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Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708.

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sein des Crispalti, oder Kreuzli/ in die Alpen der Urseleren/ allwo wir in
zimlicher Höhe/ welche wir aber nicht abgemessen/ antraffen einen See/ wel-
cher eine Stund ohngefahr in die Länge sich erstreket/ und eine der vornem-
sten Quellen des Reüßflusses außmachet/ deren aber bey keinen Scriben-
ten/ oder in Land-Charten gedacht wird. Disem Reüß-Arm/ der von Auf-
gang her fliesset/ sein wir gefolget bis in das Urseren Thal/ da wir auch vor
einichen Tagen durchpassierten/ wir speißten in dem Dorff an der Matt/
und hatten bey unbeständiger Witterung das Queksilber im Wetterglaß
in gleicher Höhe/ wie zu St. Anna/ worauß wir auch abnahmen eine ohn-
gefahrlich gleiche Höhe des Urseren und Tavetscher-Thals.

Wir blieben aber hier nicht/ sondern reißten noch des Tags durch eine
schöne halbstündige Ebene gen Hospital.

Es ist diß Urseren Thal/ Ursaria Vallis, kaum in die zwey Meil
lang/ und eine Stund breit/ aber angenehm/ eben/ und mit fetten Matten wol
versehen/ so daß es mit denen auf angränzenden hohen Gebirgen ligenden
Alpen die Einwohnere dreyer darinn ligenden Dörfferen wol kan erhalten/
welche aber über diß täglichen Nutzen bezeuhen von diser Kreuzstraß/ welche
gegen alle 4. Gegenden der Welt gehet. Dann erstlich gegen Mittnacht
gehet längst der Reüß ein Hauptpaß vom Gotthard gen Uri/ welcher zu
Sommer- und Winterzeit bald alle Tag gebraucht wird; Zweytens bestei-
get man auß disem Thal den Gotthard/ und reiset gegen Mittag ins Livi-
nerthal/ und weiters in Jtalien: drittens kommet man gegen Aufgang in
den Oberen Pundt; und viertens über die Furca in Walliß. Die drey er-
steren Strassen haben wir nun innert wenig Tagen mit unseren Füssen ab-
gemessen/ und was merkwürdiges darbey vorgefallen/ bezeichnet/ die vierte
aber wollen wir/ geliebts Gott/ Heut/ den 11. Augstm. auch bewandlen;
und disen vornehmlich anwenden zur Beschreibung der Urquellen der
namhaftesten Flüssen Europae/ welche wir theils bereits in Augenschein ge-
nommen/ und noch weiters nemmen werden.

Von Hospital hinweg reiseten wir guten Muhts durch zum Dorff
und Realp/ welches ohngefahr eine Stund von Hospital abstehet/ und
fangen von hier an steigen den hohen Furca Berg/ welcher uns aber um so
vil weniger wird zu schaffen geben/ weilen wir in währendem steigen unsere
Augen/ und Gemühter/ werden belustigen mit allerhand schönen Außsichten/
und vorkommenden Bergkräuteren/ auf die wir in allen unseren Bergreisen
besonderbar acht haben/ die Berge/ Thäler/ Alpen/ Felsen/ ansehende/ als so
vil schöne/ von dem Schöpfer der Natur selbs angelegte/ und mit den schön-
sten Gewächsen bezierte Lust-Gärten. etc.

ſein des Criſpalti, oder Kreuzli/ in die Alpen der Urſeleren/ allwo wir in
zimlicher Hoͤhe/ welche wir aber nicht abgemeſſen/ antraffen einen See/ wel-
cher eine Stund ohngefahr in die Laͤnge ſich erſtreket/ und eine der vornem-
ſten Quellen des Reüßfluſſes außmachet/ deren aber bey keinen Scriben-
ten/ oder in Land-Charten gedacht wird. Diſem Reüß-Arm/ der von Auf-
gang her flieſſet/ ſein wir gefolget bis in das Urſeren Thal/ da wir auch vor
einichen Tagen durchpaſſierten/ wir ſpeißten in dem Dorff an der Matt/
und hatten bey unbeſtaͤndiger Witterung das Quekſilber im Wetterglaß
in gleicher Hoͤhe/ wie zu St. Anna/ worauß wir auch abnahmen eine ohn-
gefahrlich gleiche Hoͤhe des Urſeren und Tavetſcher-Thals.

Wir blieben aber hier nicht/ ſondern reißten noch des Tags durch eine
ſchoͤne halbſtuͤndige Ebene gen Hoſpital.

Es iſt diß Urſeren Thal/ Urſaria Vallis, kaum in die zwey Meil
lang/ und eine Stund breit/ aber angenehm/ eben/ und mit fetten Matten wol
verſehen/ ſo daß es mit denen auf angraͤnzenden hohen Gebirgen ligenden
Alpen die Einwohnere dreyer darinn ligenden Doͤrfferen wol kan erhalten/
welche aber uͤber diß taͤglichen Nutzen bezeuhen von diſer Kreuzſtraß/ welche
gegen alle 4. Gegenden der Welt gehet. Dann erſtlich gegen Mittnacht
gehet laͤngſt der Reüß ein Hauptpaß vom Gotthard gen Uri/ welcher zu
Sommer- und Winterzeit bald alle Tag gebraucht wird; Zweytens beſtei-
get man auß diſem Thal den Gotthard/ und reiſet gegen Mittag ins Livi-
nerthal/ und weiters in Jtalien: drittens kommet man gegen Aufgang in
den Oberen Pundt; und viertens uͤber die Furca in Walliß. Die drey er-
ſteren Straſſen haben wir nun innert wenig Tagen mit unſeren Fuͤſſen ab-
gemeſſen/ und was merkwuͤrdiges darbey vorgefallen/ bezeichnet/ die vierte
aber wollen wir/ geliebts Gott/ Heut/ den 11. Augſtm. auch bewandlen;
und diſen vornehmlich anwenden zur Beſchreibung der Urquellen der
namhafteſten Fluͤſſen Europæ/ welche wir theils bereits in Augenſchein ge-
nommen/ und noch weiters nemmen werden.

Von Hoſpital hinweg reiſeten wir guten Muhts durch zum Dorff
und Realp/ welches ohngefahr eine Stund von Hoſpital abſtehet/ und
fangen von hier an ſteigen den hohen Furca Berg/ welcher uns aber um ſo
vil weniger wird zu ſchaffen geben/ weilen wir in waͤhrendem ſteigen unſere
Augen/ und Gemuͤhter/ werden beluſtigen mit allerhand ſchoͤnen Außſichten/
und vorkommenden Bergkraͤuteren/ auf die wir in allen unſeren Bergreiſen
beſonderbar acht haben/ die Berge/ Thaͤler/ Alpen/ Felſen/ anſehende/ als ſo
vil ſchoͤne/ von dem Schoͤpfer der Natur ſelbs angelegte/ und mit den ſchoͤn-
ſten Gewaͤchſen bezierte Luſt-Gaͤrten. ꝛc.

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[92/0115] ſein des Criſpalti, oder Kreuzli/ in die Alpen der Urſeleren/ allwo wir in zimlicher Hoͤhe/ welche wir aber nicht abgemeſſen/ antraffen einen See/ wel- cher eine Stund ohngefahr in die Laͤnge ſich erſtreket/ und eine der vornem- ſten Quellen des Reüßfluſſes außmachet/ deren aber bey keinen Scriben- ten/ oder in Land-Charten gedacht wird. Diſem Reüß-Arm/ der von Auf- gang her flieſſet/ ſein wir gefolget bis in das Urſeren Thal/ da wir auch vor einichen Tagen durchpaſſierten/ wir ſpeißten in dem Dorff an der Matt/ und hatten bey unbeſtaͤndiger Witterung das Quekſilber im Wetterglaß in gleicher Hoͤhe/ wie zu St. Anna/ worauß wir auch abnahmen eine ohn- gefahrlich gleiche Hoͤhe des Urſeren und Tavetſcher-Thals. Wir blieben aber hier nicht/ ſondern reißten noch des Tags durch eine ſchoͤne halbſtuͤndige Ebene gen Hoſpital. Es iſt diß Urſeren Thal/ Urſaria Vallis, kaum in die zwey Meil lang/ und eine Stund breit/ aber angenehm/ eben/ und mit fetten Matten wol verſehen/ ſo daß es mit denen auf angraͤnzenden hohen Gebirgen ligenden Alpen die Einwohnere dreyer darinn ligenden Doͤrfferen wol kan erhalten/ welche aber uͤber diß taͤglichen Nutzen bezeuhen von diſer Kreuzſtraß/ welche gegen alle 4. Gegenden der Welt gehet. Dann erſtlich gegen Mittnacht gehet laͤngſt der Reüß ein Hauptpaß vom Gotthard gen Uri/ welcher zu Sommer- und Winterzeit bald alle Tag gebraucht wird; Zweytens beſtei- get man auß diſem Thal den Gotthard/ und reiſet gegen Mittag ins Livi- nerthal/ und weiters in Jtalien: drittens kommet man gegen Aufgang in den Oberen Pundt; und viertens uͤber die Furca in Walliß. Die drey er- ſteren Straſſen haben wir nun innert wenig Tagen mit unſeren Fuͤſſen ab- gemeſſen/ und was merkwuͤrdiges darbey vorgefallen/ bezeichnet/ die vierte aber wollen wir/ geliebts Gott/ Heut/ den 11. Augſtm. auch bewandlen; und diſen vornehmlich anwenden zur Beſchreibung der Urquellen der namhafteſten Fluͤſſen Europæ/ welche wir theils bereits in Augenſchein ge- nommen/ und noch weiters nemmen werden. Von Hoſpital hinweg reiſeten wir guten Muhts durch zum Dorff und Realp/ welches ohngefahr eine Stund von Hoſpital abſtehet/ und fangen von hier an ſteigen den hohen Furca Berg/ welcher uns aber um ſo vil weniger wird zu ſchaffen geben/ weilen wir in waͤhrendem ſteigen unſere Augen/ und Gemuͤhter/ werden beluſtigen mit allerhand ſchoͤnen Außſichten/ und vorkommenden Bergkraͤuteren/ auf die wir in allen unſeren Bergreiſen beſonderbar acht haben/ die Berge/ Thaͤler/ Alpen/ Felſen/ anſehende/ als ſo vil ſchoͤne/ von dem Schoͤpfer der Natur ſelbs angelegte/ und mit den ſchoͤn- ſten Gewaͤchſen bezierte Luſt-Gaͤrten. ꝛc.

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Zitationshilfe: Scheuchzer, Johann Jacob: Beschreibung Der Natur-Geschichten Des Schweitzerlands. Bd. 3. Zürich, 1708, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheuchzer_naturgeschichten03_1708/115>, abgerufen am 24.04.2024.