p>  2. Unangenehme.</p>
          <lb n="psc_221.023"/>
          <p>  Die angenehmen sind für die Wirkung am günstigsten; <lb n="psc_221.024"/>
die unangenehmen machen nur unter gewissen Bedingungen <lb n="psc_221.025"/>
einem beschränkten Publicum bei der Darstellung Vergnügen, <lb n="psc_221.026"/>
wovon ausführlich die Rede war.</p>
          <lb n="psc_221.027"/>
          <p>  Aber auch die angenehmen Wirkungen bedürfen sehr
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0237] psc_221.001 der Poesie beschäftigten, müssen hier fortgesponnen psc_221.002 und ins Reine gebracht werden. Alles, was in diesem Kapitel psc_221.003 unter I. II. III. vorkam, Stoffe, Motive, Verwicklungen, psc_221.004 wäre zusammen zu nehmen in einer Gesammtübersicht der psc_221.005 möglichen Fälle, und sie wären sämmtlich zu durchmustern psc_221.006 in Bezug auf ihre Wirkungen: directe und associirte. Ferner psc_221.007 wäre zu fragen, ob solche Wirkungen weitere oder engere psc_221.008 Kreise erfassen. Liebesaffairen z. B. interessiren die weitesten psc_221.009 Kreise. So wird die Liebesepisode im „Faust“ weiter nachgefühlt psc_221.010 als der Anfangsmonolog. Dieser kann nur ein psc_221.011 beschränktes Publicum haben: nur die wirklich großen Gelehrten psc_221.012 fühlen etwas von dem Schauer bei der Erkenntniß, psc_221.013 daß man nicht weiter kann; die mittelmäßigen fühlen sich psc_221.014 sehr zufrieden mit ihrer Untersuchung. psc_221.015   Die poetischen Stoffe zerfallen ihrer Wirkung nach psc_221.016 ganz allgemein in: psc_221.017   1. Angenehme: Ernste: hohe (erhabene), psc_221.018 mittlere, psc_221.019                         niedrige; psc_221.020                     Komische: hohe, psc_221.021                         niedrige. psc_221.022   2. Unangenehme. psc_221.023   Die angenehmen sind für die Wirkung am günstigsten; psc_221.024 die unangenehmen machen nur unter gewissen Bedingungen psc_221.025 einem beschränkten Publicum bei der Darstellung Vergnügen, psc_221.026 wovon ausführlich die Rede war. psc_221.027   Aber auch die angenehmen Wirkungen bedürfen sehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/237
Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/237>, abgerufen am 24.04.2024.