Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite
die höchste Gefahr -- -- und die höchste Gefahr
mußte da seyn, wenn meine Liebe den Riesensprung
wagen solte. -- -- Höre Louise -- ein Gedanke,
gros und vermessen wie meine Leidenschaft drängt
sich vor meine Seele -- Du Louise und ich und die
Liebe! -- Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze
Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes
dazu?

Louise. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblas-
se über das, was du sagen wilst.

Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Fo-
derung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln?
Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und al-
les verloren werden kann? -- Wird dieses Aug
nicht eben so schmelzend funkeln, ob es im Rhein
oder in der Elbe sich spiegelt oder im baltischen
Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Louise liebt.
Deine Fußtapfe in wilden sandigten Wüsten mir in-
teressanter, als das Münster in meiner Heimat --
Werden wir die Pracht der Städte vermissen? Wo
wir seyn mögen, Louise, geht eine Sonne auf, eine
unter -- Schauspiele, neben welchen der üppigste
Schwung der Künste verblaßt. Werden wir Gott
in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet die Nacht
mit begeisternden Schauern auf, der wechselnde
Mond predigt uns Buße, und eine andächtige Kir-
che von Sternen betet mit uns. Werden wir uns
in Gesprächen der Liebe erschöpfen? -- Ein Lächeln
meiner Louise ist Stoff für Jahrhunderte, und der
Traum
die hoͤchſte Gefahr — — und die hoͤchſte Gefahr
mußte da ſeyn, wenn meine Liebe den Rieſenſprung
wagen ſolte. — — Hoͤre Louiſe — ein Gedanke,
gros und vermeſſen wie meine Leidenſchaft draͤngt
ſich vor meine Seele — Du Louiſe und ich und die
Liebe! — Liegt nicht in dieſem Zirkel der ganze
Himmel? oder brauchſt du noch etwas Viertes
dazu?

Louiſe. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblaſ-
ſe uͤber das, was du ſagen wilſt.

Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Fo-
derung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln?
Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und al-
les verloren werden kann? — Wird dieſes Aug
nicht eben ſo ſchmelzend funkeln, ob es im Rhein
oder in der Elbe ſich ſpiegelt oder im baltiſchen
Meer? Mein Vaterland iſt, wo mich Louiſe liebt.
Deine Fußtapfe in wilden ſandigten Wuͤſten mir in-
tereſſanter, als das Muͤnſter in meiner Heimat —
Werden wir die Pracht der Staͤdte vermiſſen? Wo
wir ſeyn moͤgen, Louiſe, geht eine Sonne auf, eine
unter — Schauſpiele, neben welchen der uͤppigſte
Schwung der Kuͤnſte verblaßt. Werden wir Gott
in keinem Tempel mehr dienen, ſo ziehet die Nacht
mit begeiſternden Schauern auf, der wechſelnde
Mond predigt uns Buße, und eine andaͤchtige Kir-
che von Sternen betet mit uns. Werden wir uns
in Geſpraͤchen der Liebe erſchoͤpfen? — Ein Laͤcheln
meiner Louiſe iſt Stoff fuͤr Jahrhunderte, und der
Traum
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#FER">
            <p><pb facs="#f0088" n="84"/>
die ho&#x0364;ch&#x017F;te Gefahr &#x2014; &#x2014; und die ho&#x0364;ch&#x017F;te Gefahr<lb/>
mußte da &#x017F;eyn, wenn meine Liebe den Rie&#x017F;en&#x017F;prung<lb/>
wagen &#x017F;olte. &#x2014; &#x2014; Ho&#x0364;re Loui&#x017F;e &#x2014; ein Gedanke,<lb/>
gros und verme&#x017F;&#x017F;en wie meine Leiden&#x017F;chaft dra&#x0364;ngt<lb/>
&#x017F;ich vor meine Seele &#x2014; <hi rendition="#fr">Du</hi> Loui&#x017F;e und ich und die<lb/><hi rendition="#fr">Liebe!</hi> &#x2014; Liegt nicht in die&#x017F;em Zirkel der ganze<lb/>
Himmel? oder brauch&#x017F;t du noch etwas Viertes<lb/>
dazu?</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#LOU">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Loui&#x017F;e.</hi> </speaker>
            <p>Brich ab. Nichts mehr. Ich erbla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e u&#x0364;ber das, was du &#x017F;agen wil&#x017F;t.</p><lb/>
          </sp>
          <sp who="#FER">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Ferdinand.</hi> </speaker>
            <p>Haben wir an die Welt keine Fo-<lb/>
derung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln?<lb/>
Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und al-<lb/>
les verloren werden kann? &#x2014; Wird die&#x017F;es Aug<lb/>
nicht eben &#x017F;o &#x017F;chmelzend funkeln, ob es im Rhein<lb/>
oder in der Elbe &#x017F;ich &#x017F;piegelt oder im balti&#x017F;chen<lb/>
Meer? Mein Vaterland i&#x017F;t, wo mich Loui&#x017F;e liebt.<lb/>
Deine Fußtapfe in wilden &#x017F;andigten Wu&#x0364;&#x017F;ten mir in-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;anter, als das Mu&#x0364;n&#x017F;ter in meiner Heimat &#x2014;<lb/>
Werden wir die Pracht der Sta&#x0364;dte vermi&#x017F;&#x017F;en? Wo<lb/>
wir &#x017F;eyn mo&#x0364;gen, Loui&#x017F;e, geht eine Sonne auf, eine<lb/>
unter &#x2014; Schau&#x017F;piele, neben welchen der u&#x0364;ppig&#x017F;te<lb/>
Schwung der Ku&#x0364;n&#x017F;te verblaßt. Werden wir Gott<lb/>
in keinem Tempel mehr dienen, &#x017F;o ziehet die Nacht<lb/>
mit begei&#x017F;ternden Schauern auf, der wech&#x017F;elnde<lb/>
Mond predigt uns Buße, und eine anda&#x0364;chtige Kir-<lb/>
che von Sternen betet mit uns. Werden wir uns<lb/>
in Ge&#x017F;pra&#x0364;chen der Liebe er&#x017F;cho&#x0364;pfen? &#x2014; Ein La&#x0364;cheln<lb/>
meiner Loui&#x017F;e i&#x017F;t Stoff fu&#x0364;r Jahrhunderte, und der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Traum</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0088] die hoͤchſte Gefahr — — und die hoͤchſte Gefahr mußte da ſeyn, wenn meine Liebe den Rieſenſprung wagen ſolte. — — Hoͤre Louiſe — ein Gedanke, gros und vermeſſen wie meine Leidenſchaft draͤngt ſich vor meine Seele — Du Louiſe und ich und die Liebe! — Liegt nicht in dieſem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchſt du noch etwas Viertes dazu? Louiſe. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblaſ- ſe uͤber das, was du ſagen wilſt. Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Fo- derung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und al- les verloren werden kann? — Wird dieſes Aug nicht eben ſo ſchmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe ſich ſpiegelt oder im baltiſchen Meer? Mein Vaterland iſt, wo mich Louiſe liebt. Deine Fußtapfe in wilden ſandigten Wuͤſten mir in- tereſſanter, als das Muͤnſter in meiner Heimat — Werden wir die Pracht der Staͤdte vermiſſen? Wo wir ſeyn moͤgen, Louiſe, geht eine Sonne auf, eine unter — Schauſpiele, neben welchen der uͤppigſte Schwung der Kuͤnſte verblaßt. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, ſo ziehet die Nacht mit begeiſternden Schauern auf, der wechſelnde Mond predigt uns Buße, und eine andaͤchtige Kir- che von Sternen betet mit uns. Werden wir uns in Geſpraͤchen der Liebe erſchoͤpfen? — Ein Laͤcheln meiner Louiſe iſt Stoff fuͤr Jahrhunderte, und der Traum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/88
Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Kabale und Liebe. Mannheim, 1784, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_kabale_1784/88>, abgerufen am 25.04.2024.