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Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799.

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meine Sehnsucht unaufhaltsam wach-
sen, bis ich auf ihren Flügeln in
deine Arme sänke. Laß auch die
Worte oder die Menschen ein Mis-
verständniß zwischen uns erregen!
Der tiefe Schmerz würde flüchtig
seyn und sich bald in vollkommenere
Harmonie auflösen. Ich würde ihn
so wenig achten, wie die liebende
Geliebte im Enthusiasmus der Wol-
lust die kleine Verletzung achtet.

Wie könnte uns die Entfernung
entfernen, da uns die Gegenwart
selbst gleichsam zu gegenwärtig ist.
Wir müssen ihre verzehrende Gluth
in Scherzen lindern und kühlen und
so ist uns die witzigste unter den
Gestalten und Situazionen der Freude
auch die schönste. Eine unter allen

meine Sehnſucht unaufhaltſam wach-
ſen, bis ich auf ihren Flügeln in
deine Arme ſänke. Laß auch die
Worte oder die Menſchen ein Mis-
verſtändniß zwiſchen uns erregen!
Der tiefe Schmerz würde flüchtig
ſeyn und ſich bald in vollkommenere
Harmonie auflöſen. Ich würde ihn
ſo wenig achten, wie die liebende
Geliebte im Enthuſiasmus der Wol-
luſt die kleine Verletzung achtet.

Wie könnte uns die Entfernung
entfernen, da uns die Gegenwart
ſelbſt gleichſam zu gegenwärtig iſt.
Wir müſſen ihre verzehrende Gluth
in Scherzen lindern und kühlen und
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auch die ſchönſte. Eine unter allen

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[27/0032] meine Sehnſucht unaufhaltſam wach- ſen, bis ich auf ihren Flügeln in deine Arme ſänke. Laß auch die Worte oder die Menſchen ein Mis- verſtändniß zwiſchen uns erregen! Der tiefe Schmerz würde flüchtig ſeyn und ſich bald in vollkommenere Harmonie auflöſen. Ich würde ihn ſo wenig achten, wie die liebende Geliebte im Enthuſiasmus der Wol- luſt die kleine Verletzung achtet. Wie könnte uns die Entfernung entfernen, da uns die Gegenwart ſelbſt gleichſam zu gegenwärtig iſt. Wir müſſen ihre verzehrende Gluth in Scherzen lindern und kühlen und ſo iſt uns die witzigſte unter den Geſtalten und Situazionen der Freude auch die ſchönſte. Eine unter allen

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Zitationshilfe: Schlegel, Friedrich von: Lucinde. Berlin, 1799, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schlegel_lucinde_1799/32>, abgerufen am 29.03.2024.