und dabey bald so dreist und zu- versichtlich war wie ein alter Be- sitzer, bald so schüchtern und fremd wie ein völlig Unbekannter. Da er sich so seltsam zeigte, hätte er bey weitem reicher seyn müssen, als er war, um solche Ansprüche haben zu dürfen. Sie hatte ein leichtes, mun- teres Wesen und ihm schien sie ar- tig zu reden. Aber was er an der Geliebten für göttlichen Leichtsinn nahm, war nichts als ein gedan- kenloses Schwärmen ohne eigentliche Freude und Fröhlichkeit, und auch ohne Geist, ausgenommen so viel Verstand und Schlauigkeit, als es braucht, um alles absichtlich und zwecklos zu verwirren, die Männer zu locken und zu lenken und sich
und dabey bald ſo dreiſt und zu- verſichtlich war wie ein alter Be- ſitzer, bald ſo ſchüchtern und fremd wie ein völlig Unbekannter. Da er ſich ſo ſeltſam zeigte, hätte er bey weitem reicher ſeyn müſſen, als er war, um ſolche Anſprüche haben zu dürfen. Sie hatte ein leichtes, mun- teres Weſen und ihm ſchien ſie ar- tig zu reden. Aber was er an der Geliebten für göttlichen Leichtſinn nahm, war nichts als ein gedan- kenloſes Schwärmen ohne eigentliche Freude und Fröhlichkeit, und auch ohne Geiſt, ausgenommen ſo viel Verſtand und Schlauigkeit, als es braucht, um alles abſichtlich und zwecklos zu verwirren, die Männer zu locken und zu lenken und ſich
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und dabey bald ſo dreiſt und zu-
verſichtlich war wie ein alter Be-
ſitzer, bald ſo ſchüchtern und fremd
wie ein völlig Unbekannter. Da er
ſich ſo ſeltſam zeigte, hätte er bey
weitem reicher ſeyn müſſen, als er
war, um ſolche Anſprüche haben zu
dürfen. Sie hatte ein leichtes, mun-
teres Weſen und ihm ſchien ſie ar-
tig zu reden. Aber was er an der
Geliebten für göttlichen Leichtſinn
nahm, war nichts als ein gedan-
kenloſes Schwärmen ohne eigentliche
Freude und Fröhlichkeit, und auch
ohne Geiſt, ausgenommen ſo viel
Verſtand und Schlauigkeit, als es
braucht, um alles abſichtlich und
zwecklos zu verwirren, die Männer
zu locken und zu lenken und ſich
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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/143>, abgerufen am 06.05.2024.
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