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Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

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Präsident. (lacht unter Kopfschütteln) Ja! ich
gebe mich dir überwunden, Schurke. Das Geweb
ist satanisch fein. Der Schüler übertrift seinen Mei-
ster -- -- Nun ist die Frage, an Wen das Billet
muß gerichtet werden? Mit Wem wir sie in Ver-
dacht bringen müßen?

Wurm. Nothwendig mit jemand, der durch
den Entschluß Ihres Sohnes alles gewinnen oder alles
verlieren muß.

Präsident. (nach einigem Nachdenken) Ich weiß
nur den Hofmarschall.

Wurm. (zukt die Achseln) Mein Geschmak wär
er nun freilich nicht, wenn ich Louise Millerin hieße.

Präsident. Und warum nicht? Wunderlich!
Eine blendende Garderobe -- eine Atmosphäre von
Eau de mille fleurs und Bisam -- auf jedes alberne
Wort eine Handvoll Dukaten -- und alles das solte
die Delikatesse einer bürgerlichen Dirne nicht endlich
bestechen können? -- O guter Freund. So scrupulös
ist die Eifersucht nicht. Ich schike zum Marschall.
(klingelt)
Wurm. Unterdessen, daß Ewr Exzellenz die-
ses, und die Gefangennehmung des Geigers besor-
gen, werd ich hingehen, und den bewußten Liebes-
brief aufsezen.

Präsident. (zum Schreibpult gehend) Den er
mir zum Durchlesen heraufbringt, sobald er zu
Stand seyn wird. (Wurm geht ab. Der Präsident sezt
sich
Praͤſident. (lacht unter Kopfſchuͤtteln) Ja! ich
gebe mich dir uͤberwunden, Schurke. Das Geweb
iſt ſataniſch fein. Der Schuͤler uͤbertrift ſeinen Mei-
ſter — — Nun iſt die Frage, an Wen das Billet
muß gerichtet werden? Mit Wem wir ſie in Ver-
dacht bringen muͤßen?

Wurm. Nothwendig mit jemand, der durch
den Entſchluß Ihres Sohnes alles gewinnen oder alles
verlieren muß.

Praͤſident. (nach einigem Nachdenken) Ich weiß
nur den Hofmarſchall.

Wurm. (zukt die Achſeln) Mein Geſchmak waͤr
er nun freilich nicht, wenn ich Louiſe Millerin hieße.

Praͤſident. Und warum nicht? Wunderlich!
Eine blendende Garderobe — eine Atmosphaͤre von
Eau de mille fleurs und Biſam — auf jedes alberne
Wort eine Handvoll Dukaten — und alles das ſolte
die Delikateſſe einer buͤrgerlichen Dirne nicht endlich
beſtechen koͤnnen? — O guter Freund. So ſcrupuloͤs
iſt die Eiferſucht nicht. Ich ſchike zum Marſchall.
(klingelt)
Wurm. Unterdeſſen, daß Ewr Exzellenz die-
ſes, und die Gefangennehmung des Geigers beſor-
gen, werd ich hingehen, und den bewußten Liebes-
brief aufſezen.

Praͤſident. (zum Schreibpult gehend) Den er
mir zum Durchleſen heraufbringt, ſobald er zu
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[75/0079] Praͤſident. (lacht unter Kopfſchuͤtteln) Ja! ich gebe mich dir uͤberwunden, Schurke. Das Geweb iſt ſataniſch fein. Der Schuͤler uͤbertrift ſeinen Mei- ſter — — Nun iſt die Frage, an Wen das Billet muß gerichtet werden? Mit Wem wir ſie in Ver- dacht bringen muͤßen? Wurm. Nothwendig mit jemand, der durch den Entſchluß Ihres Sohnes alles gewinnen oder alles verlieren muß. Praͤſident. (nach einigem Nachdenken) Ich weiß nur den Hofmarſchall. Wurm. (zukt die Achſeln) Mein Geſchmak waͤr er nun freilich nicht, wenn ich Louiſe Millerin hieße. Praͤſident. Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende Garderobe — eine Atmosphaͤre von Eau de mille fleurs und Biſam — auf jedes alberne Wort eine Handvoll Dukaten — und alles das ſolte die Delikateſſe einer buͤrgerlichen Dirne nicht endlich beſtechen koͤnnen? — O guter Freund. So ſcrupuloͤs iſt die Eiferſucht nicht. Ich ſchike zum Marſchall. (klingelt) Wurm. Unterdeſſen, daß Ewr Exzellenz die- ſes, und die Gefangennehmung des Geigers beſor- gen, werd ich hingehen, und den bewußten Liebes- brief aufſezen. Praͤſident. (zum Schreibpult gehend) Den er mir zum Durchleſen heraufbringt, ſobald er zu Stand ſeyn wird. (Wurm geht ab. Der Praͤſident ſezt ſich

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/79>, abgerufen am 18.04.2024.