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Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808.

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Da die heilige Schrift das eigentliche Band
geworden ist, wodurch auch die europäische Denk-
art und Bildung an das orientalische Alterthum
sich anknüpft, so ist hier der schicklichste Ort, das
Verhältniß des indischen Alterthums zur mosai-
schen Urkunde und überhaupt zur Offenbarung
zu berühren; ein Gegenstand, den wir bei dem
historischen Theil bis jetzt absichtlich vermieden
haben, um den Leser nicht auf den unsichern
Ocean so verschiedener Auslegungen und Hypo-
thesen zu führen, die nur allein über den Stamm-
baum der Noachiden und die wahre Lage des
Paradieses sich in fast zahlloser Menge, eine über
die andre wälzen. Die kritische Sichtung so vie-
ler Meinungen würde eine eigne ausführliche Be-
handlung erfordert haben, die wir andern über-
lassen.

Eins zwar, was für die Religion das wesent-
lichste und allein zu wissen nothwendig ist, sagt
uns die mosaische Urkunde in solcher Klarheit, daß
noch keine Auslegung es hat verdunkeln mögen:
daß der Mensch nach Gottes Bilde erschaffen sei,
daß er aber die Seligkeit und das reine Licht,
dessen er sich anfangs erfreute, durch eigne Schuld

Da die heilige Schrift das eigentliche Band
geworden iſt, wodurch auch die europaͤiſche Denk-
art und Bildung an das orientaliſche Alterthum
ſich anknuͤpft, ſo iſt hier der ſchicklichſte Ort, das
Verhaͤltniß des indiſchen Alterthums zur moſai-
ſchen Urkunde und uͤberhaupt zur Offenbarung
zu beruͤhren; ein Gegenſtand, den wir bei dem
hiſtoriſchen Theil bis jetzt abſichtlich vermieden
haben, um den Leſer nicht auf den unſichern
Ocean ſo verſchiedener Auslegungen und Hypo-
theſen zu fuͤhren, die nur allein uͤber den Stamm-
baum der Noachiden und die wahre Lage des
Paradieſes ſich in faſt zahlloſer Menge, eine uͤber
die andre waͤlzen. Die kritiſche Sichtung ſo vie-
ler Meinungen wuͤrde eine eigne ausfuͤhrliche Be-
handlung erfordert haben, die wir andern uͤber-
laſſen.

Eins zwar, was fuͤr die Religion das weſent-
lichſte und allein zu wiſſen nothwendig iſt, ſagt
uns die moſaiſche Urkunde in ſolcher Klarheit, daß
noch keine Auslegung es hat verdunkeln moͤgen:
daß der Menſch nach Gottes Bilde erſchaffen ſei,
daß er aber die Seligkeit und das reine Licht,
deſſen er ſich anfangs erfreute, durch eigne Schuld

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[197/0216] Da die heilige Schrift das eigentliche Band geworden iſt, wodurch auch die europaͤiſche Denk- art und Bildung an das orientaliſche Alterthum ſich anknuͤpft, ſo iſt hier der ſchicklichſte Ort, das Verhaͤltniß des indiſchen Alterthums zur moſai- ſchen Urkunde und uͤberhaupt zur Offenbarung zu beruͤhren; ein Gegenſtand, den wir bei dem hiſtoriſchen Theil bis jetzt abſichtlich vermieden haben, um den Leſer nicht auf den unſichern Ocean ſo verſchiedener Auslegungen und Hypo- theſen zu fuͤhren, die nur allein uͤber den Stamm- baum der Noachiden und die wahre Lage des Paradieſes ſich in faſt zahlloſer Menge, eine uͤber die andre waͤlzen. Die kritiſche Sichtung ſo vie- ler Meinungen wuͤrde eine eigne ausfuͤhrliche Be- handlung erfordert haben, die wir andern uͤber- laſſen. Eins zwar, was fuͤr die Religion das weſent- lichſte und allein zu wiſſen nothwendig iſt, ſagt uns die moſaiſche Urkunde in ſolcher Klarheit, daß noch keine Auslegung es hat verdunkeln moͤgen: daß der Menſch nach Gottes Bilde erſchaffen ſei, daß er aber die Seligkeit und das reine Licht, deſſen er ſich anfangs erfreute, durch eigne Schuld

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Ueber die Sprache und Weisheit der Indier. Heidelberg, 1808, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_indier_1808/216>, abgerufen am 25.04.2024.