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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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Siebente Szene.
Ferdinand. Der Präsident. Wurm, welcher
gleich abgeht.
Ferdinand. Sie haben befolen, gnädiger Herr
Vater --

Präsident. Leider muß ich das, wenn ich mei-
nes Sohns einmal froh werden will -- Laß er uns
allein, Wurm. -- Ferdinand, ich beobachte dich
schon eine Zeit lang, und finde die offene rasche Ju-
gend nicht mehr, die mich sonst so entzükt hat. Ein
seltsamer Gram brütet auf deinem Gesicht -- Du
fliehst mich -- Du fliehst deine Zirkel -- Pfuy! --
Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausschweifungen
vor einer einzigen Grille. Ueberlaß diese mir, lie-
ber Sohn. Mich laß an deinem Glük arbeiten, und
denke auf nichts, als in meine Entwürfe zu spielen.
-- Komm! Umarme mich Ferdinand.

Ferdinand. Sie sind heute sehr gnädig mein
Vater.

Präsident. Heute du Schalk -- und dieses heu-
te noch mit der herben Grimasse? (ernsthaft) Ferdi-
nand! -- Wem zu lieb hab ich die gefärliche Bahn
zum Herzen des Fürsten betreten? Wem zu lieb bin
ich auf ewig mit meinem Gewissen und dem Himmel
zerfallen? -- Höre Ferdinand -- (Ich spreche mit
meinem Sohn)
-- Wem hab ich durch die Hinweg-
räumung meines Vorgängers Plaz gemacht -- eine
Geschichte, die desto blutiger in mein Inwendiges
schnei-
Siebente Szene.
Ferdinand. Der Praͤſident. Wurm, welcher
gleich abgeht.
Ferdinand. Sie haben befolen, gnaͤdiger Herr
Vater —

Praͤſident. Leider muß ich das, wenn ich mei-
nes Sohns einmal froh werden will — Laß er uns
allein, Wurm. — Ferdinand, ich beobachte dich
ſchon eine Zeit lang, und finde die offene raſche Ju-
gend nicht mehr, die mich ſonſt ſo entzuͤkt hat. Ein
ſeltſamer Gram bruͤtet auf deinem Geſicht — Du
fliehſt mich — Du fliehſt deine Zirkel — Pfuy! —
Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausſchweifungen
vor einer einzigen Grille. Ueberlaß dieſe mir, lie-
ber Sohn. Mich laß an deinem Gluͤk arbeiten, und
denke auf nichts, als in meine Entwuͤrfe zu ſpielen.
— Komm! Umarme mich Ferdinand.

Ferdinand. Sie ſind heute ſehr gnaͤdig mein
Vater.

Praͤſident. Heute du Schalk — und dieſes heu-
te noch mit der herben Grimaſſe? (ernſthaft) Ferdi-
nand! — Wem zu lieb hab ich die gefaͤrliche Bahn
zum Herzen des Fuͤrſten betreten? Wem zu lieb bin
ich auf ewig mit meinem Gewiſſen und dem Himmel
zerfallen? — Hoͤre Ferdinand — (Ich ſpreche mit
meinem Sohn)
Wem hab ich durch die Hinweg-
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[26/0030] Siebente Szene. Ferdinand. Der Praͤſident. Wurm, welcher gleich abgeht. Ferdinand. Sie haben befolen, gnaͤdiger Herr Vater — Praͤſident. Leider muß ich das, wenn ich mei- nes Sohns einmal froh werden will — Laß er uns allein, Wurm. — Ferdinand, ich beobachte dich ſchon eine Zeit lang, und finde die offene raſche Ju- gend nicht mehr, die mich ſonſt ſo entzuͤkt hat. Ein ſeltſamer Gram bruͤtet auf deinem Geſicht — Du fliehſt mich — Du fliehſt deine Zirkel — Pfuy! — Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausſchweifungen vor einer einzigen Grille. Ueberlaß dieſe mir, lie- ber Sohn. Mich laß an deinem Gluͤk arbeiten, und denke auf nichts, als in meine Entwuͤrfe zu ſpielen. — Komm! Umarme mich Ferdinand. Ferdinand. Sie ſind heute ſehr gnaͤdig mein Vater. Praͤſident. Heute du Schalk — und dieſes heu- te noch mit der herben Grimaſſe? (ernſthaft) Ferdi- nand! — Wem zu lieb hab ich die gefaͤrliche Bahn zum Herzen des Fuͤrſten betreten? Wem zu lieb bin ich auf ewig mit meinem Gewiſſen und dem Himmel zerfallen? — Hoͤre Ferdinand — (Ich ſpreche mit meinem Sohn) — Wem hab ich durch die Hinweg- raͤumung meines Vorgaͤngers Plaz gemacht — eine Geſchichte, die deſto blutiger in mein Inwendiges ſchnei-

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/30>, abgerufen am 18.04.2024.