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Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746.

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Theresiade
Die Dichterinn erschien in blau-gestirntem Kleid,
10Und bracht die Tugenden in allgemeine Freud.
Ein schönes junges Weib! das eine Cither hielte,
Und ungefähr den Saal mit ihrem Klang erfüllte,
Daß Ohr und Aug und Sinn sich auferweckt gespührt;
Weil sie durch das Gedräng die Sayten angerührt.
15Sie fragte Demuth-voll, ob ihnen was zu schaffen?
Sie seyen zwar noch müd' und haben nichts geschlaffen,
Seit dem sie diese Stadt so prächtig ausgeziert,
Und mehr als einen Wald von Wercken aufgeführt.
Jhr langsamer Betrag gab allen abzunehmen,
20Daß sie sich, vor dem Rath frey darzustellen, schämen.
So sprach der gute Greiß: "Warum dann so verzagt?
"Was ists, worüber ihr mit solcher Schwermuth klagt?
"Je mehr man euerm Wiz sonst pfleget aufzubürden,
"Je mehr belohnt man euch mit Ehren und mit Würden.
25"Auf auf dann! seht ihr nicht, was diesem Tugend-Saal
"Bey dieser Freuden-Zeit der Eifer anbefahl?
"Seyd ihr allein so träg? ihr könnt vernommen haben,
"Was wir vor eine Sach ins Werck zu sezen gaben.
"Faßt Muth! erkläret euch. Hier sprach die Dichterinn:
30"Wär ich in diesem Streit erwählte Richterinn,
"So wüßte man den Schluß; ihr wäret schon zu frieden;
"Und alles fände sich durch meinen Spruch entschieden.
Der
Thereſiade
Die Dichterinn erſchien in blau-geſtirntem Kleid,
10Und bracht die Tugenden in allgemeine Freud.
Ein ſchoͤnes junges Weib! das eine Cither hielte,
Und ungefaͤhr den Saal mit ihrem Klang erfuͤllte,
Daß Ohr und Aug und Sinn ſich auferweckt geſpuͤhrt;
Weil ſie durch das Gedraͤng die Sayten angeruͤhrt.
15Sie fragte Demuth-voll, ob ihnen was zu ſchaffen?
Sie ſeyen zwar noch muͤd’ und haben nichts geſchlaffen,
Seit dem ſie dieſe Stadt ſo praͤchtig ausgeziert,
Und mehr als einen Wald von Wercken aufgefuͤhrt.
Jhr langſamer Betrag gab allen abzunehmen,
20Daß ſie ſich, vor dem Rath frey darzuſtellen, ſchaͤmen.
So ſprach der gute Greiß: „Warum dann ſo verzagt?
„Was iſts, woruͤber ihr mit ſolcher Schwermuth klagt?
„Je mehr man euerm Wiz ſonſt pfleget aufzubuͤrden,
„Je mehr belohnt man euch mit Ehren und mit Wuͤrden.
25„Auf auf dann! ſeht ihr nicht, was dieſem Tugend-Saal
„Bey dieſer Freuden-Zeit der Eifer anbefahl?
„Seyd ihr allein ſo traͤg? ihr koͤnnt vernommen haben,
„Was wir vor eine Sach ins Werck zu ſezen gaben.
„Faßt Muth! erklaͤret euch. Hier ſprach die Dichterinn:
30„Waͤr ich in dieſem Streit erwaͤhlte Richterinn,
„So wuͤßte man den Schluß; ihr waͤret ſchon zu frieden;
„Und alles faͤnde ſich durch meinen Spruch entſchieden.
Der
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[0034] Thereſiade Die Dichterinn erſchien in blau-geſtirntem Kleid, Und bracht die Tugenden in allgemeine Freud. Ein ſchoͤnes junges Weib! das eine Cither hielte, Und ungefaͤhr den Saal mit ihrem Klang erfuͤllte, Daß Ohr und Aug und Sinn ſich auferweckt geſpuͤhrt; Weil ſie durch das Gedraͤng die Sayten angeruͤhrt. Sie fragte Demuth-voll, ob ihnen was zu ſchaffen? Sie ſeyen zwar noch muͤd’ und haben nichts geſchlaffen, Seit dem ſie dieſe Stadt ſo praͤchtig ausgeziert, Und mehr als einen Wald von Wercken aufgefuͤhrt. Jhr langſamer Betrag gab allen abzunehmen, Daß ſie ſich, vor dem Rath frey darzuſtellen, ſchaͤmen. So ſprach der gute Greiß: „Warum dann ſo verzagt? „Was iſts, woruͤber ihr mit ſolcher Schwermuth klagt? „Je mehr man euerm Wiz ſonſt pfleget aufzubuͤrden, „Je mehr belohnt man euch mit Ehren und mit Wuͤrden. „Auf auf dann! ſeht ihr nicht, was dieſem Tugend-Saal „Bey dieſer Freuden-Zeit der Eifer anbefahl? „Seyd ihr allein ſo traͤg? ihr koͤnnt vernommen haben, „Was wir vor eine Sach ins Werck zu ſezen gaben. „Faßt Muth! erklaͤret euch. Hier ſprach die Dichterinn: „Waͤr ich in dieſem Streit erwaͤhlte Richterinn, „So wuͤßte man den Schluß; ihr waͤret ſchon zu frieden; „Und alles faͤnde ſich durch meinen Spruch entſchieden. Der

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Zitationshilfe: Scheyb, Franz Christoph von: Theresiade. Bd. 2. Wien, 1746, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheyb_theresiade02_1746/34>, abgerufen am 29.03.2024.