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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888.

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ob er recht hat. Außerdem namentlich Jacob Bernays, Zwei psc_038.002
Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des Dramas psc_038.003
(Berlin 1880). Weitere Litteratur bei Döring, Die Kunstlehre psc_038.004
des Aristoteles (Jena 1876).

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Die Poetik des Aristoteles, etwa um 330 verfaßt, ist psc_038.006
bekanntlich unvollständig auf uns gekommen. Aristoteles psc_038.007
handelt in den erhaltenen Partien über die Poesie im allgemeinen psc_038.008
und über Tragödie und Epos insbesondere. Was psc_038.009
er über Komödie und über andere Dichtungsarten vorgetragen, psc_038.010
ist verloren, obgleich nicht gänzlich. Auch ist das psc_038.011
Erhaltene in sich nicht lückenlos.

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Der Gesichtskreis des Aristoteles ist auf die griechische psc_038.013
Poesie beschränkt; aber eine Kenntniß des reichsten Materials psc_038.014
liegt seiner Schrift zu Grunde. Er grenzt sich das Gebiet psc_038.015
ab: den didaktischen Dichter will er nicht Dichter nennen. psc_038.016
Dagegen die sicilischen Mimen (dialogische Sittenbilder in psc_038.017
Prosa) und die sokratischen Dialoge sind ihm Poesie. Das psc_038.018
Object der poetischen Darstellung sind handelnde Personen; psc_038.019
und eben daher sei der Lehrdichter kein Dichter. Jch zeigte psc_038.020
schon, daß dies nicht richtig ist: das Gedicht braucht nur psc_038.021
als Monolog des Dichters gefaßt zu werden, so schildert es psc_038.022
den Charakter des Autors und Aristoteles ist widerlegt. psc_038.023
Oder man denke sich ein Lehrgedicht über Epik mit Aufstellung psc_038.024
von Typen. -- Aristoteles will auch lehren, wie psc_038.025
man behufs einer schönen Dichtung die Fabel gestalten muß, psc_038.026
d. h. er will jedenfalls auch eine Anweisung zur Dichtung psc_038.027
geben, zeigen wie man es machen muß, damit sie gelinge.

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Er spricht von den Gegenständen -- "Kunststil" modernisirt

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ob er recht hat. Außerdem namentlich Jacob Bernays, Zwei psc_038.002
Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des Dramas psc_038.003
(Berlin 1880). Weitere Litteratur bei Döring, Die Kunstlehre psc_038.004
des Aristoteles (Jena 1876).

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  Die Poetik des Aristoteles, etwa um 330 verfaßt, ist psc_038.006
bekanntlich unvollständig auf uns gekommen. Aristoteles psc_038.007
handelt in den erhaltenen Partien über die Poesie im allgemeinen psc_038.008
und über Tragödie und Epos insbesondere. Was psc_038.009
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ist verloren, obgleich nicht gänzlich. Auch ist das psc_038.011
Erhaltene in sich nicht lückenlos.

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  Der Gesichtskreis des Aristoteles ist auf die griechische psc_038.013
Poesie beschränkt; aber eine Kenntniß des reichsten Materials psc_038.014
liegt seiner Schrift zu Grunde. Er grenzt sich das Gebiet psc_038.015
ab: den didaktischen Dichter will er nicht Dichter nennen. psc_038.016
Dagegen die sicilischen Mimen (dialogische Sittenbilder in psc_038.017
Prosa) und die sokratischen Dialoge sind ihm Poesie. Das psc_038.018
Object der poetischen Darstellung sind handelnde Personen; psc_038.019
und eben daher sei der Lehrdichter kein Dichter. Jch zeigte psc_038.020
schon, daß dies nicht richtig ist: das Gedicht braucht nur psc_038.021
als Monolog des Dichters gefaßt zu werden, so schildert es psc_038.022
den Charakter des Autors und Aristoteles ist widerlegt. psc_038.023
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man behufs einer schönen Dichtung die Fabel gestalten muß, psc_038.026
d. h. er will jedenfalls auch eine Anweisung zur Dichtung psc_038.027
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[38/0054] psc_038.001 ob er recht hat. Außerdem namentlich Jacob Bernays, Zwei psc_038.002 Abhandlungen über die Aristotelische Theorie des Dramas psc_038.003 (Berlin 1880). Weitere Litteratur bei Döring, Die Kunstlehre psc_038.004 des Aristoteles (Jena 1876). psc_038.005   Die Poetik des Aristoteles, etwa um 330 verfaßt, ist psc_038.006 bekanntlich unvollständig auf uns gekommen. Aristoteles psc_038.007 handelt in den erhaltenen Partien über die Poesie im allgemeinen psc_038.008 und über Tragödie und Epos insbesondere. Was psc_038.009 er über Komödie und über andere Dichtungsarten vorgetragen, psc_038.010 ist verloren, obgleich nicht gänzlich. Auch ist das psc_038.011 Erhaltene in sich nicht lückenlos. psc_038.012   Der Gesichtskreis des Aristoteles ist auf die griechische psc_038.013 Poesie beschränkt; aber eine Kenntniß des reichsten Materials psc_038.014 liegt seiner Schrift zu Grunde. Er grenzt sich das Gebiet psc_038.015 ab: den didaktischen Dichter will er nicht Dichter nennen. psc_038.016 Dagegen die sicilischen Mimen (dialogische Sittenbilder in psc_038.017 Prosa) und die sokratischen Dialoge sind ihm Poesie. Das psc_038.018 Object der poetischen Darstellung sind handelnde Personen; psc_038.019 und eben daher sei der Lehrdichter kein Dichter. Jch zeigte psc_038.020 schon, daß dies nicht richtig ist: das Gedicht braucht nur psc_038.021 als Monolog des Dichters gefaßt zu werden, so schildert es psc_038.022 den Charakter des Autors und Aristoteles ist widerlegt. psc_038.023 Oder man denke sich ein Lehrgedicht über Epik mit Aufstellung psc_038.024 von Typen. — Aristoteles will auch lehren, wie psc_038.025 man behufs einer schönen Dichtung die Fabel gestalten muß, psc_038.026 d. h. er will jedenfalls auch eine Anweisung zur Dichtung psc_038.027 geben, zeigen wie man es machen muß, damit sie gelinge. psc_038.028   Er spricht von den Gegenständen — „Kunststil“ modernisirt

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Zitationshilfe: Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/54>, abgerufen am 18.04.2024.