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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848.

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Vorwort und Einleitung.

Die folgenden Vorlesungen sind im Verlauf der letzten 8 Jahre
nach und nach entstanden, wie die Veranlassung dazu von einem
Kreise geistreicher und gebildeter aber vom Schulstaube freier Menschen
gegeben wurde, und sie waren durchaus nicht zur Veröffentlichung
bestimmt. In diesem letzten Puncte habe ich freundschaftlichem An-
sinnen nachgegeben und sehe mich nun genöthigt noch einige Worte
hinzuzufügen, um unrichtigem Urtheil und Mißverständniß vor-
zubeugen. --

Die Vorlesungen sind der Veranlassung zu ihrer Abfassung ge-
mäß durchaus nicht bestimmt, den positiven Inhalt der Wissenschaft
zu lehren, neues Eigenthümliches zu bringen, oder Probleme der
Forschung zu lösen. Es kann sogar seyn, daß hie und da eine einzelne
Nebensache factisch nicht ganz richtig ist, obwohl ich mir Mühe gab
dergleichen zu vermeiden, und dabei kann dieser Mangel den Zwecken,
die ich bei der Ausarbeitung dieser kleinen Abhandlungen mir vorsetzte,
durchaus nicht in den Weg treten. Mein Hauptwunsch war eigentlich
die Befriedigung einer Standeseitelkeit. Ein großer Theil der Laien
selbst unter den Gebildeten, ist noch von früher daran gewöhnt, den
Botaniker für einen Krämer in barbarisch-lateinischen Namen an-
zusehen, für einen Mann, der Blumen pflückt, sie benennt, trocknet
und in Papier wickelt, und dessen ganze Weisheit in Bestimmung und
Classification dieses künstlich gesammelten Heus aufgeht. Leider ist
dieses Bild des Botanikers einmal wahr gewesen, aber es schmerzte
mich zu sehen, daß es jetzt, wo es auf den größten Theil der Pflan-
zenforscher nicht mehr paßt, noch von gar vielen festgehalten wird und

Schleiden, Pflanze. 1
Vorwort und Einleitung.

Die folgenden Vorleſungen ſind im Verlauf der letzten 8 Jahre
nach und nach entſtanden, wie die Veranlaſſung dazu von einem
Kreiſe geiſtreicher und gebildeter aber vom Schulſtaube freier Menſchen
gegeben wurde, und ſie waren durchaus nicht zur Veröffentlichung
beſtimmt. In dieſem letzten Puncte habe ich freundſchaftlichem An-
ſinnen nachgegeben und ſehe mich nun genöthigt noch einige Worte
hinzuzufügen, um unrichtigem Urtheil und Mißverſtändniß vor-
zubeugen. —

Die Vorleſungen ſind der Veranlaſſung zu ihrer Abfaſſung ge-
mäß durchaus nicht beſtimmt, den poſitiven Inhalt der Wiſſenſchaft
zu lehren, neues Eigenthümliches zu bringen, oder Probleme der
Forſchung zu löſen. Es kann ſogar ſeyn, daß hie und da eine einzelne
Nebenſache factiſch nicht ganz richtig iſt, obwohl ich mir Mühe gab
dergleichen zu vermeiden, und dabei kann dieſer Mangel den Zwecken,
die ich bei der Ausarbeitung dieſer kleinen Abhandlungen mir vorſetzte,
durchaus nicht in den Weg treten. Mein Hauptwunſch war eigentlich
die Befriedigung einer Standeseitelkeit. Ein großer Theil der Laien
ſelbſt unter den Gebildeten, iſt noch von früher daran gewöhnt, den
Botaniker für einen Krämer in barbariſch-lateiniſchen Namen an-
zuſehen, für einen Mann, der Blumen pflückt, ſie benennt, trocknet
und in Papier wickelt, und deſſen ganze Weisheit in Beſtimmung und
Claſſification dieſes künſtlich geſammelten Heus aufgeht. Leider iſt
dieſes Bild des Botanikers einmal wahr geweſen, aber es ſchmerzte
mich zu ſehen, daß es jetzt, wo es auf den größten Theil der Pflan-
zenforſcher nicht mehr paßt, noch von gar vielen feſtgehalten wird und

Schleiden, Pflanze. 1
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[[1]/0017] Vorwort und Einleitung. Die folgenden Vorleſungen ſind im Verlauf der letzten 8 Jahre nach und nach entſtanden, wie die Veranlaſſung dazu von einem Kreiſe geiſtreicher und gebildeter aber vom Schulſtaube freier Menſchen gegeben wurde, und ſie waren durchaus nicht zur Veröffentlichung beſtimmt. In dieſem letzten Puncte habe ich freundſchaftlichem An- ſinnen nachgegeben und ſehe mich nun genöthigt noch einige Worte hinzuzufügen, um unrichtigem Urtheil und Mißverſtändniß vor- zubeugen. — Die Vorleſungen ſind der Veranlaſſung zu ihrer Abfaſſung ge- mäß durchaus nicht beſtimmt, den poſitiven Inhalt der Wiſſenſchaft zu lehren, neues Eigenthümliches zu bringen, oder Probleme der Forſchung zu löſen. Es kann ſogar ſeyn, daß hie und da eine einzelne Nebenſache factiſch nicht ganz richtig iſt, obwohl ich mir Mühe gab dergleichen zu vermeiden, und dabei kann dieſer Mangel den Zwecken, die ich bei der Ausarbeitung dieſer kleinen Abhandlungen mir vorſetzte, durchaus nicht in den Weg treten. Mein Hauptwunſch war eigentlich die Befriedigung einer Standeseitelkeit. Ein großer Theil der Laien ſelbſt unter den Gebildeten, iſt noch von früher daran gewöhnt, den Botaniker für einen Krämer in barbariſch-lateiniſchen Namen an- zuſehen, für einen Mann, der Blumen pflückt, ſie benennt, trocknet und in Papier wickelt, und deſſen ganze Weisheit in Beſtimmung und Claſſification dieſes künſtlich geſammelten Heus aufgeht. Leider iſt dieſes Bild des Botanikers einmal wahr geweſen, aber es ſchmerzte mich zu ſehen, daß es jetzt, wo es auf den größten Theil der Pflan- zenforſcher nicht mehr paßt, noch von gar vielen feſtgehalten wird und Schleiden, Pflanze. 1

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Zitationshilfe: Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/17>, abgerufen am 29.03.2024.